Laura Vermeer verlässt nach einer kurzen Karriere als »Kunstterroristin« das Berlin der Wendezeit, um in Hamburg als Assistentin des mächtigen Galeristen Hyde ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Dank ihrer Freundschaft zur Agentin Ruth Netzer gerät sie damit in ein Zentrum des sich fundamental wandelnden Kunstmarktes, in dem die Macht der Galeristen, Agenten und Kuratoren wächst, während sie die Künstler zunehmend zu Spielbällen ihrer eigenen Interessen degradieren, und wird schließlich selbst zu einer einflussreichen Protagonistin dieses Prozesses.
Mit »Laura oder die Tücken der Kunst« knüpft Pierangelo Maset dort an, wo sein Roman »Klangwesen« endete. Er zeigt die Verflechtungen von privaten, geschäftlichen und künstlerischen Interessen unter den veränderten Produktions- und Vermarktungsbedingungen im Feld der Kunst, die alle persönlichen Beziehungen durchziehen. Zwischen Laura, Ruth, dem New Yorker Künstler Bob und dessen schwesterlicher Freundin Monica entspinnt er eine vielschichtige Vierecksgeschichte, in der sich Erotik, Liebe, Freundschaft, künstlerische Lebensweise und Geschäftliches unauflöslich ineinander verschränken und heftig aufeinander einwirken.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Mit »Laura oder die Tücken der Kunst« knüpft Pierangelo Maset dort an, wo sein Roman »Klangwesen« endete. Er zeigt die Verflechtungen von privaten, geschäftlichen und künstlerischen Interessen unter den veränderten Produktions- und Vermarktungsbedingungen im Feld der Kunst, die alle persönlichen Beziehungen durchziehen. Zwischen Laura, Ruth, dem New Yorker Künstler Bob und dessen schwesterlicher Freundin Monica entspinnt er eine vielschichtige Vierecksgeschichte, in der sich Erotik, Liebe, Freundschaft, künstlerische Lebensweise und Geschäftliches unauflöslich ineinander verschränken und heftig aufeinander einwirken.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2007Das hatte Beuys aber anders gemeint
Ach, der Kunstmarkt: überkandidelt und hohl. Oder nicht? Pierangelo Maset hat einen satirischen Roman über eine Szene geschrieben, die jeder zu kennen glaubt.
Kürzlich war von einer Frau aus Avignon zu lesen, die von einer zwei mal drei Meter großen, schneeweißen Leinwandfläche von Cy Twombly nach eigener Aussage so "überwältigt" worden sei, dass sie in einem "Liebesakt" einen roten Kussmund auf das Gemälde habe anbringen müssen. Der Eigentümer habe sich mit einer Entschädigungsforderung in Millionenhöhe nicht durchsetzen können, die Frau sei mit einer Geldbuße von 1500 Euro davongekommen.
In dem zweiten Roman des 1954 in Kassel geborenen Pierangelo Maset werden Anschläge auf Kunstwerke geschildert, bei denen diese keineswegs mit einer Spur von Lippenstift davonkommen. Eine Skulptur des weltberühmten "Pablo" wird von Laura Vermeer, der Ich-Erzählerin, "mit einem Sprühfilm, der aus meinem Morgenurin bestand, berieselt". Später kommt es, weniger planvoll, zum Einsatz auch schärferer Körpersäfte, wenn Laura, wegen zu viel Vernissagen-Alkohol und weil sie überhaupt an einem reizbaren Magen leidet, auf den Holzengel einer unbekannteren polnischen Künstlerin erbrechen muss. Die Urheberin dieser Attacken bleibt, anders als die Frau aus Avignon, ungeschoren.
Denn der Säureanschlag wird von Tricia und Ginger, zwei Londoner Performance-Artistinnen, sogleich zum Kunstwerk erklärt. "Diese Arbeit", steht dann im Ausstellungsbericht einer Berliner Tageszeitung über "Angel's Vomit" zu lesen, "vereinige alles, was für die Fortsetzung der Kunst wesentlich sei, ihre formale Strenge sei ebenso überzeugend wie ihr inhaltliches Engagement und die sinnliche Präsenz". Laura referiert es ihrem amerikanischen Künstlerfreund Bob; der hält das Ganze bloß für "Bullshit", aber er hat, wie sich bald zeigen wird, auch nicht verstanden, was für die Kunst von heute wesentlich ist, und nimmt überhaupt ein trauriges Ende.
Von solchen Tücken der Kunst handelt Masets Roman, der im Berlin der späten achtziger Jahre beginnt, indem die Erzählerin mit dem deutlich sprechenden Namen Laura - eine Philosophiestudentin aus Norddeutschland, die wie viele den "klar abgegrenzten urbanen Kosmos" der Mauerstadt als "Kulisse für unsere Versuche in alle Richtungen" schätzten - durch die zufällige Begegnung mit der charismatischen, vor allem instinktsicheren Kunstagentin Ruth in die ebenso rätselhafte wie banale Welt des Handels mit "junger Kunst" eingeführt wird.
Je gleichgültiger ihr deren Produkte sind, desto erfolgreicher agiert sie, und sie lernt schnell, dass man von "Arbeiten" spricht, und bald auch das Geschäft des Lancierens. Als Angestellte und Scout einer international tätigen Galerie pendelt sie in der großen weiten Welt zwischen Hamburg, Paris, New York, London hin und her: ein rasendes Leben hinter den Kulissen des Kunstmarkts, hin- und hergerissen auch von Liebesbegehren und erotischen Erfahrungen, bei denen ein Glastisch zum bedeutenden Requisit wird. Laura lernt, und der Leser mit ihr, wie komplex verzahnt und doch wieder simpel das Zusammenspiel von Galerien, Agenten, Museumskuratoren, Journalisten und Wissenschaftlern funktioniert, wenn es darum geht, einen Trend zu schaffen und einen Künstler zu "machen", wie man öffentliches Geld zur Vermarktung privater Interessen einsetzt und sich dabei der Hilfe "unabhängiger" Gutachter versichert. Schließlich weiß sie so gut, wie es geht, dass sie - wir befinden uns inzwischen in den neunziger Jahren, die Mauer ist weg und das Thema "East-West" schon "durch" - eine eigene Galerie aufmacht. Dem Eröffnungspublikum des "Büro Vermeer" wirft sie, nachdem sie sich übergeben hat, den neuesten Trend vor die Füße: die "Auslotung der Möglichkeiten ästhetischer Erfahrungen unter den gegenwärtigen Lebensbedingungen. Zu den Anliegen dieser Ausstellung zählt zudem die Einbindung von Publikumsgruppen in den Handlungsraum ,Ausstellung'."
Derart genau kopiert Maset den Jargon des Geredes über Kunst in seinen Text, dass man "Laura oder Die Tücken der Kunst" für eine der üblichen Satiren auf den Irrsinn dieses Betriebs halten könnte. Auch dass Laura nach manchen diskreten und gelegentlichen massiven Eingriffen in die "Arbeiten" anderer selbst als Künstlerin handelt, scheint auf das einverständige Kopfschütteln eines Lesers zu zielen, dem die ganze Richtung nicht passt. Zwar weiß der Autor mit seinen Nachrichten aus einer Welt, in der man unentwegt Prada und dunkle Hornbrillen trägt, durchaus zu amüsieren; doch funktioniert diese Milieu- und Gesellschaftskritik nur als Treibstoff für eine elegante Darstellung des Epochenwandels zwischen den achtziger Jahren und der Gegenwart. Es stürzt die Mauer, es stürzen die Türme in New York und begraben nicht nur einen dämonischen "Kleber" unter sich, einen zu eigenem Vorteil willfährigen Lieferanten wissenschaftlicher Beglaubigungen für konzeptuell Ungesichertes, sondern mit ihm, um den es nicht schade ist, auch ein Bild von Gerhard Richter, um das es allerdings schade ist.
Damit kommt, nach allerhand Installationsperformance und Konzeptkunst (und dem beginnenden Niedergang des "Büro Vermeer") die gute alte Malerei wieder in den Blick. Laura und Ruth, die unfehlbare Strippenzieherin, fühlen sich alt. Da rutscht Maset ein allzu schlichter Aphorismus heraus ("Die Tragik des Lebens besteht darin, dass das ältere Alter immer das gegenwärtige ist"), Laura aber bringt das Bild der trügerischen "Frau Welt" auf den Punkt: "Dein Kleid sieht grausam aus. Die Kunst unserer Tage wird erst dann keinen Schaden mehr anrichten, wenn es gelingen wird, die fragile Hülle dieser Welt wie den Stoff deines Kleides zu durchdringen."
Am Ende macht sich Laura sogar Altersversorgungsgedanken. Kunst langweilt sie, "ich hatte den Eindruck, alles erlebt zu haben, was in ihr möglich war". Aber die Kunst ("ach, die Kunst", hört man die Bachmann seufzen) bleibt selbst am Ende dieses intelligenten Desillusionierungsromans eine mögliche "Idee gegen das System, ein Versprechen für mögliche andere Welten". Lauras letzter Blick geht vom Flugzeugfenster auf die Wüste Gobi - eine "großartige ockerfarbene Leinwand".
HOLGER NOLTZE
Pierangelo Maset: "Laura oder Die Tücken der Kunst". Roman. Kookbooks Verlag, Idstein 2007. 255 Seiten, geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ach, der Kunstmarkt: überkandidelt und hohl. Oder nicht? Pierangelo Maset hat einen satirischen Roman über eine Szene geschrieben, die jeder zu kennen glaubt.
Kürzlich war von einer Frau aus Avignon zu lesen, die von einer zwei mal drei Meter großen, schneeweißen Leinwandfläche von Cy Twombly nach eigener Aussage so "überwältigt" worden sei, dass sie in einem "Liebesakt" einen roten Kussmund auf das Gemälde habe anbringen müssen. Der Eigentümer habe sich mit einer Entschädigungsforderung in Millionenhöhe nicht durchsetzen können, die Frau sei mit einer Geldbuße von 1500 Euro davongekommen.
In dem zweiten Roman des 1954 in Kassel geborenen Pierangelo Maset werden Anschläge auf Kunstwerke geschildert, bei denen diese keineswegs mit einer Spur von Lippenstift davonkommen. Eine Skulptur des weltberühmten "Pablo" wird von Laura Vermeer, der Ich-Erzählerin, "mit einem Sprühfilm, der aus meinem Morgenurin bestand, berieselt". Später kommt es, weniger planvoll, zum Einsatz auch schärferer Körpersäfte, wenn Laura, wegen zu viel Vernissagen-Alkohol und weil sie überhaupt an einem reizbaren Magen leidet, auf den Holzengel einer unbekannteren polnischen Künstlerin erbrechen muss. Die Urheberin dieser Attacken bleibt, anders als die Frau aus Avignon, ungeschoren.
Denn der Säureanschlag wird von Tricia und Ginger, zwei Londoner Performance-Artistinnen, sogleich zum Kunstwerk erklärt. "Diese Arbeit", steht dann im Ausstellungsbericht einer Berliner Tageszeitung über "Angel's Vomit" zu lesen, "vereinige alles, was für die Fortsetzung der Kunst wesentlich sei, ihre formale Strenge sei ebenso überzeugend wie ihr inhaltliches Engagement und die sinnliche Präsenz". Laura referiert es ihrem amerikanischen Künstlerfreund Bob; der hält das Ganze bloß für "Bullshit", aber er hat, wie sich bald zeigen wird, auch nicht verstanden, was für die Kunst von heute wesentlich ist, und nimmt überhaupt ein trauriges Ende.
Von solchen Tücken der Kunst handelt Masets Roman, der im Berlin der späten achtziger Jahre beginnt, indem die Erzählerin mit dem deutlich sprechenden Namen Laura - eine Philosophiestudentin aus Norddeutschland, die wie viele den "klar abgegrenzten urbanen Kosmos" der Mauerstadt als "Kulisse für unsere Versuche in alle Richtungen" schätzten - durch die zufällige Begegnung mit der charismatischen, vor allem instinktsicheren Kunstagentin Ruth in die ebenso rätselhafte wie banale Welt des Handels mit "junger Kunst" eingeführt wird.
Je gleichgültiger ihr deren Produkte sind, desto erfolgreicher agiert sie, und sie lernt schnell, dass man von "Arbeiten" spricht, und bald auch das Geschäft des Lancierens. Als Angestellte und Scout einer international tätigen Galerie pendelt sie in der großen weiten Welt zwischen Hamburg, Paris, New York, London hin und her: ein rasendes Leben hinter den Kulissen des Kunstmarkts, hin- und hergerissen auch von Liebesbegehren und erotischen Erfahrungen, bei denen ein Glastisch zum bedeutenden Requisit wird. Laura lernt, und der Leser mit ihr, wie komplex verzahnt und doch wieder simpel das Zusammenspiel von Galerien, Agenten, Museumskuratoren, Journalisten und Wissenschaftlern funktioniert, wenn es darum geht, einen Trend zu schaffen und einen Künstler zu "machen", wie man öffentliches Geld zur Vermarktung privater Interessen einsetzt und sich dabei der Hilfe "unabhängiger" Gutachter versichert. Schließlich weiß sie so gut, wie es geht, dass sie - wir befinden uns inzwischen in den neunziger Jahren, die Mauer ist weg und das Thema "East-West" schon "durch" - eine eigene Galerie aufmacht. Dem Eröffnungspublikum des "Büro Vermeer" wirft sie, nachdem sie sich übergeben hat, den neuesten Trend vor die Füße: die "Auslotung der Möglichkeiten ästhetischer Erfahrungen unter den gegenwärtigen Lebensbedingungen. Zu den Anliegen dieser Ausstellung zählt zudem die Einbindung von Publikumsgruppen in den Handlungsraum ,Ausstellung'."
Derart genau kopiert Maset den Jargon des Geredes über Kunst in seinen Text, dass man "Laura oder Die Tücken der Kunst" für eine der üblichen Satiren auf den Irrsinn dieses Betriebs halten könnte. Auch dass Laura nach manchen diskreten und gelegentlichen massiven Eingriffen in die "Arbeiten" anderer selbst als Künstlerin handelt, scheint auf das einverständige Kopfschütteln eines Lesers zu zielen, dem die ganze Richtung nicht passt. Zwar weiß der Autor mit seinen Nachrichten aus einer Welt, in der man unentwegt Prada und dunkle Hornbrillen trägt, durchaus zu amüsieren; doch funktioniert diese Milieu- und Gesellschaftskritik nur als Treibstoff für eine elegante Darstellung des Epochenwandels zwischen den achtziger Jahren und der Gegenwart. Es stürzt die Mauer, es stürzen die Türme in New York und begraben nicht nur einen dämonischen "Kleber" unter sich, einen zu eigenem Vorteil willfährigen Lieferanten wissenschaftlicher Beglaubigungen für konzeptuell Ungesichertes, sondern mit ihm, um den es nicht schade ist, auch ein Bild von Gerhard Richter, um das es allerdings schade ist.
Damit kommt, nach allerhand Installationsperformance und Konzeptkunst (und dem beginnenden Niedergang des "Büro Vermeer") die gute alte Malerei wieder in den Blick. Laura und Ruth, die unfehlbare Strippenzieherin, fühlen sich alt. Da rutscht Maset ein allzu schlichter Aphorismus heraus ("Die Tragik des Lebens besteht darin, dass das ältere Alter immer das gegenwärtige ist"), Laura aber bringt das Bild der trügerischen "Frau Welt" auf den Punkt: "Dein Kleid sieht grausam aus. Die Kunst unserer Tage wird erst dann keinen Schaden mehr anrichten, wenn es gelingen wird, die fragile Hülle dieser Welt wie den Stoff deines Kleides zu durchdringen."
Am Ende macht sich Laura sogar Altersversorgungsgedanken. Kunst langweilt sie, "ich hatte den Eindruck, alles erlebt zu haben, was in ihr möglich war". Aber die Kunst ("ach, die Kunst", hört man die Bachmann seufzen) bleibt selbst am Ende dieses intelligenten Desillusionierungsromans eine mögliche "Idee gegen das System, ein Versprechen für mögliche andere Welten". Lauras letzter Blick geht vom Flugzeugfenster auf die Wüste Gobi - eine "großartige ockerfarbene Leinwand".
HOLGER NOLTZE
Pierangelo Maset: "Laura oder Die Tücken der Kunst". Roman. Kookbooks Verlag, Idstein 2007. 255 Seiten, geb., 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ganz genau liest Holger Noltze den Roman von Pierangelo Maset und stellt fest, dass er mehr zu bieten hat, als die gängige satirische Perspektive auf den Kunstbetrieb. Bevor er das Buch allerdings als "elegante" Behandlung der Zeitenwende zwischen den achtziger Jahren und heute oder als gescheiten "Desillusionierungsroman" begreift, amüsiert er sich nicht schlecht mit Masets Einblicken in das Geschäft mit der Kunst und das gewinnbringende "Zusammenspiel" ihrer Akteure. Dadurch dass Maset den "Jargon" dieser Szene so exakt kopiert, wäre dem Rezensenten das 'Mehr' dieses Romans beinahe entgangen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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