Glücklich sein trotz schwieriger Lebensumstände. Endlich leben, statt gelebt zu werden. Ist das möglich? Walter Kohl zeigt Wege auf, wie wir uns mit der Kraft der Versöhnung von langjährigen Belastungen befreien und alten Schmerz in neue Energie umwandeln können. Er ist überzeugt: Wenn wir uns unseren schmerzlichen Gefühlen offen und ehrlich stellen, können wir belastende Erlebnisse innerlich heilen und neue Lebensabschnitte friedlich, eigenverantwortlich und in Freude gestalten. Kampf oder Flucht sind typische Reaktionsmuster, um mit belastenden persönlichen Erlebnissen umzugehen. Allerdings halten uns beide Strategien in der Regel in unserem Schmerz gefangen. Doch es gibt noch einen weiteren Ansatz: den Weg der Versöhnung. Walter Kohl war durch sein Leben als "Sohn vom Kohl" und den Freitod seiner Mutter selbst schweren emotionalen Erschütterungen ausgesetzt. Er weiß aus eigener Erfahrung: Versöhnung ist eine starke Quelle neuer innerer Kraft, die einen Menschen zu sich selbst führt und neues Denken, Fühlen und Handeln ermöglicht. Dazu müssen wir aber die Versöhnung in uns entdecken, zulassen und aktivieren. Im Praxisbuch zu seinem Bestseller Leben oder gelebt werden beschreibt er, wie wir lernen, uns unseren Gefühlen zu stellen und die schmerzhaften Episoden der Vergangenheit in neue Kraft zu verwandeln. Wir können aktiv und bewusst inneren Frieden mit unseren alten Schmerzen schließen und damit das Steuer unseres Lebens wieder selbst in die Hand nehmen.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.05.2013Aus dem Schatten
Walter, der älteste Sohn von Helmut Kohl, hat ein zweites Buch geschrieben.
Wieder geht es um seine schwierige Kindheit – lesenswert ist es trotzdem
VON DETLEF ESSLINGER
Schon wieder ein Buch aus dem Hause Kohl? Mit noch mehr Details, die doch eher privat sind – und dies vielleicht auch bleiben sollten?
Ja, in der Tat: Walter Kohl, der älteste Sohn von Helmut Kohl, trat bereits vor zwei Jahren als Autor in Erscheinung; sein Bruder Peter gab im Winter die Biografie der Mutter neu heraus – und jetzt hat wieder Walter ein Buch verfasst, das in diesen Tagen erscheint. „Leben, was du fühlst“, lautet der Titel, und wer Geschichten sucht, die zu erfragen man sich nicht trauen würde, der wird auch diesmal bedient.
Walter Kohl beschreibt, wie er in den Siebzigerjahren Freunde daheim in den Garten eingeladen hatte. Sie machten zotige Witze, sie bedienten sich im Weinkeller des Vaters, und einer hatte eine tragbare Grillschale mitgebracht. Dann kam seine Mutter nach Hause, viel früher als gedacht. „Das hier war nicht einfach der Einbruch elterlicher Aufsicht in unser Jugendlichen-Idyll“, schreibt Walter Kohl über diesen Moment. „Es war Mensch gewordene Naturgewalt.“ Er sagt, am liebsten wäre man ganz weit weggelaufen. Denn die Mutter schrie, ihre Stimme war schrill und panisch: „Kein Feuer in meinem Haus – niemals!“
Muss man das ausbreiten? Es geht schließlich nicht um irgendeine anonyme Frau aus Ludwigshafen, Stadtteil Oggersheim. Es ist Hannelore Kohl, deren Zerbrechlichkeit auf diese Weise publik wird, zwölf Jahre nach ihrem Freitod, geschrieben vom eigenen Sohn.
Die vielleicht erstaunliche Antwort, auch aus Sicht eher diskreter Naturen: alles okay. In diesem Buch passiert nichts, dessen sich der Autor oder der Leser schämen müsste. Walter Kohl, 49, hat ein Buch geschrieben, das vielleicht ein Gesprächsstoff wird wie das erste. Die Startauflage von „Leben oder gelebt werden“ war nach zehn Tagen ausverkauft, er erzählt darin, wie es war, als Sohn von Helmut Kohl aufzuwachsen und wie die Familie des früheren Bundeskanzlers später zerfiel.
Wer als Walter Müller oder Maier aufwächst, glaubt möglicherweise, die Söhne und Töchter in einer Politiker- oder Prominentenfamilie hätten bestimmt ein faszinierendes Leben.
Schon wahr, hätte ein Walter Müller nun ein Werk über sein Leben, sei es über die Erfolge oder über die Krisen, vorgelegt – es würden sich wohl nur wenige Medien damit beschäftigen; vermutlich würde Walter Müller auch nicht an diesem Donnerstag in die Talkshow von Markus Lanz gebeten. Walter Kohl sagt, wenn man ihn darauf anspricht: „Natürlich hilft mir meine Herkunft dabei.“ Das aber ist in seinem Fall wirklich nur der erste Teil der Antwort. Der zweite ist, dass er ohne diese Herkunft gar keinen Anlass gehabt hätte, Bücher über Lebenskrisen zu schreiben. Er würde sich auf den Kfz-Zulieferbetrieb beschränken, 20 Mitarbeiter in Deutschland und Korea, der ihm und seiner koreanischen Frau gehört. Walter Kohl sagt: „Ich habe lange mit meiner Herkunft gehadert.“
Er schreibt, dass Kohls „eine Art Politik-Familienunternehmen“ waren, für das jede Wahl „zugleich auch eine Abstimmung über die familiäre Zukunft und damit über unser wirtschaftliches Wohl“ bedeutete. „Vater stand auf der Bühne, Mutter agierte als Managerin im Hintergrund, von Peter und mir wurde erwartet, dass wir keinerlei Störungen verursachten.“ Typisch für eine deutsche Familie in den Sechzigern und Siebzigern waren sie aber auch – und zwar schon insofern, dass über Gefühle eher nicht gesprochen wurde. Für emotionale Themen war höchstens „später“ Zeit, auch wenn die Söhne sehr das Bedürfnis danach hatten – schließlich lebte die Familie des CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten in einem permanenten Ausnahmezustand. Als Walter Kohl zwölf Jahre alt war, teilte ein hoher Polizeibeamter ihm Folgendes mit: Falls Terroristen ihn entführen sollten, würde der Staat ihn nicht austauschen. Es war eine Auskunft, die ihn für Jahrzehnte zeichnete. Er schreibt: „Es hat fast 25 Jahre gedauert, bis ich den unbewussten Glaubenssatz ,Ich bin nichts wert‘ als mein eigentliches und tiefstes Problem erfassen konnte.“
Es gibt mindestens drei Gründe, warum diese Geschichten des Aufschreibens und des Lesens wert sind. Erstens, weil man es gar nicht oft genug sagen kann: bloß niemals Neid auf Promi-Kinder – und wer sie gar an seinen eigenen Maßstäben misst, womöglich auch noch öffentlich, der vergreift sich an diesen Menschen. „Man tut den beiden Brüdern kein Unrecht, wenn man zu dem Schluss kommt, dass ihr Leben hinter den Erwartungen zurückblieb“, schrieb allen Ernstes der Spiegel vor einem Dreivierteljahr. „Es hat sich kein Erfolg angeschlossen, der die Söhne aus dem Schatten des großen Namens hätte heraustreten lassen.“ Kanzlersöhne haben gefälligst ebenfalls Kanzler zu werden? Zumindest aber Chef von Audi anstatt bloß eines 20-Mann-Zulieferbetriebs? Was für ein Unrecht, solche Ansprüche.
Walter Kohl fasst diesen ersten Grund für seine Bücher mit dem Satz zusammen: „Leid und Schmerz müssen auf derselben Bühne geheilt werden, wo sie entstanden sind.“ Wer öffentlich immer nur als Sohn vom Kohl wahrgenommen wird, kann auch nur öffentlich eine andere Wahrnehmung schaffen.
Zweitens sind die Kohl-Geschichten von Walter Kohl nicht Zweck, sondern Mittel. Jeder Mensch schleppt doch seinen Rucksack durchs Leben. Bei dem einen ist es der immer nur arbeitende, beim anderen der immer arbeitslose Vater, beim nächsten die früh gestorbene Mutter oder das Außenseiterdasein in der Pubertät, bei Hannelore Renner, verheiratete Kohl, war es die Bombardierung von Leipzig, weshalb sie später nicht einmal einen Grill im Garten ertragen konnte – und jeder Mensch denkt, warum muss ausgerechnet ich solch ein Los haben, wie werde ich nur diesen Rucksack los.
Das ist der dritte Grund, warum das Buch hilfreich und überhaupt nicht peinlich ist. Walter Kohl macht Urlaub auf Fuerteventura, er sitzt am Strand, durch den Telefonhörer pfeift der Wind, und er erzählt, dass er sich aus seinem Kfz-Betrieb gerade etwas zurückzieht. Er will ein „Zentrum für eigene Lebensgestaltung“ etablieren, in Seminaren sollen die Leute lernen, dass sie ihren Rucksack zwar nie loswerden, dass sie aber versuchen können, etwas
Positives mit ihm anzufangen. In dem Buch beschreibt er, wie so etwas zu schaffen ist; zumindest, wie er es geschafft hat.
Klingt ja beispielsweise einfach zu sagen: „Heute kann ich den Terrorismus als Phänomen betrachten, ohne mich dabei gleichzeitig persönlich angegriffen zu fühlen.“ Wer diesen Jungen bedrohte, meinte schließlich nicht Walter, sondern den Sohn vom Kohl. Und heute weiß dieser Walter, dass aus seinem Leben nur derjenige etwas machen kann, der ganz bei sich selbst ist – und nicht bloß versucht, Rollenmodellen oder fremden Erwartungen gerecht zu werden. Investmentbanker in New York, das Experiment hat er hinter sich.
Aber wer zu sich selbst finden will, muss erst einmal die eigenen Gefühle entdecken und benennen. Walter Kohl ist dies mit einem Instrument gelungen: Er hat Briefe an sich selbst geschrieben. Und als er es geschafft hatte, die eigene Vergangenheit zu akzeptieren, statt mit ihr zu hadern, als er begriff, dass jeder selbst die Verantwortung für sein Leben hat – in der Phase fertigte er ein weiteres Dokument an: einen Friedensvertrag, mit sich selbst. Zu pathetisch, zu verschraubt? Kohl sagt: „Wir festigen damit unseren Entschluss, ein für allemal aus dem inneren Konflikt auszusteigen.“ Als Vater mag Helmut Kohl ein Sonderfall gewesen sein. Aber jedes Leben ist ein Sonderfall. In Wahrheit geht es doch immer um eines, sagt Walter Kohl: „Welche Fragen stellt mir das Leben jetzt ? Was ist zu tun?“
Er hat die Rezensionen studiert, die Leser nach dem ersten Buch auf amazon.de und auf buecher.de schrieben. Er sagt, 2000 Mails habe er bekommen. „Sehr geehrter, lieber Herr Walter Kohl“, so begannen manche ihre Zuschrift, er fand das geradezu rührend. „Die Leser wollten auf diese Weise signalisieren, dass sie mich meinten, und nicht den Sohn vom Kohl.“ Im Grunde ein Kompliment, zumindest ein Indiz, dass die Schreiber verstanden, worum es ihm ging in dem Buch.
Walter Kohl schrieb es von 2008 bis 2010, bis vor drei Jahren also. Der Stand damals war, dass sich der Vater von ihm losgesagt hatte, und natürlich fragt man ihn, ob es in der Hinsicht etwas Neues gibt. „An der Lage hat sich kein Deut geändert.“ Helmut Kohl habe den Kontakt doch nicht nur zu ihm, sondern zu weiten Teilen seines früheren Umfelds abgebrochen. Stimmt ja, die Aufzählung ist schnell beisammen: Blüm, Geißler, Schäuble, Süßmuth, der Fahrer Eckhard Seeber, die Söhne und deren Familien, und so weiter.
„Ich bin da nur einer von vielen“, sagt er. Aus dem Munde des Erstgeborenen – ein Wahnsinnssatz. Man sieht Walter Kohl dabei nicht, es ist ja bloß ein Telefonat, zwischen München und Fuerteventura, aber zumindest die Stimme ist frei von Hader, ganz entspannt sagt der Mann dies.
Ziemlich souveräne Leistung.
Er hat einen
Friedensvertrag mit sich selbst
geschlossen
Das zweite Buch von Walter Kohl , das an diesem Donnerstag im Scorpio Verlag erscheint, soll ein Praxisbuch, ein Hilfsmittel sein. Kohl ist überzeugt: Versöhnung lässt sich erlernen wie eine Fremdsprache.
Als er zwölf Jahre alt war, erfuhr Walter Kohl von einem Polizisten: Falls Terroristen ihn entführen sollten, würde der Staat ihn nicht austauschen. 25 Jahre hat er gebraucht, um über diesen Satz hinwegzukommen.
FOTO: PATRICK SEEGER/ DPA
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Walter, der älteste Sohn von Helmut Kohl, hat ein zweites Buch geschrieben.
Wieder geht es um seine schwierige Kindheit – lesenswert ist es trotzdem
VON DETLEF ESSLINGER
Schon wieder ein Buch aus dem Hause Kohl? Mit noch mehr Details, die doch eher privat sind – und dies vielleicht auch bleiben sollten?
Ja, in der Tat: Walter Kohl, der älteste Sohn von Helmut Kohl, trat bereits vor zwei Jahren als Autor in Erscheinung; sein Bruder Peter gab im Winter die Biografie der Mutter neu heraus – und jetzt hat wieder Walter ein Buch verfasst, das in diesen Tagen erscheint. „Leben, was du fühlst“, lautet der Titel, und wer Geschichten sucht, die zu erfragen man sich nicht trauen würde, der wird auch diesmal bedient.
Walter Kohl beschreibt, wie er in den Siebzigerjahren Freunde daheim in den Garten eingeladen hatte. Sie machten zotige Witze, sie bedienten sich im Weinkeller des Vaters, und einer hatte eine tragbare Grillschale mitgebracht. Dann kam seine Mutter nach Hause, viel früher als gedacht. „Das hier war nicht einfach der Einbruch elterlicher Aufsicht in unser Jugendlichen-Idyll“, schreibt Walter Kohl über diesen Moment. „Es war Mensch gewordene Naturgewalt.“ Er sagt, am liebsten wäre man ganz weit weggelaufen. Denn die Mutter schrie, ihre Stimme war schrill und panisch: „Kein Feuer in meinem Haus – niemals!“
Muss man das ausbreiten? Es geht schließlich nicht um irgendeine anonyme Frau aus Ludwigshafen, Stadtteil Oggersheim. Es ist Hannelore Kohl, deren Zerbrechlichkeit auf diese Weise publik wird, zwölf Jahre nach ihrem Freitod, geschrieben vom eigenen Sohn.
Die vielleicht erstaunliche Antwort, auch aus Sicht eher diskreter Naturen: alles okay. In diesem Buch passiert nichts, dessen sich der Autor oder der Leser schämen müsste. Walter Kohl, 49, hat ein Buch geschrieben, das vielleicht ein Gesprächsstoff wird wie das erste. Die Startauflage von „Leben oder gelebt werden“ war nach zehn Tagen ausverkauft, er erzählt darin, wie es war, als Sohn von Helmut Kohl aufzuwachsen und wie die Familie des früheren Bundeskanzlers später zerfiel.
Wer als Walter Müller oder Maier aufwächst, glaubt möglicherweise, die Söhne und Töchter in einer Politiker- oder Prominentenfamilie hätten bestimmt ein faszinierendes Leben.
Schon wahr, hätte ein Walter Müller nun ein Werk über sein Leben, sei es über die Erfolge oder über die Krisen, vorgelegt – es würden sich wohl nur wenige Medien damit beschäftigen; vermutlich würde Walter Müller auch nicht an diesem Donnerstag in die Talkshow von Markus Lanz gebeten. Walter Kohl sagt, wenn man ihn darauf anspricht: „Natürlich hilft mir meine Herkunft dabei.“ Das aber ist in seinem Fall wirklich nur der erste Teil der Antwort. Der zweite ist, dass er ohne diese Herkunft gar keinen Anlass gehabt hätte, Bücher über Lebenskrisen zu schreiben. Er würde sich auf den Kfz-Zulieferbetrieb beschränken, 20 Mitarbeiter in Deutschland und Korea, der ihm und seiner koreanischen Frau gehört. Walter Kohl sagt: „Ich habe lange mit meiner Herkunft gehadert.“
Er schreibt, dass Kohls „eine Art Politik-Familienunternehmen“ waren, für das jede Wahl „zugleich auch eine Abstimmung über die familiäre Zukunft und damit über unser wirtschaftliches Wohl“ bedeutete. „Vater stand auf der Bühne, Mutter agierte als Managerin im Hintergrund, von Peter und mir wurde erwartet, dass wir keinerlei Störungen verursachten.“ Typisch für eine deutsche Familie in den Sechzigern und Siebzigern waren sie aber auch – und zwar schon insofern, dass über Gefühle eher nicht gesprochen wurde. Für emotionale Themen war höchstens „später“ Zeit, auch wenn die Söhne sehr das Bedürfnis danach hatten – schließlich lebte die Familie des CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten in einem permanenten Ausnahmezustand. Als Walter Kohl zwölf Jahre alt war, teilte ein hoher Polizeibeamter ihm Folgendes mit: Falls Terroristen ihn entführen sollten, würde der Staat ihn nicht austauschen. Es war eine Auskunft, die ihn für Jahrzehnte zeichnete. Er schreibt: „Es hat fast 25 Jahre gedauert, bis ich den unbewussten Glaubenssatz ,Ich bin nichts wert‘ als mein eigentliches und tiefstes Problem erfassen konnte.“
Es gibt mindestens drei Gründe, warum diese Geschichten des Aufschreibens und des Lesens wert sind. Erstens, weil man es gar nicht oft genug sagen kann: bloß niemals Neid auf Promi-Kinder – und wer sie gar an seinen eigenen Maßstäben misst, womöglich auch noch öffentlich, der vergreift sich an diesen Menschen. „Man tut den beiden Brüdern kein Unrecht, wenn man zu dem Schluss kommt, dass ihr Leben hinter den Erwartungen zurückblieb“, schrieb allen Ernstes der Spiegel vor einem Dreivierteljahr. „Es hat sich kein Erfolg angeschlossen, der die Söhne aus dem Schatten des großen Namens hätte heraustreten lassen.“ Kanzlersöhne haben gefälligst ebenfalls Kanzler zu werden? Zumindest aber Chef von Audi anstatt bloß eines 20-Mann-Zulieferbetriebs? Was für ein Unrecht, solche Ansprüche.
Walter Kohl fasst diesen ersten Grund für seine Bücher mit dem Satz zusammen: „Leid und Schmerz müssen auf derselben Bühne geheilt werden, wo sie entstanden sind.“ Wer öffentlich immer nur als Sohn vom Kohl wahrgenommen wird, kann auch nur öffentlich eine andere Wahrnehmung schaffen.
Zweitens sind die Kohl-Geschichten von Walter Kohl nicht Zweck, sondern Mittel. Jeder Mensch schleppt doch seinen Rucksack durchs Leben. Bei dem einen ist es der immer nur arbeitende, beim anderen der immer arbeitslose Vater, beim nächsten die früh gestorbene Mutter oder das Außenseiterdasein in der Pubertät, bei Hannelore Renner, verheiratete Kohl, war es die Bombardierung von Leipzig, weshalb sie später nicht einmal einen Grill im Garten ertragen konnte – und jeder Mensch denkt, warum muss ausgerechnet ich solch ein Los haben, wie werde ich nur diesen Rucksack los.
Das ist der dritte Grund, warum das Buch hilfreich und überhaupt nicht peinlich ist. Walter Kohl macht Urlaub auf Fuerteventura, er sitzt am Strand, durch den Telefonhörer pfeift der Wind, und er erzählt, dass er sich aus seinem Kfz-Betrieb gerade etwas zurückzieht. Er will ein „Zentrum für eigene Lebensgestaltung“ etablieren, in Seminaren sollen die Leute lernen, dass sie ihren Rucksack zwar nie loswerden, dass sie aber versuchen können, etwas
Positives mit ihm anzufangen. In dem Buch beschreibt er, wie so etwas zu schaffen ist; zumindest, wie er es geschafft hat.
Klingt ja beispielsweise einfach zu sagen: „Heute kann ich den Terrorismus als Phänomen betrachten, ohne mich dabei gleichzeitig persönlich angegriffen zu fühlen.“ Wer diesen Jungen bedrohte, meinte schließlich nicht Walter, sondern den Sohn vom Kohl. Und heute weiß dieser Walter, dass aus seinem Leben nur derjenige etwas machen kann, der ganz bei sich selbst ist – und nicht bloß versucht, Rollenmodellen oder fremden Erwartungen gerecht zu werden. Investmentbanker in New York, das Experiment hat er hinter sich.
Aber wer zu sich selbst finden will, muss erst einmal die eigenen Gefühle entdecken und benennen. Walter Kohl ist dies mit einem Instrument gelungen: Er hat Briefe an sich selbst geschrieben. Und als er es geschafft hatte, die eigene Vergangenheit zu akzeptieren, statt mit ihr zu hadern, als er begriff, dass jeder selbst die Verantwortung für sein Leben hat – in der Phase fertigte er ein weiteres Dokument an: einen Friedensvertrag, mit sich selbst. Zu pathetisch, zu verschraubt? Kohl sagt: „Wir festigen damit unseren Entschluss, ein für allemal aus dem inneren Konflikt auszusteigen.“ Als Vater mag Helmut Kohl ein Sonderfall gewesen sein. Aber jedes Leben ist ein Sonderfall. In Wahrheit geht es doch immer um eines, sagt Walter Kohl: „Welche Fragen stellt mir das Leben jetzt ? Was ist zu tun?“
Er hat die Rezensionen studiert, die Leser nach dem ersten Buch auf amazon.de und auf buecher.de schrieben. Er sagt, 2000 Mails habe er bekommen. „Sehr geehrter, lieber Herr Walter Kohl“, so begannen manche ihre Zuschrift, er fand das geradezu rührend. „Die Leser wollten auf diese Weise signalisieren, dass sie mich meinten, und nicht den Sohn vom Kohl.“ Im Grunde ein Kompliment, zumindest ein Indiz, dass die Schreiber verstanden, worum es ihm ging in dem Buch.
Walter Kohl schrieb es von 2008 bis 2010, bis vor drei Jahren also. Der Stand damals war, dass sich der Vater von ihm losgesagt hatte, und natürlich fragt man ihn, ob es in der Hinsicht etwas Neues gibt. „An der Lage hat sich kein Deut geändert.“ Helmut Kohl habe den Kontakt doch nicht nur zu ihm, sondern zu weiten Teilen seines früheren Umfelds abgebrochen. Stimmt ja, die Aufzählung ist schnell beisammen: Blüm, Geißler, Schäuble, Süßmuth, der Fahrer Eckhard Seeber, die Söhne und deren Familien, und so weiter.
„Ich bin da nur einer von vielen“, sagt er. Aus dem Munde des Erstgeborenen – ein Wahnsinnssatz. Man sieht Walter Kohl dabei nicht, es ist ja bloß ein Telefonat, zwischen München und Fuerteventura, aber zumindest die Stimme ist frei von Hader, ganz entspannt sagt der Mann dies.
Ziemlich souveräne Leistung.
Er hat einen
Friedensvertrag mit sich selbst
geschlossen
Das zweite Buch von Walter Kohl , das an diesem Donnerstag im Scorpio Verlag erscheint, soll ein Praxisbuch, ein Hilfsmittel sein. Kohl ist überzeugt: Versöhnung lässt sich erlernen wie eine Fremdsprache.
Als er zwölf Jahre alt war, erfuhr Walter Kohl von einem Polizisten: Falls Terroristen ihn entführen sollten, würde der Staat ihn nicht austauschen. 25 Jahre hat er gebraucht, um über diesen Satz hinwegzukommen.
FOTO: PATRICK SEEGER/ DPA
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Das "therapeutische Bastelbuch" des ewigen Kohl-Sohnes Walter genießt Marie Schmidt mit Vorsicht. Denn: Was dem Sohnemann des laut Rezensentin im Buch stets übermächtig präsenten Schattenmannes zur Selbsttherapie gereichen mag, könnte auf andere wie schlichte und schlicht formulierte Küchenpsychologie wirken. Wer wie der Autor den Ausweg aus dem finsteren BRD-Patriarchat noch nicht gefunden hat, dem scheint Schmidt das Buch allerdings ans Herz zu legen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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