Martin Graff porträtiert in seinem Buch "Leben wie Gott im Elsass" liebevoll
bis bissig-ironisch Deutsche, die "irgendetwas" mit dem Elsass zu tun haben -
oder zu tun haben wollen -, die mit dem Elsass "irgendein" Verhältnis haben.
Beispielsweise als Tourist, als Wirtschaftsboss, Pfarrerin, Beamter, als Politiker, Künstler, Lehrerin, Köchin, als "Magicologue", Internetfreak, Weinhändler,
als Philosoph, als Ärztin, als Rapper - und gar noch als Bundeskanzler. Das macht 48 Annäherungen, Liebeserklärungen, Vorurteile, Zuschreibungen - und macht alles in allem: ein farbiges, so faszinierendes wie widersprüchliches
Kaleidoskop bedenkenswert-merkwürdiger (Fehl-)Einstellungen.
Wie immer in seinen Aufsätzen und Büchern sprengt Martin Graff "in schonungsloser
Freundschaft" die Kopfgrenzen zwischen Deutschen und Franzosen, um vorzuführen, was am Oberrhein "mental" gerade passiert, wie da womöglich ein anderes, ein neues Europa entsteht.
bis bissig-ironisch Deutsche, die "irgendetwas" mit dem Elsass zu tun haben -
oder zu tun haben wollen -, die mit dem Elsass "irgendein" Verhältnis haben.
Beispielsweise als Tourist, als Wirtschaftsboss, Pfarrerin, Beamter, als Politiker, Künstler, Lehrerin, Köchin, als "Magicologue", Internetfreak, Weinhändler,
als Philosoph, als Ärztin, als Rapper - und gar noch als Bundeskanzler. Das macht 48 Annäherungen, Liebeserklärungen, Vorurteile, Zuschreibungen - und macht alles in allem: ein farbiges, so faszinierendes wie widersprüchliches
Kaleidoskop bedenkenswert-merkwürdiger (Fehl-)Einstellungen.
Wie immer in seinen Aufsätzen und Büchern sprengt Martin Graff "in schonungsloser
Freundschaft" die Kopfgrenzen zwischen Deutschen und Franzosen, um vorzuführen, was am Oberrhein "mental" gerade passiert, wie da womöglich ein anderes, ein neues Europa entsteht.
"Es gibt Autoren (wie Martin Graff) und Lektüren, die schneiden ins Herz und legen dort bis dahin gut versteckte Wunden offen." -- Badische Zeitung
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Das typisch Zwitterhafte am Elsass kann der Autor dem Rezensenten vermitteln, und zwar nicht, indem er die üblichen Klischees bedient oder touristische Fixpunkte besucht, sondern indem er Menschen porträtiert, die diese Doppelung aushalten und beleben, sich selbst eingeschlossen. Laut Stefan Fischer stellt Martin Graff damit, historisch fundiert übrigens, gerade die Eigenständigkeit der Region heraus, auch das Ironische dieses Landstriches zwischen Frankreich und Deutschland, und formt daraus eine Blaupause für ein friedliches EU-Europa. Das geht tiefer als jedes Reisehandbuch, meint Fischer erfreut.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2013Elsässische Lektionen
Neigen selbsterklärte Landeskenner mitunter zu Überheblichkeit, driften ostentative Fans einer bestimmten Region oft ins Betuliche: Seht her, so idyllisch ist's bei uns im Winkel. Martin Graffs Buch mit dem nicht sonderlich originellen Titel "Leben wie Gott im Elsass" könnte somit durchaus ins Regalfach der stets positiv gestimmten Heimatliteratur passen. Doch von der ersten Seite an macht der Autor klar, dass ihm daran gar nicht gelegen ist. Martin Graff, 1944 in Munster im Elsass geboren, heute Schriftsteller und Publizist, kennt seine Pappen- und Sessenheimer viel zu gut, um ihre zumeist schmeichelhaften Selbstbeschreibungen kritiklos weiterzutransportieren. Ebenso besonnen freilich korrigiert er auswärtige Franzosen, die kaum Profundes über den ehemaligen Zankapfel zwischen beiden Ländern Deutschland und Frankreich wissen. Noch im Januar 2011 deklarierte immerhin der damalige französische Präsident Sarkozy bei einem Besuch im Dörfchen Truchtersheim "Comme je suis en Allemagne" - übersetzt: Da ich in Deutschland bin. Umgekehrt wiederum nehmen viele Deutsche nicht wahr, dass das Elsass jahrhundertelang französisch war, ehe es zwischen 1870 und 1914 ans Deutsche Reich fiel und im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht besetzt wurde. Dass damals viele Elsässer durchaus gern in die Nazi-Uniform geschlüpft waren, ist bis heute ein Tabu - Martin Graff aber thematisiert es. Dennoch hat das Buch nichts Schweres, Geschichtslastiges; es dominiert vielmehr die oft absurde, häufig auch rührende Alltags-Episode, die der Autor klug und unangestrengt zu deuten weiß. Anstatt penibel die Gegend abzuschreiten, lässt er in achtundvierzig kompakt-kurzen Kapiteln unterschiedliche Zeitgenossen auftauchen, Einheimische sowie Wahl-Elsässer, die es fallweise sogar aus dem sächsischen Zwickau dorthin verschlagen hat. Dabei sind ihre spannenden Ankunftsgeschichten nicht alle frei von Enttäuschungen: Denn so wie ein baden-württembergisches Ehepaar, einst im Kampf gegen das geplante Atomkraftwerk Wyhl gestählt, nun auf elsässischer Seite auf eine gewisse Nonchalance gegenüber dem Energie-Thema trifft, so muss der in Ankara geborene Elsässer Faruk erfahren, dass er als Gründer eines Avantgarde-Kinos selbst in seiner Wahlheimatstadt Straßburg mitunter scheel angeschaut wird. Le Pens Front National ist auch im Elsass populär, so dass beileibe nicht alles Platz hat in dem, was bisweilen als multinationales Idyll beschrieben wird. Umso inspirierender ist die Lektüre dieses mit souveräner Ironie geschriebenen Buchs, in dem sowohl französische wie deutsche "PatrŽidioten" ihre jeweiligen Gewissheiten mit Fakten gekontert bekommen, ohne dass sich der verblüffend belesene und kundige Autor je zum moralisierenden Oberlehrer aufschwingen würde. Dafür gibt's Petitessen, etwa zum "Petite France", dem von jedem Straßburg-Reisenden bestaunten Kleinod mitten in der Stadt: Die Architektur stammt aus der mittelalterlichen, der deutschen Zeit, während der niedliche Name auf ein damaliges Hospiz verweist, in welchem die sogenannte "Franzosenkrankheit" kuriert wurde, heute besser bekannt als Syphilis. Fazit: Ein Buch, dass trotz des Titels wenig mit Gott - und schon gar nichts mit dem Fetisch Nation - zu schaffen hat, aber viel mit den Widersprüchlichkeiten realen Lebens.
mart
"Leben wie Gott im Elsass" von Martin Graff. Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2012. 295 Seiten. Gebunden, 22 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Neigen selbsterklärte Landeskenner mitunter zu Überheblichkeit, driften ostentative Fans einer bestimmten Region oft ins Betuliche: Seht her, so idyllisch ist's bei uns im Winkel. Martin Graffs Buch mit dem nicht sonderlich originellen Titel "Leben wie Gott im Elsass" könnte somit durchaus ins Regalfach der stets positiv gestimmten Heimatliteratur passen. Doch von der ersten Seite an macht der Autor klar, dass ihm daran gar nicht gelegen ist. Martin Graff, 1944 in Munster im Elsass geboren, heute Schriftsteller und Publizist, kennt seine Pappen- und Sessenheimer viel zu gut, um ihre zumeist schmeichelhaften Selbstbeschreibungen kritiklos weiterzutransportieren. Ebenso besonnen freilich korrigiert er auswärtige Franzosen, die kaum Profundes über den ehemaligen Zankapfel zwischen beiden Ländern Deutschland und Frankreich wissen. Noch im Januar 2011 deklarierte immerhin der damalige französische Präsident Sarkozy bei einem Besuch im Dörfchen Truchtersheim "Comme je suis en Allemagne" - übersetzt: Da ich in Deutschland bin. Umgekehrt wiederum nehmen viele Deutsche nicht wahr, dass das Elsass jahrhundertelang französisch war, ehe es zwischen 1870 und 1914 ans Deutsche Reich fiel und im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht besetzt wurde. Dass damals viele Elsässer durchaus gern in die Nazi-Uniform geschlüpft waren, ist bis heute ein Tabu - Martin Graff aber thematisiert es. Dennoch hat das Buch nichts Schweres, Geschichtslastiges; es dominiert vielmehr die oft absurde, häufig auch rührende Alltags-Episode, die der Autor klug und unangestrengt zu deuten weiß. Anstatt penibel die Gegend abzuschreiten, lässt er in achtundvierzig kompakt-kurzen Kapiteln unterschiedliche Zeitgenossen auftauchen, Einheimische sowie Wahl-Elsässer, die es fallweise sogar aus dem sächsischen Zwickau dorthin verschlagen hat. Dabei sind ihre spannenden Ankunftsgeschichten nicht alle frei von Enttäuschungen: Denn so wie ein baden-württembergisches Ehepaar, einst im Kampf gegen das geplante Atomkraftwerk Wyhl gestählt, nun auf elsässischer Seite auf eine gewisse Nonchalance gegenüber dem Energie-Thema trifft, so muss der in Ankara geborene Elsässer Faruk erfahren, dass er als Gründer eines Avantgarde-Kinos selbst in seiner Wahlheimatstadt Straßburg mitunter scheel angeschaut wird. Le Pens Front National ist auch im Elsass populär, so dass beileibe nicht alles Platz hat in dem, was bisweilen als multinationales Idyll beschrieben wird. Umso inspirierender ist die Lektüre dieses mit souveräner Ironie geschriebenen Buchs, in dem sowohl französische wie deutsche "PatrŽidioten" ihre jeweiligen Gewissheiten mit Fakten gekontert bekommen, ohne dass sich der verblüffend belesene und kundige Autor je zum moralisierenden Oberlehrer aufschwingen würde. Dafür gibt's Petitessen, etwa zum "Petite France", dem von jedem Straßburg-Reisenden bestaunten Kleinod mitten in der Stadt: Die Architektur stammt aus der mittelalterlichen, der deutschen Zeit, während der niedliche Name auf ein damaliges Hospiz verweist, in welchem die sogenannte "Franzosenkrankheit" kuriert wurde, heute besser bekannt als Syphilis. Fazit: Ein Buch, dass trotz des Titels wenig mit Gott - und schon gar nichts mit dem Fetisch Nation - zu schaffen hat, aber viel mit den Widersprüchlichkeiten realen Lebens.
mart
"Leben wie Gott im Elsass" von Martin Graff. Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2012. 295 Seiten. Gebunden, 22 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main