Lass mal Therapie gehen war ein unglaublich intensives Buch für mich. Psychotherapie ist heutzutage leider immer noch für viele ein Tabu-Thema, dabei sollte man diejenigen, die die Kraft haben, sich Hilfe zu suchen, viel mehr bewundern statt sie zu verurteilen. Dieses Buch trägt einen großen Teil
zur Enttabuisierung bei, wie ich finde, und genau deshalb kann ich es auch uneingeschränkt…mehrLass mal Therapie gehen war ein unglaublich intensives Buch für mich. Psychotherapie ist heutzutage leider immer noch für viele ein Tabu-Thema, dabei sollte man diejenigen, die die Kraft haben, sich Hilfe zu suchen, viel mehr bewundern statt sie zu verurteilen. Dieses Buch trägt einen großen Teil zur Enttabuisierung bei, wie ich finde, und genau deshalb kann ich es auch uneingeschränkt weiterempfehlen, nicht nur an Jugendliche, sondern auch Angehörige oder diejenigen, die sich vor Augen führen wollen, wie so eine Therapie überhaupt funktioniert.
Ein weit verbreitetes Vorurteil: Nur Menschen aus instabilen Verhältnissen kommen überhaupt in die Situation, sich einen Therapieplatz suchen zu müssen. Wer eine liebende Familie hat, viele Freund*innen, Erfolg, gute Noten, eine erfüllte Freizeit mit spannenden Hobbys, dem*der kann es doch nicht schlecht gehen.
Man könnte gar nicht weiter daneben liegen, das zeigt Nina Jordis in ihrem Buch auf. Die Jugendlichen, deren Therapiewege sie hier aufschlüsselt, könnten unterschiedlicher kaum sein, meist sind sie sozial sehr gut integriert und haben einen großen Freundschaftskreis, oder sie sind sehr selbstbewusst, beinahe forsch, so gar nicht die „typischen“ Kandidat*innen, bei denen man den Vorurteilen folgend erwarten würde, dass sie in Therapie sind. Gerade deshalb empfand ich die Wahl auch als so gut gelungen.
Die Geschichten der Jugendlichen beinhalten alle verschiedene Diagnosen. Dadurch wird das Spektrum dessen, was man kennenlernen kann, breit gefächert und man lernt viel mehr, als man es bei zu ähnlichen Geschichten vielleicht getan hätte.
Die Aufbereitung der Fälle fand ich großartig gemacht. Zunächst gibt es immer eine kleine Einführung zum jeweiligen Gegenüber, das Kennenlernen und die Hintergrundstory bis hin zur Diagnose. Dann kommt ein lebendig und gut verständlich geschriebener Teil mit Fakten zur Erkrankung, sodass man sich mehr darunter vorstellen kann, welche Prozesse dahinterstecken, wo die Ursache liegen kann, welche Einschränkungen das für die Jugendlichen bedeutet. Zum Schluss kommen die Patient*innen auch immer selbst noch zu Wort, was für mich besonders in den Fällen, wo ich mich selbst in Teilen wiedererkannt habe, sehr berührend war. Meinen Respekt für den Mut, die eigene Geschichte so für andere aufzuarbeiten!
Nina Jordis schafft es, das Buch informativ und sensibilisierend zugleich wirken zu lassen, ohne jedoch dabei mit dem belehrenden Zeigefinger auf die Lesenden zu zeigen. Ich habe mich trotz der schweren Themen immer sicher zwischen den Seiten gefühlt, die Aufklärung war unglaublich lehrreich und ich würde das Buch am liebsten jedem einzelnen Menschen da draußen in die Hand drücken, damit endlich verstanden wird, dass Therapie kein Tabu ist.