»An die Letzte Generation« ist der Brief adressiert, den Sven Hartberger im Postfach von Klara Wasser, der Sprecherin der Bewegung, landen lässt. Das Schreiben versucht, den jungen Leuten klarzumachen, dass ihr Aktivismus zu spät kommt und an der falschen Stelle ansetzt. Sein Autor verbirgt sich hinter dem halblustigen Pseudonym Bendus Zankler, aber Klara hat schon nach der Lektüre des ersten Absatzes keinen Zweifel: Der Text ist vom alten Gurker. Alfred Gurker zählt zu Europas einflussreichsten Politikberatern. Präsidenten, Kanzler und Minister nehmen seine Dienste ebenso in Anspruch wie die CEOs des big business in Gewerbe und Industrie, die Führer von Unternehmerverbänden und Gewerkschaften und die Leiter von großen Lobbyingorganisationen.Gurkers Absicht ist es also, die Letzte Generation über die vollkommene Sinnlosigkeit ihres Tuns ins Bild zu setzen und nimmt die grundlegenden Irrtümer ihrer Zielsetzungen ins Visier. Mit seinem Insiderwissen zeigt er, warum die Erreichung dieser Ziele vollkommen ausgeschlossen ist. Er meint es gut mit den jungen Leuten, die er von ihrem Irrweg abbringen will. Für seine Bemühungen hat Gurker ein persönliches Motiv: Seine Tochter Lena ist in der Bewegung aktiv, auch sie schüttet Tomatensuppe auf Panzerglasscheiben, klebt sich auf Autobahnen und heckt für die nahe Zukunft bereits neue Aktionsformate aus.Gurkers Post stürzt Klara in ein tiefes Dilemma. Das Schreiben ist brillant formuliert und stringent argumentiert, es beruft sich auf eine Unzahl von ebenso spektakulären wie unleugbaren Tatsachen. Seine Überzeugungskraft ist nicht zu unterschätzen. Am liebsten möchte Klara den Brief unterdrücken, doch das kann sie mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren, weil er nicht an sie, sondern an die Bewegung adressiert ist.Klara vertraut sich mit ihren Zweifeln ihrer alten Freundin Lena an. Gemeinsam beschließen sie, Gurkers blendende Gedankenketten zu überprüfen. Kann es sein, dass sich hinter dem gewaltigen Gebirge von harten Fakten ein harmloser Papierdrache verbirgt? Ist es nicht vielleicht so, dass zwar die ins Treffen geführten Tatsachenbehauptungen jeder Überprüfung standhalten mögen, nicht aber die an sie geknüpften Schlussfolgerungen? Die beiden jungen Frauen beschließen, Gurkers Brief zu veröffentlichen - allerdings versehen mit ihren eigenen Anmerkungen.Sven Hartbergers mitreißender Erzählung gelingt es, zwei gegensätzliche Perspektiven auf unsere Gegenwart mit Gewinn zu verhandeln: sowohl diejenige des defaitistischen Pragmatikers, der den vermeintlichen Tatsachen ins Auge blicken will, wie auch diejenige all derer, die von der Veränderbarkeit dieser Tatsachen überzeugt sind - und dafür auch zu kämpfen bereit sind. Ein dialogisches Pamphlet über die Möglichkeit und Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderung.