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Der Romancier und Essayist Amin Maalouf, geboren im Libanon und seit vielen Jahren in Frankreich ansässig, beschreibt die krisenhafte "Entregelung" - in ethischer und intellektueller, geopolitischer, ökonomischer und "klimatischer" Hinsicht, von der der Westen ebenso wie der Nahe Osten aus unterschiedlichen Gründen betroffen sind.

Produktbeschreibung
Der Romancier und Essayist Amin Maalouf, geboren im Libanon und seit vielen Jahren in Frankreich ansässig, beschreibt die krisenhafte "Entregelung" - in ethischer und intellektueller, geopolitischer, ökonomischer und "klimatischer" Hinsicht, von der der Westen ebenso wie der Nahe Osten aus unterschiedlichen Gründen betroffen sind.
Autorenporträt
Amin Maalouf wurde 1949 im Libanon geboren und lebt seit 1976 als Journalist und Schriftsteller in Frankreich. Er bereiste über sechzig Länder und gilt als anerkannter Spezialist für Fragen der arabischen Welt und der Beziehungen zwischen Okzident und dem Nahen Osten. Amin Maalouf war Chefredakteur der Wochenzeitschrift An Nahar International sowie des Magazins Jeune Afrique, während des Vietnamkriegs und der Islamischen Revolution arbeitete er als Kriegsberichterstatter.
Als Buchautor hat er bereits mehrere Romane veröffentlicht.
Im August 2000 wurde bei den Salzburger Festspielen (in Zusammenarbeit mit der finnischen Komponistin Kija Saariaho) die erste Oper nach einem Libretto des Autors uraufgeführt: L'amour de loin.
1993 erhielt er den Prix Goncourt, 2010 den renommierten Prinz-von-Asturien-Preis in der Sparte Literatur, im Jahr 2011 den Sultan Bin Ali Al Owais Cultural Award.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2010

Religionen sind von Entwicklung nicht ausgenommen
Abgesang auf den Kampf der Kulturen: Amin Maalouf räumt der Weltgesellschaft keine schlechten Chancen ein

Es gibt sie noch, diejenigen, die an ein friedliches Miteinander aller Kulturen glauben. Amin Maalouf, gebürtiger Libanese, arabischer Christ, studierter Soziologe, ehemaliger Kriegsberichterstatter und seit 1976 in Frankreich lebender freier Schriftsteller, hat dieser Möglichkeit einen optimistischen Essay gewidmet.

Dabei fällt Maaloufs Beschreibung der Gegenwart alles andere als rosig aus. Sie erinnert an das, was der amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington schon in den frühen neunziger Jahren diagnostizierte: Obwohl das Ende des Kalten Kriegs den Weg für die eine Weltordnung ebnete, die George Bush senior euphorisch anpries und die die ganze Welt in Gerechtigkeit und Frieden einen sollte, trennten die Religionen zunehmend die Kulturen. Religiöse Identitäten wurden verstärkt und bedingen Gewalt und Fanatismus, schreibt auch Maalouf, und auch in seinem Buch sind die hauptsächlichen Antagonisten der Westen und der islamische Kulturkreis.

Nach den politischen Erfahrungen, die die Araber im letzten Jahrhundert mit gescheiterten Ideologien und der Vormachtstellung der Vereinigten Staaten machten, wird Maalouf zufolge das 21. Jahrhundert über die Zukunft der Menschheit entscheiden. Sie werde sich entweder in "globale Stämme" aufspalten, die einander bekämpfen, oder zu einer kulturell vielfältigen Menschheit zusammenwachsen, die Grundwerte teilt. Zu diesen Grundwerten zählt der Autor Menschenrechte, Rechtsstaatsgebot und Demokratie, die er trotz ihres westlichen Ursprungs als universal erachtet. Vielfalt müsse bei Literatur und Künsten bestehen, aber höre dort auf, wo Menschenrechte bedroht seien, wie etwa bei Kastenwesen oder Ehrenmord. Ziel müsse sein, die Grenzen von Kulturen und Nationen durch Bildung zu transzendieren. Maalouf bleibt hier normativ: Er führt aus, wie eine schönere Welt aussehen soll. Damit formuliert er ein Ideal, beschreibt aber weder den genauen Weg dorthin noch schätzt er die Chancen ein, es zu realisieren.

Dass Menschenrechte und Demokratie bislang nicht überall anerkannt werden, erklärt Maalouf damit, dass der Westen in ihrer Weitergabe versagt hat. Er habe den Anspruch, universal gültige Werte zu vertreten, nicht konsequent umgesetzt. Indem er zwar Kolonien, nicht aber Demokratien etablierte, habe er seine Glaubwürdigkeit verloren. Maalouf erinnert daran, wie der letzte demokratische Premierminister Irans, Mossadegh, 1953 gestürzt wurde, nachdem die Briten ein weltweites Embargo gegen iranisches Öl durchgesetzt hatten, und daran, wie die Vereinigten Staaten 2003 ohne Mandat des Sicherheitsrats in den Irak einmarschierten. Nicht nur westliche Regierungen gelten vielen Muslimen als illegitim, sondern auch ihre eigenen Regierungen, die mit dem Westen kooperieren. Denn, so Maalouf: "Legitim ist in den Augen der Muslime derjenige, der den Kampf gegen ihre Feinde lenkt."

Das sei Atatürk und Nasser gelungen, die den Türken respektive den Arabern lange als Helden galten. Atatürk, der die Türkei modernisierte, Kalifat und Sultanat abschaffte, die lateinische Schrift und den Republikanismus einführte, sei anerkannt gewesen, weil er den Türken den Weg in die Moderne zugetraut habe. Nasser setzte stärker auf Arabertum als auf Religion und überließ die Verbreitung koranischer Botschaften den Muslimbrüdern. Er verstaatlichte den Suezkanal und nahm dafür Bombardements in Kauf; entscheidend war sein Signal, den Kolonialismus zu beenden. Mit Atatürk und Nasser will Maalouf zeigen, dass legitime Herrschaft in islamischen Gesellschaften nicht zwingend religiös sein muss. Allerdings regierten beide nicht demokratisch, sondern autoritär.

Die geringe Demokratisierung im islamischen Kulturkreis erklärt Maalouf mit historischen Entwicklungen, womit er die Frage nach der Vereinbarkeit von Demokratie und Islam umgeht. Er erinnert an die Bestrebungen von Staaten wie Syrien, Ägypten und Iran, in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts Parlamentswahlen und eine freie Presse einzuführen - nach Maalouf Indizien dafür, dass der Autoritarismus nicht kulturell vorgegeben ist, sondern eher dem historischen Zufall geschuldet. Er argumentiert, dass "man dem Einfluss der Religionen auf die Völker zu viel, und dem Einfluss der Völker auf die Religionen nicht genug Bedeutung beimisst". Bei Huntington hingegen bildete die Religion den Kern des Kulturbegriffs. Mit dieser Prämisse gelangte er zu der Einschätzung, dass Demokratie und Menschenrechte mit manchen Kulturkreisen besser und mit anderen schlechter vereinbar seien - wie mit dem konfuzianischen und islamischen. Doch auch Huntington war sich dessen bewusst, dass Religionen keine statischen Gebilde sind und verwies gerne auf die katholischen Länder, die sich - von wenigen Ausnahmen wie Kuba abgesehen - schließlich auch noch demokratisierten.

Weil Religion in Maaloufs Essay nicht so entscheidend ist, die gegenwärtigen Spannungen zwischen Kulturen für ihn nur eine vorübergehende Phase in der Geschichte darstellen und er für die Menschenrechte universale Gültigkeit beansprucht, ist sein Buch versöhnlich. Und weil Maalouf durch sein Werk, das neben politischen Essays auch zahlreiche Romane umfasst, einen "symbolischen Raum für Begegnung und Verständigung" geschaffen habe, überreicht ihm der spanische Kronprinz Felipe morgen den mit 50 000 Euro dotierten Prinz-von-Asturien-Preis für Literatur.

JULIA LAUER

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