Der Stamm der Jívaro-Indianer lebt im Amazonasbecken an der Grenze zwischen Ecuador und Peru. Mit diesem unbekannten Volk macht uns Philippe Descola in seinem ersten großen Werk vertraut, das auf beeindruckende Weise verstehende Beobachtung und brillante Erzählkunst verbindet. Ermuntert und unterstützt von seinem Lehrer Claude Lévi-Strauss, hat Descola sich mit seiner Gefährtin Anne-Christine Taylor auf das Abenteuer einer Reise zu den verstreut im Urwald lebenden Indianern eingelassen. Drei Jahre bleibt er dort und erlernt im Alltag, den er mit seinen Gastgebern teilt, deren Sprache, Rituale und Regeln des Zusammenlebens. Kunstvoll verbindet Descola die Beschreibung der Jívaro mit ebenso poetischen wie philosophischen Reflexionen über die Ausbreitung der modernen Zivilisation, über das Handwerk des Ethnologen oder über den Verlust des Zeitgefühls im Dschungel. Mit seinem Buch über die Jívaro hat Philippe Descola ein Meisterwerk geschaffen, das nun in einer günstigen Sonderausgabe wieder vorliegt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2012Tropenreichtum
Er setze darauf, so steht es auf der letzten Seite dieses Buchs, dass Ethnologie "zugleich aufklären, erbauen und zerstreuen, wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und die Bedingungen ihrer Forschungsarbeit hinterfragen, einen persönlichen Weg nachzeichnen und den ganzen Reichtum einer unbekannten Kultur erschließen kann". Und tatsächlich möchte man so und nicht anders diesen Bericht über drei Jahre bei den Achuar im Amazonasbecken loben, den Philippe Descola 1993 vorlegte. Sehr zu Recht erschien auch bald darauf eine deutsche Ausgabe, doch die war seit längerer Zeit vergriffen und selbst antiquarisch kaum noch aufzutreiben. Zeitgleich mit der Übersetzung von Descolas magistraler Studie "Jenseits von Kultur und Kultur" (F.A.Z. vom 26. November) ist nun glücklicherweise eine Neuausgabe des Buchs erschienen. Es ist literarisch nicht weniger geschmeidig als die "Traurigen Tropen" von Descolas Lehrer Claude Lévi-Strauss, geht aber gleichzeitig weniger thesenhaft und viel gelassener mit den Widersprüchen der ethnographischen Position um. (Philippe Descola: "Leben und Sterben in Amazonien". Bei den Jívaro-Indianern. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 471 S., br., 32,90 [Euro].)
hmay
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Er setze darauf, so steht es auf der letzten Seite dieses Buchs, dass Ethnologie "zugleich aufklären, erbauen und zerstreuen, wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und die Bedingungen ihrer Forschungsarbeit hinterfragen, einen persönlichen Weg nachzeichnen und den ganzen Reichtum einer unbekannten Kultur erschließen kann". Und tatsächlich möchte man so und nicht anders diesen Bericht über drei Jahre bei den Achuar im Amazonasbecken loben, den Philippe Descola 1993 vorlegte. Sehr zu Recht erschien auch bald darauf eine deutsche Ausgabe, doch die war seit längerer Zeit vergriffen und selbst antiquarisch kaum noch aufzutreiben. Zeitgleich mit der Übersetzung von Descolas magistraler Studie "Jenseits von Kultur und Kultur" (F.A.Z. vom 26. November) ist nun glücklicherweise eine Neuausgabe des Buchs erschienen. Es ist literarisch nicht weniger geschmeidig als die "Traurigen Tropen" von Descolas Lehrer Claude Lévi-Strauss, geht aber gleichzeitig weniger thesenhaft und viel gelassener mit den Widersprüchen der ethnographischen Position um. (Philippe Descola: "Leben und Sterben in Amazonien". Bei den Jívaro-Indianern. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 471 S., br., 32,90 [Euro].)
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