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»Las personas del verbo« versammelt trotz seines geringen Umfangs das Lebenswerk Jaime Gil de Biedmas, der als einer der profiliertesten spanischsprachigen Lyriker des 20. Jahrhunderts gilt. Seine Gedichte kreisen um das Ich, die menschlichen Beziehungen, die Fragen nach Zeit, Wirklichkeit und Identität und münden in eine fundamentale Kritik des saturierten Bürgertums. Hinter Reduktion und kolloquialem Ton verstecken sich formal komplex komponierte und sprachlich fein ziselierte poetische Gebilde von vielfältigem Anspielungsreichtum, durch den Gil de Biedma sich mit ironischer Distanz in die…mehr

Produktbeschreibung
»Las personas del verbo« versammelt trotz seines geringen Umfangs das Lebenswerk Jaime Gil de Biedmas, der als einer der profiliertesten spanischsprachigen Lyriker des 20. Jahrhunderts gilt. Seine Gedichte kreisen um das Ich, die menschlichen Beziehungen, die Fragen nach Zeit, Wirklichkeit und Identität und münden in eine fundamentale Kritik des saturierten Bürgertums. Hinter Reduktion und kolloquialem Ton verstecken sich formal komplex komponierte und sprachlich fein ziselierte poetische Gebilde von vielfältigem Anspielungsreichtum, durch den Gil de Biedma sich mit ironischer Distanz in die europäische Bildungsgeschichte einreiht. Damit bereitet er den Weg in eine Postmoderne, die die Selbstironie freilich oft genug vermissen lässt.»Gil de Biedmas poetischer Beitrag ist - trotz seiner Kürze - fundamental.«(Carme Riera)
Autorenporträt
Jaime Gil de Biedma (1929-1990) stammt aus einer großbürgerlichen Familie. Er gilt neben José Augustín Goytisolo und Carlos Barral als einer der Hauptexponenten der selbst ernannten »Escuela de Barcelona«. Bereits 1968 betrachtete Gil de Biedma mit seinen »Poemas póstumos« sein lyrisches uvre als abgeschlossen. Sein relativ schmales lyrisches Werk, das stark von de angelsächsischen Lyrik und von Luis Cernuda beeinflusst ist und 1975 unter dem Titel »Las personas del verbo« publiziert wurde, macht ihn zu einem der einflussreichsten spanischen Dichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Außer einigen Essays hinterließ er ein Tagebuch, in dem er im Gegensatz zur verschlüsselten Ausdrucksweise seiner Gedichte in aller Deutlichkeit seine Homosexualität thematisierte (»Retrato del artista en 1956«, 1974, unzensiert 1991).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2005

Beste aller unmöglichen Welten
Masken und Menschen: Das Gesamtwerk von Jaime Gil de Biedma

Tot war der Dichter schon zu Lebzeiten. Als 1975 in Barcelona erstmals die Gesamtausgabe der Lyrik von Jaime Gil de Biedma erschien, stammte fast ein Drittel der Werke aus dem Nachlaß - die "Poemas póstumos". Das Sonderbare daran: Der Dichter war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 46 Jahre alt, erfreute sich bester Gesundheit - und hatte in eigener Person die Edition seines postumen Werkes unternommen.

Mehr als ein makaberer lyrischer Mummenschanz spricht daraus. Immer wieder begegnet Gil de Biedma in seinem lyrischen Werk dem eigenen Ich - um es prompt nicht wiederzuerkennen. "O niedrige Knechtschaft / sich selbst zu lieben", resümiert er wütend seine lyrische Anklageschrift "Wider Jaime Gil de Biedma". Nostalgisch setzt er einem verstorbenen Jugendgefährten ein dichterisches Denkmal. Sein Titel: "Nach dem Tod von Jaime Gil de Biedma". "Ich bist ein anderer", könnte das umgemünzte Rimbaudsche Credo von Biedmas inneren Dialogen lauten. Plausibel macht ein solcher Marsch durch die "Personen des Verbs" ("Las personas del verbo") auch den vom Dichter selbst gewählten Titel der Werkausgabe, der zunächst eher nach einer Grammatikfibel denn einer Lyriksammlung klingt. Jenseits seiner modernen Bedeutung des Menschen in seiner Individualität kehrt das Wort "Person" bei Gil de Biedma, dem Leser von Horaz, Catull und Properz, zu seiner lateinischen Urbedeutung zurück: Maske. In den personae verbi, den ständig wechselnden "Masken des Wortes", findet sich die Essenz seines Gesamtwerks und ebenso seines Titels.

Bereits 1959 charakterisiert der Dichter seine Arbeit: "So holt unser Tun allmählich unser Leben selbst ein - so etwas wie ein Ozean oder Teppich, der fortwährend gewebt und wieder aufgetrennt wird." Diese Ungreifbarkeit im "Tun" wie im "Leben" ist für Gil de Biedma programmatisch. Obwohl selbst ein vermögender Bourgeois, fühlt er sich schon früh zum Marxismus hingezogen. Doch von der KP wird er wegen seiner offen gelebten Homosexualität verpönt - ebenso wie von den Machthabenden in Madrid, die ihm eine diplomatische Laufbahn verwehren. So endet er in einer schillernden Doppelexistenz, als biederer Zigarrengroßhändler und tuntiger Dichterfürst.

Was Gil de Biedmas Versen, obwohl "schwankend vor Alkohol", trotz aller Schmuddeligkeiten ihrer "Hotels nur für eine Nacht" eine zeitlose, zuweilen fast marmorne Größe verleiht, ist ebendiese Fähigkeit, die krude Wirklichkeit zu evozieren und zugleich zu verschleiern - leicht erahnbar, aber nicht offen enttarnbar, ob nun in den nie expliziten homoerotischen Szenarien der Liebesgedichte oder in der politischen Kritik an Francos Diktatur. Die meisterlich geschliffenen, an Baudelaire, Mallarmé, Eluard und Antonio Machado geschulten Verse kommen nicht einmal ansatzweise in die Nähe des vom Autor so verachteten "Widerspruchs der intellektuellen Bourgeoisie, die versucht, proletarische Literatur zu schreiben". Gerade durch ihren vermeintlichen Hermetismus aber gewinnen sie in den Zeiten der Zensur politische und soziale Schlagkraft. Die Beobachtung, "daß unser aller Spanien / einem Gefängnis gleicht", oder die Resignation über ein "Land, beherrscht von allen Teufeln, / wo die schlechte Regierung und die Armut / nicht einfach nur Armut und schlechte Regierung sind, / sondern ein mystischer Zustand des Menschen", wirken nicht gerade wie Nachrichten aus dem Elfenbeinturm.

Weniger als hundert Gedichte umfaßt das vermeintliche Gesamtwerk Jaime Gil de Biedmas, das in Wirklichkeit das Resultat einer rigorosen Selbstbeschränkung und Selektion darstellt. Dem Anspruch des Autors an Leben wie Werk folgend, komprimiert der lyrische Extrakt die Gesamtheit des Vorhandenen in "nur einen Augenblick": "genau in der Minute, / wenn wir in die beste / aller unmöglichen Welten fliehen". Diese Stilisierung ist zwar durchaus nicht konfliktfrei. "Ich glaubte, ich wolle ein Dichter sein, aber im Grunde wollte ich ein Gedicht sein. Zu meinem Nachteil ist mir dies auch gelungen; wie ein einigermaßen gut gemachtes Gedicht entbehre ich nun der Freiheit", schreibt der Autor selbst im Klappentext der Erstausgabe. Doch gerade diese unbestechliche Selbstdisziplin macht "Die Personen des Verbs" zum Markstein spanischer Lyrik im zwanzigsten Jahrhunderts. Nach dreißig Jahren liegt das Buch nun erstmals in einer vollständigen deutschen Fassung vor.

FLORIAN BORCHMEYER

Jaime Gil de Biedma: "Las personas del verbo - Die Personen des Verbs". Spanisch-Deutsch. Aus dem Spanischen übersetzt von Manuel Monge Fidalgo und Sven Limbeck. Mit einem Nachwort von Sven Limbeck. Elfenbein Verlag, Berlin 2004. 271 S., geb., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.07.2004

Ich bin das Gedicht
Eine Entdeckung: Der Lyriker Jaime Gil de Biedma
Auf den Söhnen aus gutem Hause ruhen die großen Erwartungen. Sie ruhen ganz und gar auf ihnen, denn noch der gewandteste Prokurist kann die Erwartungen der Eltern der Söhne aus gutem Hause nicht so erfüllen wie diese. Der 1929 geborene Jaime Gil de Biedma war Sohn aus einem guten Hause Barcelonas; den Eltern gehörte die Handelsfirma „Tabacos de Filipinas”. Der Eltern großen Erwartungen hat der Sohn aber nur zum Teil entsprochen: so weit wohl, als er sich damit ein Stück Freiheit erkaufte - Freiheit auch von just diesen Erwartungen. Zu anderen Teilen hat er den großen Erwartungen in lustvoller Provokation widersprochen, und die Poesie weit ernster genommen als das Rechnen, Feilschen, Paragraphenreiten für die elterliche Firma. Das ist seiner Poesie gut bekommen, und hat den Tabakgeschäften zwischen Spanien und den Philippinen am Ende wohl nicht einmal ernstlich geschadet.
Weit schwerer mag gewogen haben, dass Jaime Gil de Biedma homosexuell wurde: im autoritär-katholischen Spanien der fünfziger und sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts ein Unaussprechliches, sei das Haus nun gut oder weniger gut gewesen. Den großen Erwartungen hat Jaime Gil de Biedma ein Gedicht gewidmet, „Las grandes esperanzas”, an dessen Ende er von der „besten aller unmöglichen Welten” („mejor de los mundos imposibiles”) träumt, einer Welt, „wo nichts wichtig ist, / aber auch gar nichts - nicht einmal / die großen Erwartungen, die ganz / auf uns ruhen, ganz, / und die so schwer sind”. Diese Welt aber hat er sich in seiner eigenen Dichtung entschieden nicht geschaffen, und nicht zu schaffen gesucht.
Vergangene Zukunft
Er, der Geschäft, Familie, die bürgerlichen Erfolgskriterien leicht nahm und als Mittel statt als Ziele handhabte, setzte sich selbst unter große Erwartungen: das Philosophie und Literatur gewordene europäische Denken insbesondere über die Liebe, von Platons Symposion bis zu T.S. Eliot und W.H. Auden, älteren Zeitgenossen Biedmas ja, ist in seinem Werk als Horizont anwesend - und als Anspruch an Inhalt und Form. Dass er unter solchen selbstgesetzten großen Erwartungen in seinem Gedicht „De vita beata” nicht zu schreiben („no escribir”) neben Amnesie als eine Bedingung von Glück anführt, leuchtet ohne weiteres ein. Und seine Bemerkung war keine wohlfeile Dichterphrase: denn mit neununddreißig Jahren ließ Gil de Biedma das Schreiben von Poesie tatsächlich bleiben. 1968 erschien sein letzter Gedichtband; seitdem bis zu seinem Tod an den Folgen von Aids 1990 rückte der selbstkritische Autor nur noch am Inhalt der Ausgabe seiner gültigen Lyrik herum, bis zur letzten Redaktion 1982 Gedichte ausscheidend oder wieder hineinnehmend.
Hatte Gil de Biedma 1968 seine große Zukunft hinter sich? - il n’y a plus triste temps que le futur passé. Im Klappentext zur Ausgabe seines lyrischen Lebenswerks hat er der Erklärung dafür, nicht mehr zu schreiben, eine denkwürdige Wendung gegeben: „Ich glaubte, ich wolle ein Dichter sein, aber im Grunde wollte ich ein Gedicht sein”. Wer das unheimlich fände, läge richtig; und die Gedichte der Ausgabe letzter Hand sind geeignet, solcher Ahnung Resonanz zu verleihen. Weniger als hundert haben vor Biedmas Urteil als sein Œuvre bestehen können: Las personas de verbo, Die Personen des Verbs - oder des Wortes.
Es geht in diesen Gedichten in wesentlichen Momenten um die - in einer Formulierung, um die der Aristophanes des Gastmahls Biedma beneidet hätte - „Nachteile, die es hat, zwei zu sein” („inconvenientes de ser dos”). Dabei ist dem Dichter aufgefallen, dass der Liebe genannte Versuch der Korrektur dieser Nachteile daran gebunden ist, sich ihnen ausgeliefert zu haben: „Um sich in der Liebe auszukennen, um sie zu lernen, / muss man einsam gewesen sein”. Statt sich im Jammer über den Nachteil, zwei zu sein, sentimental einzurichten oder ihn, juchzend, die ganze Welt bestehe nur aus Liebe, vergessen zu machen, will Biedma ihn intelligent durchdringen. Denn genau dies ist für ihn Lyrik.
Dass das eine trockene Übung werden müsse, könnte nur meinen, wem entgangen ist, dass es auch Räusche des Intellekts gibt. All das hat der Dichter in „Das Spiel, Verse zu machen” („El juego de hacer versos”) in Verse gebracht: „In gezählten Zeilen / denken (‚pensar’) zu lernen / - und nicht in den Gefühlen, / die uns sonst begeisterten -, // mit der Sprache umzugehen, / als wäre sie magisch, / ist eine gute Übung, / die uns sogar berauschen kann”. Unter den bekannt gewordenen Poetiken der Moderne haben wenige Gescheiteres so genau zu sagen gewusst. Und vor allem: wer von all den Manifesteschreibern, Pamphletisten und Programmatikern der Moderne hat seinen Proklamationen künstlerische Wirklichkeit zu geben vermocht, wie es in den reifen Gedichten Jaime Gil de Biedmas gelingt, unprätentiös-raffinierten Gebilden, hinter einem der Konversation genäherten Tonfall höchste formale Kunst verbergend.
Gleichwohl oder deshalb, wer weiß, ist der Ruhm des Dichters bis heute im Wesentlichen auf Spanien beschränkt geblieben. Seit Ende der siebziger Jahre hat Fritz Vogelgsang, der frühere Literaturredakteur der Stuttgarter Zeitung, der sich auch sonst als Übersetzer spanischer Literatur höchst verdient gemacht hat, einige Gedichte Jaime Gil de Biedmas auf Deutsch veröffentlicht. Dass ihm dafür im Nachwort zur ersten Gesamtübertragung von Las personas del verbo im Berliner Elfenbein Verlag nur mit einem Tritt ans Schienbein von Übersetzer zu Übersetzer gedankt wird, ist wenig nobel. Und völlig überflüssig. Denn die Meriten dieser kommentierten spanisch-deutschen Parallelausgabe von Manuel Monge Fidalgo und Sven Limbeck stehen ganz außer Zweifel, zumal sich die Weite des Horizonts von Biedma, bei allem Glanz einzelner Gedichte und einzelner Verse, erst dem Blick aufs Gesamtwerk vollkommen erschließt. Es könnte gut sein, dass aus dem Rückblick von vielleicht fünfzig Jahren, wenn der Name manchen Literaturnobelpreisträgers verblasst sein wird, Jaime Gil de Biedma unter den größten Lyrikern des zwanzigsten Jahrhunderts genannt werden wird.
ANDREAS DORSCHEL
JAIME GIL DE BIEDMA: Las personas del verbo. Die Personen des Verbs. Gedichte. Spanisch - Deutsch. Übersetzt von Manuel Monge Fidalgo und Sven Limbeck. Mit einem Nachwort von Sven Limbeck. Elfenbein Verlag, Berlin 2004. 271Seiten, 19,00 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Andreas Dorschel preist diesen Gedichtband des spanischen Lyrikers Jaime Gil de Biedma als echte "Entdeckung" und begrüßt begeistert die erste Gesamtübertragung dieses Gedichtbandes ins Deutsche. Gil de Biedma, der seinen letzten Lyrikband 1968 veröffentlicht und danach das Schreiben aufgegeben hat, demonstriert in seinen Versen, dass es durchaus nicht "trocken" ist, die Welt mit dem Intellekt zu durchdringen, denn es gibt auch "Räusche des Intellekts", versichert der überzeugte Rezensent. Hinter dem der "Konversation genäherten Tonfall" der "unprätentiös-raffinierten" Gedichte kommt für den hingerissenen Dorschel "höchste formale Kunst" zum Vorschein. Einzig, dass die Übersetzer Manuel Monge Fidalgo und Sven Limbeck es für nötig halten, den Übersetzer Fritz Vogelsang, der sich als Erster um die Übertragung von einzelnen Gedichten Biedmas "höchst verdient" gemacht hat, im Vorwort mit einem "Tritt ans Schienbein" bedenken, findet der Rezensent unnötig und etwas schäbig.

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