Fünfzig Kilometer vor den Stadttoren von Buenos Aires lebt hinter hohen Sicherheitszäunen eine kleine elitäre Gemeinschaft. Ihre Sorgen scheinen sich in der Sommerhitze und deren Folgen für den örtlichen Golfplatz zu erschöpfen. Unter der schönen Oberfläche jedoch schwelen Konflikte, die auch vor den Siedlungszäunen nicht halt machen: Untreue, Alkoholsucht und Ehezwist. Zudem bekommt selbst die privilegierte Gated Community die Auswirkungen der Wirtschaftskrise mit aller Wucht zu spüren. Doch anstatt die Ärmel hochzukrempeln, gehen drei Familienväter einen eigenwilligen Weg, um ihren Lieben den hohen Lebensstandard zu sichern. Ihre Leichen werden am Grund des Swimmingpools gefunden.
Die Donnerstagswitwen ist das Porträt einer Gemeinschaft, die über ihre Verhältnisse lebt und tödliche Geheimnisse zu verbergen hat. Der preisgekrönte Bestseller ist bereits in vierzehn Sprachen zu lesen und wurde 2009 von Marcelo Piñeyro fürs Kino verfilmt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Die Donnerstagswitwen ist das Porträt einer Gemeinschaft, die über ihre Verhältnisse lebt und tödliche Geheimnisse zu verbergen hat. Der preisgekrönte Bestseller ist bereits in vierzehn Sprachen zu lesen und wurde 2009 von Marcelo Piñeyro fürs Kino verfilmt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.2010Drei Leichen im Pool
Verlogen, feige und stets ein Glas Rotwein in der Hand: Claudia Piñeiro entlarvt die Lebenslügen der besseren Kreise Argentiniens. Das macht nicht immer Spaß.
Die Privatsiedlung Altos de la Cascada vor den Toren von Buenos Aires ist eine Art Snobisten-Bullerbü für die gehobenen Stände Argentiniens und natürlich viel zu schön, um wahr zu sein. Es ist die Simulation einer heilen Welt mit Golfplatz, Tennisplatz, Clubhaus, mit Schwimmbädern, Wachleuten und lauter Lebenslügnern in dreihundert Häusern auf zweihundert Hektar hinterm Zweimeterzaun. Hier riecht es nach Jasmin und frisch geschnittenem Gras, nach Eukalyptus und Chlor und vor allem nach einem Leben frei von allen Beschwernissen. Alle kennen sich, alle lassen ihre Türen offen stehen, alle reklamieren für sich das Anrecht, auf ewig die "splendid isolation" von La Cascada genießen zu dürfen, ihren Frieden, ihre Ruhe, ihre Sorglosigkeit. Und dann liegen sehr schnell drei Leichen im Schwimmbad.
Wie auf einer Theaterbühne arrangiert die am Theater geschulte Claudia Piñeiro, die zu den Stars der argentinischen Gegenwartsliteratur zählt, ihr Personal in der kleinen, feinen Welt von La Cascada - all die befreundeten Ehepaare in ihren großen Häusern mit dem vielen Hauspersonal, die sich für die Stützen der Gesellschaft halten und doch mit der Gesellschaft hinter dem Zaun nichts zu tun haben wollen. Man bleibt unter sich, spielt gemeinsam Tennis, verabredet sich zum Golf, macht dabei dubiose Geschäfte, und immer donnerstags treffen sich die Männer zum Kartenspielen und ihre Frauen zum Tratschen. Deswegen seien sie Donnerstagswitwen, sagen sie im Scherz. Dass sie bald tatsächlich Witwen sein werden, ahnen sie da noch nicht.
Die Grundidee von Claudia Piñeiro, Sein und Schein der gehobenen argentinischen Mittelschicht im Mikrokosmos eines Country-Clubs zu verdichten, ist plausibel, überzeugend und viel weniger fiktional, als es den Argentiniern lieb sein kann. Diese traumatisierte Mittelschicht gibt es tatsächlich, die mindestens einmal am eigenen Leib erleben musste, wie Argentinien nach ein paar fetten Jahren mit gespenstischer Zuverlässigkeit immer in den nächsten Staatsbankrott taumelt, in die nächste Wirtschaftsdepression, die scheinbar unantastbare Existenzen so gründlich zerstört wie alle Hoffnungen auf das Glück der Zukunft. Da ist es kein Wunder, dass die Menschen in La Cascada mit aller Macht versuchen, die bedrohliche Wirklichkeit hinter dem Zaun auszusperren.
Und genauso wenig verwundert es, dass die Wirklichkeit unaufhaltsam durch seine Maschen dringt: Männer verlieren ihre Arbeit, Frauen ihre Männer, Kinder ihre Unschuld. Man betrügt seinen Ehepartner mit derselben Selbstverständlichkeit wie sich selbst, trinkt zu viel Rotwein und hat sich zu wenig zu sagen. Erloschen sind die Leidenschaften, geblieben sind das Schweigen in der Ehe und die Angst vor dem Morgen. Die Wirklichkeitslosigkeit der Siedlung mündet in Realitätsverlust, ihr Hermetismus in Einsamkeit. Aus Glück wird Neid, aus Freundschaft Rivalität, aus Eifersucht Verachtung, aus Verachtung Hass und aus der Befürchtung, seinen Lebensstandard nicht wahren zu können, eine existentielle Katastrophe. So erstarrt die Sorglosigkeit zur Fassade, und die größte Sorge ist es bald, die Fassade der Sorglosigkeit aufrechtzuerhalten.
Claudia Piñeiro lässt ihre Leser keine Sekunde lang über die Falschheit und Verlogenheit dieses Paralelluniversums im Zweifel, wobei sie weniger anklagend als mitfühlend ist. Doch mit der Demaskierung lässt sie sich mitunter quälend lange Zeit. Es dauert, bis sie ihr Personal sortiert hat und bis sie den Faden der drei Leichen im Pool endlich wieder aufnimmt. Währenddessen erfährt man viel zu vieles, was man gar nicht wissen will, Alltagssorgen der Mütter zum Beispiel, die um die Versetzung ihrer Kinder in die nächste Klasse kämpfen, oder allerhand Details über die Mühsal, einen Wohltätigkeitsbasar zu organisieren. Nur selten wird es spannend, etwa wenn sich eine verlassene Ehefrau in Hexerei versucht, ihr Haus mit Fotos des treulosen Gatten und der heuchlerischen Freunde tapeziert und ihnen Nadeln in die Augen steckt.
Doch sofort fällt die Erzählung in den alten Trott zurück und ist wieder so linear, dass man als Leser nie diesen berauschenden, bestürzenden Moment erlebt, wenn der Boden unter den Füßen plötzlich zu schwanken beginnt, wenn sich die Bohlen der falschen Wirklichkeit lösen und davontreiben mit ungewissem Ziel. Piñeiro hat sich einen Namen als Dramatikerin gemacht, doch die Dramaturgie der "Donnerstagswitwen" ist genauso schlicht und spröde, genauso wenig raffiniert und brillant wie ihre Sprache, die manchmal noch karger klingt als eine Regieanweisung.
Immerhin versöhnt die Pointe mit dem Roman. Dann weiß man, auf welche verblüffende Weise die Leichen in den Pool kamen - und dass den meisten Menschen in La Cascada nicht mehr zu helfen ist.
JAKOB STROBEL Y SERRA
Claudia Piñeiro: "Die Donnerstagswitwen". Roman. Aus dem Spanischen von Peter Kultzen. Unionsverlag, Zürich 2010. 316 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Verlogen, feige und stets ein Glas Rotwein in der Hand: Claudia Piñeiro entlarvt die Lebenslügen der besseren Kreise Argentiniens. Das macht nicht immer Spaß.
Die Privatsiedlung Altos de la Cascada vor den Toren von Buenos Aires ist eine Art Snobisten-Bullerbü für die gehobenen Stände Argentiniens und natürlich viel zu schön, um wahr zu sein. Es ist die Simulation einer heilen Welt mit Golfplatz, Tennisplatz, Clubhaus, mit Schwimmbädern, Wachleuten und lauter Lebenslügnern in dreihundert Häusern auf zweihundert Hektar hinterm Zweimeterzaun. Hier riecht es nach Jasmin und frisch geschnittenem Gras, nach Eukalyptus und Chlor und vor allem nach einem Leben frei von allen Beschwernissen. Alle kennen sich, alle lassen ihre Türen offen stehen, alle reklamieren für sich das Anrecht, auf ewig die "splendid isolation" von La Cascada genießen zu dürfen, ihren Frieden, ihre Ruhe, ihre Sorglosigkeit. Und dann liegen sehr schnell drei Leichen im Schwimmbad.
Wie auf einer Theaterbühne arrangiert die am Theater geschulte Claudia Piñeiro, die zu den Stars der argentinischen Gegenwartsliteratur zählt, ihr Personal in der kleinen, feinen Welt von La Cascada - all die befreundeten Ehepaare in ihren großen Häusern mit dem vielen Hauspersonal, die sich für die Stützen der Gesellschaft halten und doch mit der Gesellschaft hinter dem Zaun nichts zu tun haben wollen. Man bleibt unter sich, spielt gemeinsam Tennis, verabredet sich zum Golf, macht dabei dubiose Geschäfte, und immer donnerstags treffen sich die Männer zum Kartenspielen und ihre Frauen zum Tratschen. Deswegen seien sie Donnerstagswitwen, sagen sie im Scherz. Dass sie bald tatsächlich Witwen sein werden, ahnen sie da noch nicht.
Die Grundidee von Claudia Piñeiro, Sein und Schein der gehobenen argentinischen Mittelschicht im Mikrokosmos eines Country-Clubs zu verdichten, ist plausibel, überzeugend und viel weniger fiktional, als es den Argentiniern lieb sein kann. Diese traumatisierte Mittelschicht gibt es tatsächlich, die mindestens einmal am eigenen Leib erleben musste, wie Argentinien nach ein paar fetten Jahren mit gespenstischer Zuverlässigkeit immer in den nächsten Staatsbankrott taumelt, in die nächste Wirtschaftsdepression, die scheinbar unantastbare Existenzen so gründlich zerstört wie alle Hoffnungen auf das Glück der Zukunft. Da ist es kein Wunder, dass die Menschen in La Cascada mit aller Macht versuchen, die bedrohliche Wirklichkeit hinter dem Zaun auszusperren.
Und genauso wenig verwundert es, dass die Wirklichkeit unaufhaltsam durch seine Maschen dringt: Männer verlieren ihre Arbeit, Frauen ihre Männer, Kinder ihre Unschuld. Man betrügt seinen Ehepartner mit derselben Selbstverständlichkeit wie sich selbst, trinkt zu viel Rotwein und hat sich zu wenig zu sagen. Erloschen sind die Leidenschaften, geblieben sind das Schweigen in der Ehe und die Angst vor dem Morgen. Die Wirklichkeitslosigkeit der Siedlung mündet in Realitätsverlust, ihr Hermetismus in Einsamkeit. Aus Glück wird Neid, aus Freundschaft Rivalität, aus Eifersucht Verachtung, aus Verachtung Hass und aus der Befürchtung, seinen Lebensstandard nicht wahren zu können, eine existentielle Katastrophe. So erstarrt die Sorglosigkeit zur Fassade, und die größte Sorge ist es bald, die Fassade der Sorglosigkeit aufrechtzuerhalten.
Claudia Piñeiro lässt ihre Leser keine Sekunde lang über die Falschheit und Verlogenheit dieses Paralelluniversums im Zweifel, wobei sie weniger anklagend als mitfühlend ist. Doch mit der Demaskierung lässt sie sich mitunter quälend lange Zeit. Es dauert, bis sie ihr Personal sortiert hat und bis sie den Faden der drei Leichen im Pool endlich wieder aufnimmt. Währenddessen erfährt man viel zu vieles, was man gar nicht wissen will, Alltagssorgen der Mütter zum Beispiel, die um die Versetzung ihrer Kinder in die nächste Klasse kämpfen, oder allerhand Details über die Mühsal, einen Wohltätigkeitsbasar zu organisieren. Nur selten wird es spannend, etwa wenn sich eine verlassene Ehefrau in Hexerei versucht, ihr Haus mit Fotos des treulosen Gatten und der heuchlerischen Freunde tapeziert und ihnen Nadeln in die Augen steckt.
Doch sofort fällt die Erzählung in den alten Trott zurück und ist wieder so linear, dass man als Leser nie diesen berauschenden, bestürzenden Moment erlebt, wenn der Boden unter den Füßen plötzlich zu schwanken beginnt, wenn sich die Bohlen der falschen Wirklichkeit lösen und davontreiben mit ungewissem Ziel. Piñeiro hat sich einen Namen als Dramatikerin gemacht, doch die Dramaturgie der "Donnerstagswitwen" ist genauso schlicht und spröde, genauso wenig raffiniert und brillant wie ihre Sprache, die manchmal noch karger klingt als eine Regieanweisung.
Immerhin versöhnt die Pointe mit dem Roman. Dann weiß man, auf welche verblüffende Weise die Leichen in den Pool kamen - und dass den meisten Menschen in La Cascada nicht mehr zu helfen ist.
JAKOB STROBEL Y SERRA
Claudia Piñeiro: "Die Donnerstagswitwen". Roman. Aus dem Spanischen von Peter Kultzen. Unionsverlag, Zürich 2010. 316 S., geb., 19,90 [Euro].
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