Im November 1960 schenkte Frank Sinatra Marylin Monroe einen Hund. Sein Name war Maf, Er hatte einen ausgezeichneten Instinkt für das 20. Jahrhundert. Für Politik. Für Psychoanalyse. Für Literatur. Für Innenausstattungen. Dies ist seine Geschichte... Andrew O'Haggans hündischer Held bietet uns einen urkomischen Blick in sein komplexes Leben und das einer von uns heiß geliebten Ikone. Durch Mafs Augen erfahren wir mehr über Monroes eigenes Leben, aber auch über eine der außergewöhnlichsten Phasen des 20. Jahrhunderts - die Sechziger Jahre.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.2011Tapfer lieben auf vier Pfoten
Ein Traumpaar: Andrew O'Hagan lässt Marilyn Monroes Malteserhündchen über Freud, Kennedy und Lassie räsonieren.
Von Martin Halter
Ihr Pech mit den Männern, ihre Depressionen, Komplexe und Nervenzusammenbrüche, ihre leichten Komödien und schweren Bettlektüren (Dostojewski, Joyce, Freud): Das traurige Schicksal von Marilyn Monroe ist von berufenen und unberufenen Freunden schon oft und erschöpfend beschrieben worden; zuletzt auch von ihr selbst in "Tapfer lieben". Maf ist in seinen Memoiren der Ikone des zwanzigsten Jahrhunderts näher als alle Menschen bisher gekommen. Der reinrassige Malteserhund, den Frank Sinatra seiner Freundin Marilyn 1960 schenkte, war nicht nur der Beschützer und Tröster ihrer letzten Jahre, sondern auch ein begnadeter Frauchenversteher.
"Marilyn war ein seltsames und unglückliches Geschöpf, dennoch war ihr mehr natürliche Komik eigen als irgendjemand anderem", erinnert sich der kluge Hund. "Nichts lag ihr ferner, als die Absurditäten des Lebens streng zurückzuweisen: Marilyn hatte ein Gespür für Witz und moralisches Drama, das die Häuptlinge des psychoanalytischen Wiens begeistert hätte. Es dauerte nicht lange, und sie wurde zu meiner besten Freundin."
Auf die Idee, Marilyns Drama aus der Perspektive eines mitfühlenden Schoßhündchens zu schildern, kann nur ein Film- und Hundekenner und anerkannt geistreicher Erzähler wie der Schotte Andrew O'Hagan kommen. Mafia Honey oder Maf, wie die Monroe Sinatras Geschenk beziehungsreich taufte, ist natürlich kein normaler Hund. Er kann, auch wenn ihn nur Tiere verstehen, mit Esprit, Charme und zahlreichen Fußnoten über die Natur- und Kulturgeschichte der Hunde von Aristoteles, Plutarch und Montaigne bis zu Kafka und Adorno, Snoopy und Lassie philosophieren. Vor allem aber stand er seiner Freundin immer mit Trost und Rat bei. Maf war das Mäuschen, wenn Lee Strasberg im Actor's Studio seine Meisterschülerin aufrichtete, wenn sie mit Freunden Hollywood-Klatsch durchhechelte oder einsam in ihr Laken weinte. Der kleine Klugscheißer hörte mit, wenn ihre mütterlich-eitle Analytikerin von Wien, Freud und dessen Chow Jofi schwärmte (und von ihrer an gesundem Menschenverstand, Sensibilität und Mutterwitz überlegenen Patientin hinterrücks selbst auf die Couch gelegt wurde), wenn "Jack" Kennedy ihr sein Herz ausschüttete und Sinatra einen Tobsuchtsanfall bekam, weil er sich vom Präsidenten verraten fühlte. Außer vielleicht einem mexikanischen Komiker und ihrem Fan Charlie (den O'Hagan als eine Art jungen Philip Roth schildert), hat niemand die "Königin der Liebe und Intelligenz" so gut verstanden und aufrichtig geliebt wie Maf.
Der Malteserprinz glänzt nicht nur mit einem aristokratischen Stammbaum. Aus dem großen Wurf eines trotzkistischen Züchters stammend, sog der Welpe den Partisan-Review-Sozialismus mit der Muttermilch ein und genoss im Bloomsbury-Zirkel, unter Hundenarren wie Vita Sackville-West, Virginia Woolf und Cyril Connolly, eine profunde Aus- und Einbildung, ehe er 1960 von Natalie Woods Mutter nach New York verschifft wurde und in Sinatras Händen seinen letzten Schliff fand. In Amerika verleugnet Maf keine Sekunde seine alteuropäische Hochnäsigkeit: Mit Trotzki-Zitaten, funkelnden Bonmots und dem Existentialismus des verkannten Underdogs pinkelt er auf alle Banausen, Machos und Gesinnungsschnüffler zwischen Washington und Hollywood. Maf ist ein dekadenter Hund ganz nach Oscar Wildes Geschmack: Geistreich, giftig und elegant von der Schnauze bis zum Schwanz, ein nobler Minneritter seiner Herrin, ein Salonkommunist, der weder die Leckereien noch den Champagner der Yankees verschmäht.
O'Hagan gelingen wunderbar beiläufige Porträts von Schauspielern, Regisseuren, Politikern und Schriftstellern der Kennedy-Ära. Ratpack-Mitglieder wie Sammy Davis jr., Peter Lawford oder Dean Martin, Giftspritzen wie Carson McCullers und Lillian Hellman lästern so boshaft über Rivalen und Feinde wie die Schopenhauer-Mücken in der Suppe, rassistischen Wanzen und gerissenen New Yorker Spinnen, deren Sprache nur Maf versteht. Auch Marilyn ist durchaus kein blondes Dummchen. Sie erkennt instinktiv ihre Rolle als "totemistische Hysterische der Geschichte" und ihre paradox verfahrene Situation: "Die beste Möglichkeit, mich als Person selbst zu finden, ist, mir zu beweisen, dass ich eine Schauspielerin bin."
Der Roman ist eine brillantes Panorama des intellektuellen Amerika um 1960 und eine amüsante Studie über die Rolle des Hundes in der Film-, Literatur- und Kunstgeschichte. Zum Bild Marilyn Monroes in der Geschichte freilich fügt er wenig Neues hinzu. Auch Maf will nämlich nicht als Dummchen dastehen und mit sentimentalem Hundeblick um Beifall und Zuneigung winseln. So liest er, ganz die Stimme seines Herrn, tapfer liebend (vor allem sich selbst) und kaltschnäuzig knurrend alles auf, was an Bildungsknochen, Fußnoten und Meinungshäufchen auf dem Weg liegt. Mafs Method Acting wirkt manchmal andressiert, Kunststückchen und Reviermarkierungen durch name dropping und artig apportierte Unartigkeiten. Der Schoßhund wäre gern ein dreckiger kleiner Köter, aber er ist nur das süße Kerlchen, das die Welt aus der Perspektive der Hosenbeine und Schuhe erlebt und sich auf Augenhöhe an Produzenten, Paparazzi und anderen Quälgeistern seiner Freundin rächt. So schafft es der Wadenbeißer mit snobistischen Kläffereien und Cocktailparty-Küchenpsychologie in Marilyns Bett, aber nicht unbedingt ins Herz des Lesers. Dass O'Hagans Roman mit Angelina Jolie in der Hauptrolle und George Clooney als Frankieboy verfilmt werden soll, ist also vermutlich nur ein Gerücht auf vier Pfoten.
Andrew O'Hagan: "Leben und Ansichten von Maf dem Hund und seiner Freundin Marilyn Monroe". Roman.
Aus dem Englischen von Annette Grube. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011. 334 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Traumpaar: Andrew O'Hagan lässt Marilyn Monroes Malteserhündchen über Freud, Kennedy und Lassie räsonieren.
Von Martin Halter
Ihr Pech mit den Männern, ihre Depressionen, Komplexe und Nervenzusammenbrüche, ihre leichten Komödien und schweren Bettlektüren (Dostojewski, Joyce, Freud): Das traurige Schicksal von Marilyn Monroe ist von berufenen und unberufenen Freunden schon oft und erschöpfend beschrieben worden; zuletzt auch von ihr selbst in "Tapfer lieben". Maf ist in seinen Memoiren der Ikone des zwanzigsten Jahrhunderts näher als alle Menschen bisher gekommen. Der reinrassige Malteserhund, den Frank Sinatra seiner Freundin Marilyn 1960 schenkte, war nicht nur der Beschützer und Tröster ihrer letzten Jahre, sondern auch ein begnadeter Frauchenversteher.
"Marilyn war ein seltsames und unglückliches Geschöpf, dennoch war ihr mehr natürliche Komik eigen als irgendjemand anderem", erinnert sich der kluge Hund. "Nichts lag ihr ferner, als die Absurditäten des Lebens streng zurückzuweisen: Marilyn hatte ein Gespür für Witz und moralisches Drama, das die Häuptlinge des psychoanalytischen Wiens begeistert hätte. Es dauerte nicht lange, und sie wurde zu meiner besten Freundin."
Auf die Idee, Marilyns Drama aus der Perspektive eines mitfühlenden Schoßhündchens zu schildern, kann nur ein Film- und Hundekenner und anerkannt geistreicher Erzähler wie der Schotte Andrew O'Hagan kommen. Mafia Honey oder Maf, wie die Monroe Sinatras Geschenk beziehungsreich taufte, ist natürlich kein normaler Hund. Er kann, auch wenn ihn nur Tiere verstehen, mit Esprit, Charme und zahlreichen Fußnoten über die Natur- und Kulturgeschichte der Hunde von Aristoteles, Plutarch und Montaigne bis zu Kafka und Adorno, Snoopy und Lassie philosophieren. Vor allem aber stand er seiner Freundin immer mit Trost und Rat bei. Maf war das Mäuschen, wenn Lee Strasberg im Actor's Studio seine Meisterschülerin aufrichtete, wenn sie mit Freunden Hollywood-Klatsch durchhechelte oder einsam in ihr Laken weinte. Der kleine Klugscheißer hörte mit, wenn ihre mütterlich-eitle Analytikerin von Wien, Freud und dessen Chow Jofi schwärmte (und von ihrer an gesundem Menschenverstand, Sensibilität und Mutterwitz überlegenen Patientin hinterrücks selbst auf die Couch gelegt wurde), wenn "Jack" Kennedy ihr sein Herz ausschüttete und Sinatra einen Tobsuchtsanfall bekam, weil er sich vom Präsidenten verraten fühlte. Außer vielleicht einem mexikanischen Komiker und ihrem Fan Charlie (den O'Hagan als eine Art jungen Philip Roth schildert), hat niemand die "Königin der Liebe und Intelligenz" so gut verstanden und aufrichtig geliebt wie Maf.
Der Malteserprinz glänzt nicht nur mit einem aristokratischen Stammbaum. Aus dem großen Wurf eines trotzkistischen Züchters stammend, sog der Welpe den Partisan-Review-Sozialismus mit der Muttermilch ein und genoss im Bloomsbury-Zirkel, unter Hundenarren wie Vita Sackville-West, Virginia Woolf und Cyril Connolly, eine profunde Aus- und Einbildung, ehe er 1960 von Natalie Woods Mutter nach New York verschifft wurde und in Sinatras Händen seinen letzten Schliff fand. In Amerika verleugnet Maf keine Sekunde seine alteuropäische Hochnäsigkeit: Mit Trotzki-Zitaten, funkelnden Bonmots und dem Existentialismus des verkannten Underdogs pinkelt er auf alle Banausen, Machos und Gesinnungsschnüffler zwischen Washington und Hollywood. Maf ist ein dekadenter Hund ganz nach Oscar Wildes Geschmack: Geistreich, giftig und elegant von der Schnauze bis zum Schwanz, ein nobler Minneritter seiner Herrin, ein Salonkommunist, der weder die Leckereien noch den Champagner der Yankees verschmäht.
O'Hagan gelingen wunderbar beiläufige Porträts von Schauspielern, Regisseuren, Politikern und Schriftstellern der Kennedy-Ära. Ratpack-Mitglieder wie Sammy Davis jr., Peter Lawford oder Dean Martin, Giftspritzen wie Carson McCullers und Lillian Hellman lästern so boshaft über Rivalen und Feinde wie die Schopenhauer-Mücken in der Suppe, rassistischen Wanzen und gerissenen New Yorker Spinnen, deren Sprache nur Maf versteht. Auch Marilyn ist durchaus kein blondes Dummchen. Sie erkennt instinktiv ihre Rolle als "totemistische Hysterische der Geschichte" und ihre paradox verfahrene Situation: "Die beste Möglichkeit, mich als Person selbst zu finden, ist, mir zu beweisen, dass ich eine Schauspielerin bin."
Der Roman ist eine brillantes Panorama des intellektuellen Amerika um 1960 und eine amüsante Studie über die Rolle des Hundes in der Film-, Literatur- und Kunstgeschichte. Zum Bild Marilyn Monroes in der Geschichte freilich fügt er wenig Neues hinzu. Auch Maf will nämlich nicht als Dummchen dastehen und mit sentimentalem Hundeblick um Beifall und Zuneigung winseln. So liest er, ganz die Stimme seines Herrn, tapfer liebend (vor allem sich selbst) und kaltschnäuzig knurrend alles auf, was an Bildungsknochen, Fußnoten und Meinungshäufchen auf dem Weg liegt. Mafs Method Acting wirkt manchmal andressiert, Kunststückchen und Reviermarkierungen durch name dropping und artig apportierte Unartigkeiten. Der Schoßhund wäre gern ein dreckiger kleiner Köter, aber er ist nur das süße Kerlchen, das die Welt aus der Perspektive der Hosenbeine und Schuhe erlebt und sich auf Augenhöhe an Produzenten, Paparazzi und anderen Quälgeistern seiner Freundin rächt. So schafft es der Wadenbeißer mit snobistischen Kläffereien und Cocktailparty-Küchenpsychologie in Marilyns Bett, aber nicht unbedingt ins Herz des Lesers. Dass O'Hagans Roman mit Angelina Jolie in der Hauptrolle und George Clooney als Frankieboy verfilmt werden soll, ist also vermutlich nur ein Gerücht auf vier Pfoten.
Andrew O'Hagan: "Leben und Ansichten von Maf dem Hund und seiner Freundin Marilyn Monroe". Roman.
Aus dem Englischen von Annette Grube. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011. 334 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Mafia Honey" - so lautet der vollständige Name, den Marilyn Monroe beziehungsreich dem Hündchen gibt, das ihr kein anderer als Frank Sinatra geschenkt hat. Dies Tier - Rufname: Maf - nun macht Andrew O'Hagan zum Protagonisten und Erzähler seines Romans, der Marilyn Monroe aus intimster Kenntnis heraus porträtiert. Wobei, wie der trotzdem sehr vergnügt wirkende Rezensent Martin Halter einschränkt, über die Monroe selbst wenig Spektakuläres zu lesen ist. Eher überzeugt ihn das Buch als "brillantes Panorama des intellektuellen Amerika um 1960", in dem Figuren wie "Jack" Kennedy oder Sammy Davis Jr. in scharf umrissenen Darstellungen durchs Bild laufen. Der Hund selbst bekommt überdies einen trotzkistischen Stammbaum und weiß, was ihn freilich nur bedingt sympathisch mache, diverse "Bildungsknochen, Fußnoten und Meinungshäufchen" zu apportieren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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