Am Vorabend ihrer Reise nach Afrika warten Laura Maldonada Clapper und ihr zweiter Mann Desmond in einem New Yorker Hotelzimmer auf die Ankunft der Gäste für ein kleines, familiäres Abendessen: Lauras Bruder Carlos, Clara, ihre schüchterne Tochter aus erster Ehe, und Peter, ein melancholischer Lektor, der Laura schon lange verehrt. Aber was zunächst wie ein freundlicher Abschiedsabend beginnt, entwickelt sich zunehmend zu einem beklemmenden Schlagabtausch. Laura Clapper steuert das Spiel der Andeutungen und Verletzungen mit grausamer Herrschergeste, denn sie verschweigt, was sie schon seit Stunden weiß: daß ihre Mutter, die dunkle Mitte der Familie, am Morgen an einem Herzanfall gestorben ist.
Lauras Schweigen ist ein dichter, streng gebauter und spannender Roman, der sich auf einen einzigen Abend und den darauffolgenden Tag beschränkt.
Erzählt wird die Geschichte der Familie Maldonada, die Geschichte von Menschen, denen es nicht gelingt, füreinander zu sorgen, und die mit ihren Leidenschaften und Wünschen, ihren Gefährdungen und Ängsten zugleich miteinander verstrickt sind und allein bleiben. Ein hochkonzentriertes, sehr poetisches und bewegendes Buch.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Lauras Schweigen ist ein dichter, streng gebauter und spannender Roman, der sich auf einen einzigen Abend und den darauffolgenden Tag beschränkt.
Erzählt wird die Geschichte der Familie Maldonada, die Geschichte von Menschen, denen es nicht gelingt, füreinander zu sorgen, und die mit ihren Leidenschaften und Wünschen, ihren Gefährdungen und Ängsten zugleich miteinander verstrickt sind und allein bleiben. Ein hochkonzentriertes, sehr poetisches und bewegendes Buch.
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Ein amerikanischer Alptraum
Es war ein Anruf, mit dem Laura nicht gerechnet hatte, und doch kam er nicht unerwartet. Das Altersheim gab Bescheid, ihre Mutter Alma sei gestorben. Als ihr Mann Desmond ins Zimmer kommt, täuscht Laura ein Gespräch mit ihrer Tochter Clara vor. Desmond wundert sich... Alles kommt wie geplant: Laura und Desmond, die eine Reise nach Afrika geplant haben, treffen sich mit ihren engsten Verwandten und einem Freund zu einem Abschieds-Dinner. Lauras Schweigen erzählt den Verlauf des Dinners bis zum nächsten Morgen aus der Sicht der Romanfiguren. Ihre Hoffnungen, Ängste und Erinnerungen enthüllen sehr präzise, was sie seit vielen Jahren so unentrinnbar aneinander bindet.
Die Familien-Geschichte kennt kein Pardon
"Sie ist eiskalt im Innern. Nur halb geboren. Sie weiß nicht wirklich, daß irgendjemand anders auch lebt." So urteilt die 29-jährige Clara Hansen, Lauras Tochter aus erster Ehe, über ihre Mutter. Clara weiß, wovon sie spricht. Viermal war Laura schwanger, viermal hat sie abgetrieben, bei der fünften Schwangerschaft war alles zu spät... Clara hat nie mit ihrer Mutter zusammengelebt, sondern nur mit der Großmutter, die immer für sie da war.
Nach und nach treffen die Gäste ein, die schüchterne, sympathische Clara, Peter Rice, ein vom Leben enttäuschter Freund der Familie, und Lauras homosexueller Bruder Carlos. Man ergeht sich in obskuren Andeutungen, die als Beleidigungen aufgefasst werden, trinkt und lästert über das Trinken... In den Gedanken der Geschwister Laura und Carlos wird die Vergangenheit lebendig und der dunkle Schatten, der von ihrer Mutter Alma ausging. Alma, eine Einwanderin wider Willen, ist selbst ein Opfer, sie hat sich, so sehen es ihre Kinder unkritisch, nie um sie gekümmert. Ein Eklat beendet das Dinner. Erst am späten Abend erzählt Laura ihrem Mann vom Tod ihrer Mutter. Alle sollen zur Beerdigung kommen, nur nicht Clara, so will es Laura.
Ein amerikanisches Mädchen
Mehrmals wird Clara als amerikanisches Mädchen bezeichnet. Sie ist weitgehend unbelastet von den Enttäuschungen, die das Leben ihrer Mutter und ihres Onkels überschatten, auch moralisch ist die einzig positive Figur der Maldonadas. Um im Leben zu bestehen, muss sie auf der Beerdigung erscheinen, sie muss sich gegen ihre Mutter durchsetzen...
Lauras Schweigen von Paula Fox ist eine schonungslose Abrechnung mit den Zwängen und Nöten, die auf den Maldonadas lasten. Es sind Angehörige einer Einwanderer-Familie, nach außen halbwegs angepasst, doch im Inneren fast gescheitert. So gesehen ist dieser psychologische Roman nicht nur eine Abrechnung mit dem Sozialmodell Familie, er ist auch als ein kritisches Statement zum "american dream" zu lesen. (Birgit Kuhn)
Es war ein Anruf, mit dem Laura nicht gerechnet hatte, und doch kam er nicht unerwartet. Das Altersheim gab Bescheid, ihre Mutter Alma sei gestorben. Als ihr Mann Desmond ins Zimmer kommt, täuscht Laura ein Gespräch mit ihrer Tochter Clara vor. Desmond wundert sich... Alles kommt wie geplant: Laura und Desmond, die eine Reise nach Afrika geplant haben, treffen sich mit ihren engsten Verwandten und einem Freund zu einem Abschieds-Dinner. Lauras Schweigen erzählt den Verlauf des Dinners bis zum nächsten Morgen aus der Sicht der Romanfiguren. Ihre Hoffnungen, Ängste und Erinnerungen enthüllen sehr präzise, was sie seit vielen Jahren so unentrinnbar aneinander bindet.
Die Familien-Geschichte kennt kein Pardon
"Sie ist eiskalt im Innern. Nur halb geboren. Sie weiß nicht wirklich, daß irgendjemand anders auch lebt." So urteilt die 29-jährige Clara Hansen, Lauras Tochter aus erster Ehe, über ihre Mutter. Clara weiß, wovon sie spricht. Viermal war Laura schwanger, viermal hat sie abgetrieben, bei der fünften Schwangerschaft war alles zu spät... Clara hat nie mit ihrer Mutter zusammengelebt, sondern nur mit der Großmutter, die immer für sie da war.
Nach und nach treffen die Gäste ein, die schüchterne, sympathische Clara, Peter Rice, ein vom Leben enttäuschter Freund der Familie, und Lauras homosexueller Bruder Carlos. Man ergeht sich in obskuren Andeutungen, die als Beleidigungen aufgefasst werden, trinkt und lästert über das Trinken... In den Gedanken der Geschwister Laura und Carlos wird die Vergangenheit lebendig und der dunkle Schatten, der von ihrer Mutter Alma ausging. Alma, eine Einwanderin wider Willen, ist selbst ein Opfer, sie hat sich, so sehen es ihre Kinder unkritisch, nie um sie gekümmert. Ein Eklat beendet das Dinner. Erst am späten Abend erzählt Laura ihrem Mann vom Tod ihrer Mutter. Alle sollen zur Beerdigung kommen, nur nicht Clara, so will es Laura.
Ein amerikanisches Mädchen
Mehrmals wird Clara als amerikanisches Mädchen bezeichnet. Sie ist weitgehend unbelastet von den Enttäuschungen, die das Leben ihrer Mutter und ihres Onkels überschatten, auch moralisch ist die einzig positive Figur der Maldonadas. Um im Leben zu bestehen, muss sie auf der Beerdigung erscheinen, sie muss sich gegen ihre Mutter durchsetzen...
Lauras Schweigen von Paula Fox ist eine schonungslose Abrechnung mit den Zwängen und Nöten, die auf den Maldonadas lasten. Es sind Angehörige einer Einwanderer-Familie, nach außen halbwegs angepasst, doch im Inneren fast gescheitert. So gesehen ist dieser psychologische Roman nicht nur eine Abrechnung mit dem Sozialmodell Familie, er ist auch als ein kritisches Statement zum "american dream" zu lesen. (Birgit Kuhn)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2002Schweißtropfen auf Löschpapier
Auch Verachtung ist eine hart erworbene Kunst: Paula Fox arbeitet nicht mit Zuckerguß / Von Peter Demetz
Paula Fox ist eine Schriftstellerin unbestechlicher Beobachtungen in den engen Räumen bitterer Gefühle. Sie stoßen in kleinen Explosionen aufeinander, immer gedämpft und nie sehr laut (so öffnet ein diskreter Sommelier den Champagner in einem Fünf-Sterne-Hotel). In ihrem Roman "Lauras Schweigen" berichtet sie über kontinuierliche Vorgänge, konzentriert auf einen Abend und den nächsten Tag, Vorgänge, nicht Handlungen, denn was geschieht, entbehrt jeglicher Melodramatik. Die Messer funkeln hinter den Stirnen, man sticht syntaktisch zu; und es ist schon höchst dramatisch, wenn eine elegante Frau ihre Party im Zorn verläßt, den Pelz in der Garderobe vergißt und ihre Frisur im Regen draußen ruiniert.
Das ist alles und ist es nicht, denn alte Abneigungen, Abscheu und Haß liegen unter der Haut, und die Erzählerin zögert nicht, den verletzlichen Menschen die Haut abzuziehen, um das Nervensystem freizulegen. Nichts ist ihr fremder als ein elegischer Augenblick plötzlichen Mitgefühls, den noch Fontane kannte, "Arme Effie!" Sie zieht es vor, lieber in den Ruf der epischen Kälte zu geraten, als uns sentimentalisch zu kommen, und wenn eine junge Frau (eigentlich ein kompliziertes New Yorker Mauerblümchen) über ihre Gefühle noch im unklaren bleibt, sagt sie ihr auf den Kopf zu, was sich dahinter verbirgt.
Das Problem für die Leser - und nicht das erste Mal bei Paula Fox - besteht darin, die ersten dreißig Seiten mit Geduld zu lesen und sich nicht den Eintritt in die interessante hispanische Maldonada-Familie (im Hintergrund rumoren noch die Sephardim, die am Freitagabend ihre Gebetskerzen anzünden) oder den Kreis ihrer amerikanischen Verwandten oder Freunde zu verwehren. Gewiß: Die tyrannische und egoistische Laura macht es niemandem leicht. Sie hat eine Hotelzimmer-Abschiedsparty arrangiert, ehe sie mit ihrem Gatten Desmond eine Reise nach Afrika antritt, und verschweigt den Gästen, daß ihre Mutter eben in einem schäbigen Altersheim gestorben ist; die Frage ist nur, ob das ihren Brüdern Carlos und Eugenio überhaupt von Bedeutung ist, denn sie haben ihre arme Mutter schon vernachlässigt, als sie noch am Leben war.
Die Außenseiter sind Clara (Tochter Lauras aus erster Ehe mit einem amerikanischen Maler), seit je unter dem Diktat ihrer Mutter, und Peter, Verlagslektor und widerstrebender Freund der Familie, ein trockener "Mann aus Löschpapier" (so stilisiert er sich selbst), der Clara den Mut einflößen will, sich gegen ihre Mutter zur Wehr zu setzen. Die Abschnitte, gegen Ende, in denen Clara und Peter sich einander in Tangenten eines Gefühls zu nähern beginnen und wieder entfremden, ohne die richtigen Worte zu finden, zählen jedenfalls zu den wunderbarsten des Romans.
New York liegt vor den Fenstern, gegen die ein unaufhörlicher Regen schlägt, aber Paula Fox meidet die in deutschen Romanen so beliebten Wolkenballungs- und Wetterberichte. Ihre Sphäre ist das Intime und Private, und auch öffentliche Fragen sind nur von Ferne reflektiert. Selten, daß soziale Polemik hörbar wird; sie rügt den "kalten Ton" Desmonds, denn er "verrät den Despotismus von Menschen, deren Umgebung von ihrer Zahlungsfähigkeit regiert wird", oder schiebt den Verlagslektor vor, der Desmonds "salonfähigen Antisemitismus" ebensowenig verträgt wie sie selber, "jene besondere Art von irischem, morastartigem Haß, der nach faulen Pflanzen stank" (nur wenn sie eine Presseparty für die erfolgreiche Pornodarstellerin Randy Cunny parodiert, fällt sie unter ihr eigenes Niveau). Sie hat ein besonderes Interesse für Fragen der Physiognomie und des Verhaltens und wird nicht müde, die "Latinos" (die Maldonadas sind ja halbe Kubaner) in ihrer alltäglichen Konfrontation mit den Amerikanern zu beobachten. Clara und Peter staunen "über die Leichtigkeit", mit welcher die Maldonadas "mit höchster Geschwindigkeit eine Pose nach einer anderen einnehmen", einander "ihre jeweiligen Neigungen mit entzückten Schreien entlocken" und sich dabei "noch zu Tode amüsierten"; sie haben sich nie ganz an die amerikanische Gesellschaft angepaßt, vielleicht gerade deshalb, weil sie die "Fähigkeit zu ihrer Verachtung" nie opfern wollten.
Die rühmenswerte Tugend der Erzählerin liegt darin, das Psychologische in seinen fragilen Fibern zu entblößen (allerdings: Abneigungen eher als Zärtlichkeit), und das ist der Grund, warum ihr Roman so aussieht, als wäre er heute geschrieben. "Lauras Schweigen" erschien aber fast vor einer Generation, im Jahr 1976, und doch verrät nichts, daß Laura, ihr Gatte und ihre Brüder, der eine Gay und Musikkritiker, der andere in einer Wohnhöhle hinter seinem kleinen Reisebüro hausend, nicht unseren Tagen angehörten und zu jener Gruppe von Gästen zählen, die eben in das nette Restaurant in der 56. Straße (East) eintreten.
Paula Fox ist eine kühlere Verbündete Gabriele Wohmanns, und es ist Jonathan Franzen, der sie als ihr neuer Entdecker gerühmt hat, gerade als er für "The Correction", auch einen Roman einer niedergehenden und tapferen Familie, den National Book Award erhielt. Paula Fox verteidigt, wie Franzen, menschliche Fragilität und weigert sich, mit rosa Zuckerguß zu arbeiten. Sie nennt die Dinge, wie sie sind (auch Desmonds urinbekleckerte Unterwäsche), aber auch das ungreifbar Party-Atmosphärische ("die Luft sickerte aus dem Raum und entfärbte Fleisch, Gesichter und Hände der Anwesenden") oder findet ein erstaunliches Gleichnis, als der Maître d'hôtel eine neue Gruppe von Gästen begrüßt und "seinen Kopf wie ein Tier im hohen Gras emporhebt". Susanne Röckel hat das genau und stichhaltig übersetzt, und es ist gar nicht notwendig, zuzeiten ins Idiom eines Unterhaltungsromans zu geraten, den es im Amerikanischen gar nicht gibt. "Das Wissen um den Tod ihrer Mutter überflutete ihren Blutkreislauf" oder "um seine Lippen schwebte ein Lächeln" - könnte man das wirklich nicht anders sagen?
Paula Fox: "Lauras Schweigen". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Susanne Röckel. Verlag C.H. Beck, München 2002. 234 S., geb., 18,50.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auch Verachtung ist eine hart erworbene Kunst: Paula Fox arbeitet nicht mit Zuckerguß / Von Peter Demetz
Paula Fox ist eine Schriftstellerin unbestechlicher Beobachtungen in den engen Räumen bitterer Gefühle. Sie stoßen in kleinen Explosionen aufeinander, immer gedämpft und nie sehr laut (so öffnet ein diskreter Sommelier den Champagner in einem Fünf-Sterne-Hotel). In ihrem Roman "Lauras Schweigen" berichtet sie über kontinuierliche Vorgänge, konzentriert auf einen Abend und den nächsten Tag, Vorgänge, nicht Handlungen, denn was geschieht, entbehrt jeglicher Melodramatik. Die Messer funkeln hinter den Stirnen, man sticht syntaktisch zu; und es ist schon höchst dramatisch, wenn eine elegante Frau ihre Party im Zorn verläßt, den Pelz in der Garderobe vergißt und ihre Frisur im Regen draußen ruiniert.
Das ist alles und ist es nicht, denn alte Abneigungen, Abscheu und Haß liegen unter der Haut, und die Erzählerin zögert nicht, den verletzlichen Menschen die Haut abzuziehen, um das Nervensystem freizulegen. Nichts ist ihr fremder als ein elegischer Augenblick plötzlichen Mitgefühls, den noch Fontane kannte, "Arme Effie!" Sie zieht es vor, lieber in den Ruf der epischen Kälte zu geraten, als uns sentimentalisch zu kommen, und wenn eine junge Frau (eigentlich ein kompliziertes New Yorker Mauerblümchen) über ihre Gefühle noch im unklaren bleibt, sagt sie ihr auf den Kopf zu, was sich dahinter verbirgt.
Das Problem für die Leser - und nicht das erste Mal bei Paula Fox - besteht darin, die ersten dreißig Seiten mit Geduld zu lesen und sich nicht den Eintritt in die interessante hispanische Maldonada-Familie (im Hintergrund rumoren noch die Sephardim, die am Freitagabend ihre Gebetskerzen anzünden) oder den Kreis ihrer amerikanischen Verwandten oder Freunde zu verwehren. Gewiß: Die tyrannische und egoistische Laura macht es niemandem leicht. Sie hat eine Hotelzimmer-Abschiedsparty arrangiert, ehe sie mit ihrem Gatten Desmond eine Reise nach Afrika antritt, und verschweigt den Gästen, daß ihre Mutter eben in einem schäbigen Altersheim gestorben ist; die Frage ist nur, ob das ihren Brüdern Carlos und Eugenio überhaupt von Bedeutung ist, denn sie haben ihre arme Mutter schon vernachlässigt, als sie noch am Leben war.
Die Außenseiter sind Clara (Tochter Lauras aus erster Ehe mit einem amerikanischen Maler), seit je unter dem Diktat ihrer Mutter, und Peter, Verlagslektor und widerstrebender Freund der Familie, ein trockener "Mann aus Löschpapier" (so stilisiert er sich selbst), der Clara den Mut einflößen will, sich gegen ihre Mutter zur Wehr zu setzen. Die Abschnitte, gegen Ende, in denen Clara und Peter sich einander in Tangenten eines Gefühls zu nähern beginnen und wieder entfremden, ohne die richtigen Worte zu finden, zählen jedenfalls zu den wunderbarsten des Romans.
New York liegt vor den Fenstern, gegen die ein unaufhörlicher Regen schlägt, aber Paula Fox meidet die in deutschen Romanen so beliebten Wolkenballungs- und Wetterberichte. Ihre Sphäre ist das Intime und Private, und auch öffentliche Fragen sind nur von Ferne reflektiert. Selten, daß soziale Polemik hörbar wird; sie rügt den "kalten Ton" Desmonds, denn er "verrät den Despotismus von Menschen, deren Umgebung von ihrer Zahlungsfähigkeit regiert wird", oder schiebt den Verlagslektor vor, der Desmonds "salonfähigen Antisemitismus" ebensowenig verträgt wie sie selber, "jene besondere Art von irischem, morastartigem Haß, der nach faulen Pflanzen stank" (nur wenn sie eine Presseparty für die erfolgreiche Pornodarstellerin Randy Cunny parodiert, fällt sie unter ihr eigenes Niveau). Sie hat ein besonderes Interesse für Fragen der Physiognomie und des Verhaltens und wird nicht müde, die "Latinos" (die Maldonadas sind ja halbe Kubaner) in ihrer alltäglichen Konfrontation mit den Amerikanern zu beobachten. Clara und Peter staunen "über die Leichtigkeit", mit welcher die Maldonadas "mit höchster Geschwindigkeit eine Pose nach einer anderen einnehmen", einander "ihre jeweiligen Neigungen mit entzückten Schreien entlocken" und sich dabei "noch zu Tode amüsierten"; sie haben sich nie ganz an die amerikanische Gesellschaft angepaßt, vielleicht gerade deshalb, weil sie die "Fähigkeit zu ihrer Verachtung" nie opfern wollten.
Die rühmenswerte Tugend der Erzählerin liegt darin, das Psychologische in seinen fragilen Fibern zu entblößen (allerdings: Abneigungen eher als Zärtlichkeit), und das ist der Grund, warum ihr Roman so aussieht, als wäre er heute geschrieben. "Lauras Schweigen" erschien aber fast vor einer Generation, im Jahr 1976, und doch verrät nichts, daß Laura, ihr Gatte und ihre Brüder, der eine Gay und Musikkritiker, der andere in einer Wohnhöhle hinter seinem kleinen Reisebüro hausend, nicht unseren Tagen angehörten und zu jener Gruppe von Gästen zählen, die eben in das nette Restaurant in der 56. Straße (East) eintreten.
Paula Fox ist eine kühlere Verbündete Gabriele Wohmanns, und es ist Jonathan Franzen, der sie als ihr neuer Entdecker gerühmt hat, gerade als er für "The Correction", auch einen Roman einer niedergehenden und tapferen Familie, den National Book Award erhielt. Paula Fox verteidigt, wie Franzen, menschliche Fragilität und weigert sich, mit rosa Zuckerguß zu arbeiten. Sie nennt die Dinge, wie sie sind (auch Desmonds urinbekleckerte Unterwäsche), aber auch das ungreifbar Party-Atmosphärische ("die Luft sickerte aus dem Raum und entfärbte Fleisch, Gesichter und Hände der Anwesenden") oder findet ein erstaunliches Gleichnis, als der Maître d'hôtel eine neue Gruppe von Gästen begrüßt und "seinen Kopf wie ein Tier im hohen Gras emporhebt". Susanne Röckel hat das genau und stichhaltig übersetzt, und es ist gar nicht notwendig, zuzeiten ins Idiom eines Unterhaltungsromans zu geraten, den es im Amerikanischen gar nicht gibt. "Das Wissen um den Tod ihrer Mutter überflutete ihren Blutkreislauf" oder "um seine Lippen schwebte ein Lächeln" - könnte man das wirklich nicht anders sagen?
Paula Fox: "Lauras Schweigen". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Susanne Röckel. Verlag C.H. Beck, München 2002. 234 S., geb., 18,50
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Zwiespältig und trotzdem fasziniert klingt Rezensent Peter Demetz. "So öffnet ein diskreter Sommelier den Champagner in einem Fünf-Sterne-Hotel", beschreibt er die Erzähltechnik der "unbestechlichen" Beobachterin Paula Fox. Doch die Autorin zögere nicht, den "verletzlichen Menschen die Haut abzuziehen, um das Nervensystem freizulegen". So sieht Demetz dann "das Psychologische in seinen fragilen Fibern" entblößt - seiner Ansicht nach die rühmenswerteste Tugend dieser Autorin. Etwas schwer ist ihm aber wohl der Einstieg in den Roman gefallen, der gleichzeitig auch den Eintritt in die "interessante hispanische Maldonada-Familie" in New York bedeutet, in der dieser Roman spielt, und zu der auch die "tyrannische und egoistische" Protagonistin Laura gehört. Hier scheint es doch einige Zähflüssigkeiten zu geben. Dennoch mochte Demetz das Buch, dessen Handlung sich ihm zufolge auf einen Abend und den nächsten Tag konzentriert, und die darin sich entfaltenden Abgründe einer verzweigten Familie. Man merke dem Buch nicht an, lobt er, dass es schon 1976 geschrieben wurde. Trotzdem nennt er die Autorin eine "kühlere Verbündete Gabriele Wohmanns".
© Perlentaucher Medien GmbH"
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