Produktdetails
- Verlag: Koehler & Amelang
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 319
- Abmessung: 210mm
- Gewicht: 486g
- ISBN-13: 9783733803131
- ISBN-10: 3733803132
- Artikelnr.: 25260332
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2002Der sächsische Grzimek
Lebenserinnerungen: Heinrich Dathe, Direktor des Tierparks in Friedrichsfelde
Er habe leider oft genug miterleben müssen, wie sich Hunde, Dingos und Wölfe bis zur Kampfunfähigkeit, bis zum Tode des Gegners bekämpften. Die Beißhemmung bei Hundeartigen - vom Menschen konstruiert - habe sich eben nicht bis zu denen, die es angeht, herumgesprochen. Als Heinrich Dathe, der damalige Direktor des Tierparks in Berlin-Friedrichsfelde diesen Befund 1965 niederschrieb, setzte er sich damit konträr zu dem damals gültigen Lehrsatz der Verhaltensbiologie, Hunde aktivierten durch Demutsgesten bei überlegenen Artgenossen eine "angeborene Tötungshemmung". Dathes Beobachtungen trugen mit dazu bei, das Postulat einer universell gültigen Tötungshemmung unter Tieren der gleichen Art als Mythos zu entlarven. Seine Kritik änderte aber nichts an seiner Wertschätzung und Nähe zum Urheber der Tötungshemmungsthese. Dathe blieb Konrad Lorenz bis zuletzt in Verehrung verbunden, wovon die ihm 1990 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften verliehene Konrad-Lorenz-Medaille ein spätes Zeugnis ist.
In den kurzen Einleitungssätzen werden über den Inhalt hinaus auch einige Persönlichkeitsmerkmale Dathes deutlich. Er blieb bis zuletzt, obwohl durch Funk und Fernsehen längst berühmt geworden und als unermüdlicher Werber seines Projekts, des Tierparks, unterwegs, ein leidenschaftlicher Zoologe und Tierpsychologe, der das wissenschaftliche Studium des Tierverhaltens nie aufgab. Er blieb in seiner Kritik immer moderat, hielt an Freundschaften fest und jonglierte gekonnt zwischen mächtigeren Konstellationen, ohne in den Geruch des Machiavellismus zu geraten.
Kommunikationstalent
In seinen jetzt erschienenen "Lebenserinnerungen eines leidenschaftlichen Tiergärtners" wird man die oben erwähnte Kontroverse allerdings vergeblich suchen. Sie enden kurz nach der Eröffnung des Tierparks 1955. Die Herausgeber des Bandes, seine Tochter Almuth Fuchs und seine beiden Söhne Falk und Holger H. Dathe, begründen denn auch das späte Erscheinen der Erinnerungen mit dem Fehlen einer ausführlichen Beschreibung der Tierparkjahre ihres Vaters. Dathe sei so eng mit der Geschichte dieser Institution verbunden, daß der Leser zu Recht erwarten könne, über diese Zeit informiert zu werden. Daß man sich jetzt, mehr als zehn Jahre nach seinem Todestag am 6. Januar 1991, doch zur Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen entschlossen habe, sei einerseits auf das anhaltende Interesse an Dathes Person zurückzuführen. Zum anderen wolle man ihn noch einmal zu Worte kommen lassen, um sein Lebenswerk nicht in den vordergründigen Berichten zu seiner Person über das "Elend des Professors Dathe" verrauchen zu lassen, die über seine Entlassung nach der Wende erschienen sind.
Man hatte dem achtzigjährigen Dathe 1990 nach der westlichen Übernahme des Tierparks das Wohnrecht in seiner Dienstwohnung auf dem Gelände entzogen. Daß nach der unwürdigen Schlüsselübergabe die Popularität des alten Mannes im Osten nur stieg, ist gerecht und wird seinen Erinnerungen viele Leser bescheren. Denn die Sorge der Herausgeber, das Buch möge unvollständig erscheinen, ist unberechtigt. Es ist ein herausragendes Zeitdokument, und man kann es auch als Erleichterung empfinden, daß eine Biographie, die am 7. November 1910 mit der Geburt in Reichenbach im Vogtland begann, nicht nur unter dem Signum des SED-Staates, in dessen Staatspartei Dathe übrigens nie eintrat, beschrieben wird. Daß die Karriere Dathes trotz der Zeitenwirren so geradlinig wirkt, scheint mit seinem Kommunikationstalent zusammenzuhängen. Immer bereit, den darin etwas weniger Begabten im richtigen Moment helfend zur Hand zu gehen, haben die Episoden aus dem Zweiten Weltkrieg aus der Gegend um Verona schon komische Züge, ohne daß allerdings jemals das Gefühl aufkommt, er wolle den Schrecken und das Grauen verdecken.
Wie er einem ungnädigen schreibunfähigen Vorgesetzten das Recht abluchst, einen anklagenden Bericht über sich doch lieber selbst zu schreiben, hat was. Vor allem wenn man dazu noch Dathes Dialekt im Ohr hat. Andere Beschreibungen haben durchaus Ernst-Jüngersche Züge. Wenn er etwa an der Etsch in der Abenddämmerung Fledermäuse beobachtet, die erfolgreich von Turmfalken gejagt werden, wird alles haargenau notiert und nach dem Krieg veröffentlicht. Das tröstet ihn dann auch darüber hinweg, daß ihm abends wenige Tage vor Kriegsende ein Hauptmann eine Geschichte von Hermann Löns vorliest. Naturkundliche Beobachtungen schreibt Dathe seit seinem vierzehnten Lebensjahr auf. Das kann er, darin ist er geübt, und darauf zieht er sich irgendwie auch stur immer wieder zurück. So gelingt es ihm auch, seinen Vater, der von Pflanzen und Tieren nicht viel versteht und lieber gehabt hätte, daß er Jurist wird, davon zu überzeugen, Zoologie und Botanik studieren zu dürfen.
Sonntagsgespräche
Als er sich 1930 an der Universität Leipzig einschreibt, spielt er kurz mit dem Gedanken, in eine studentische Korporation einzutreten. An den Wänden des feudalen Jagdkorps Hubertus sind allerdings alle aufgehängten ausgestopften Vögel falsch bestimmt. Das ärgert ihn und wird ihn sein Leben lang ärgern. Tiere wird er auch später in den mehr als 1700 "Sonntagsgesprächen" im Berliner Rundfunk genau mit Art- oder Unterartnamen kennzeichnen. Einen Seehund in der Abstraktion als Robbe aufzuheben, geht ihm gegen den Strich. Genauso wie er im Tierpark von Anfang an darauf achten wird, die Arten in großzügigen Anlagen ihren Verhaltensansprüchen gemäß in die Landschaft zu komponieren. Und darin liegen seine bleibenden Verdienste: nicht nach Masse und Zahl Arten gesammelt zu haben und auf engstem Raum zusammenzupferchen, sondern sich auf wenige Formen zu beschränken und die artgerecht zu halten und zu erhalten.
Bei seinem Bestreben, Pflanzen und Tiere in ihrer natürlichen Zusammensetzung zu rekonstruieren, gelang ihm mit dem 1963 eröffneten Alfred-Brehm-Haus eine danach häufig kopierte bahnbrechenden Neuerung. Die hunderttausend Quadratmeter große Tropenhalle vereinigte die Vegetation eines Dschungels mit seiner Vogelwelt. Allein dafür gebührt ihm Ehre und Ruhm.
CORD RIECHELMANN
Heinrich Dathe: Lebenserinnerungen eines leidenschaftlichen Tiergärtners, Koehler & Amelang, München/Berlin 2001.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lebenserinnerungen: Heinrich Dathe, Direktor des Tierparks in Friedrichsfelde
Er habe leider oft genug miterleben müssen, wie sich Hunde, Dingos und Wölfe bis zur Kampfunfähigkeit, bis zum Tode des Gegners bekämpften. Die Beißhemmung bei Hundeartigen - vom Menschen konstruiert - habe sich eben nicht bis zu denen, die es angeht, herumgesprochen. Als Heinrich Dathe, der damalige Direktor des Tierparks in Berlin-Friedrichsfelde diesen Befund 1965 niederschrieb, setzte er sich damit konträr zu dem damals gültigen Lehrsatz der Verhaltensbiologie, Hunde aktivierten durch Demutsgesten bei überlegenen Artgenossen eine "angeborene Tötungshemmung". Dathes Beobachtungen trugen mit dazu bei, das Postulat einer universell gültigen Tötungshemmung unter Tieren der gleichen Art als Mythos zu entlarven. Seine Kritik änderte aber nichts an seiner Wertschätzung und Nähe zum Urheber der Tötungshemmungsthese. Dathe blieb Konrad Lorenz bis zuletzt in Verehrung verbunden, wovon die ihm 1990 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften verliehene Konrad-Lorenz-Medaille ein spätes Zeugnis ist.
In den kurzen Einleitungssätzen werden über den Inhalt hinaus auch einige Persönlichkeitsmerkmale Dathes deutlich. Er blieb bis zuletzt, obwohl durch Funk und Fernsehen längst berühmt geworden und als unermüdlicher Werber seines Projekts, des Tierparks, unterwegs, ein leidenschaftlicher Zoologe und Tierpsychologe, der das wissenschaftliche Studium des Tierverhaltens nie aufgab. Er blieb in seiner Kritik immer moderat, hielt an Freundschaften fest und jonglierte gekonnt zwischen mächtigeren Konstellationen, ohne in den Geruch des Machiavellismus zu geraten.
Kommunikationstalent
In seinen jetzt erschienenen "Lebenserinnerungen eines leidenschaftlichen Tiergärtners" wird man die oben erwähnte Kontroverse allerdings vergeblich suchen. Sie enden kurz nach der Eröffnung des Tierparks 1955. Die Herausgeber des Bandes, seine Tochter Almuth Fuchs und seine beiden Söhne Falk und Holger H. Dathe, begründen denn auch das späte Erscheinen der Erinnerungen mit dem Fehlen einer ausführlichen Beschreibung der Tierparkjahre ihres Vaters. Dathe sei so eng mit der Geschichte dieser Institution verbunden, daß der Leser zu Recht erwarten könne, über diese Zeit informiert zu werden. Daß man sich jetzt, mehr als zehn Jahre nach seinem Todestag am 6. Januar 1991, doch zur Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen entschlossen habe, sei einerseits auf das anhaltende Interesse an Dathes Person zurückzuführen. Zum anderen wolle man ihn noch einmal zu Worte kommen lassen, um sein Lebenswerk nicht in den vordergründigen Berichten zu seiner Person über das "Elend des Professors Dathe" verrauchen zu lassen, die über seine Entlassung nach der Wende erschienen sind.
Man hatte dem achtzigjährigen Dathe 1990 nach der westlichen Übernahme des Tierparks das Wohnrecht in seiner Dienstwohnung auf dem Gelände entzogen. Daß nach der unwürdigen Schlüsselübergabe die Popularität des alten Mannes im Osten nur stieg, ist gerecht und wird seinen Erinnerungen viele Leser bescheren. Denn die Sorge der Herausgeber, das Buch möge unvollständig erscheinen, ist unberechtigt. Es ist ein herausragendes Zeitdokument, und man kann es auch als Erleichterung empfinden, daß eine Biographie, die am 7. November 1910 mit der Geburt in Reichenbach im Vogtland begann, nicht nur unter dem Signum des SED-Staates, in dessen Staatspartei Dathe übrigens nie eintrat, beschrieben wird. Daß die Karriere Dathes trotz der Zeitenwirren so geradlinig wirkt, scheint mit seinem Kommunikationstalent zusammenzuhängen. Immer bereit, den darin etwas weniger Begabten im richtigen Moment helfend zur Hand zu gehen, haben die Episoden aus dem Zweiten Weltkrieg aus der Gegend um Verona schon komische Züge, ohne daß allerdings jemals das Gefühl aufkommt, er wolle den Schrecken und das Grauen verdecken.
Wie er einem ungnädigen schreibunfähigen Vorgesetzten das Recht abluchst, einen anklagenden Bericht über sich doch lieber selbst zu schreiben, hat was. Vor allem wenn man dazu noch Dathes Dialekt im Ohr hat. Andere Beschreibungen haben durchaus Ernst-Jüngersche Züge. Wenn er etwa an der Etsch in der Abenddämmerung Fledermäuse beobachtet, die erfolgreich von Turmfalken gejagt werden, wird alles haargenau notiert und nach dem Krieg veröffentlicht. Das tröstet ihn dann auch darüber hinweg, daß ihm abends wenige Tage vor Kriegsende ein Hauptmann eine Geschichte von Hermann Löns vorliest. Naturkundliche Beobachtungen schreibt Dathe seit seinem vierzehnten Lebensjahr auf. Das kann er, darin ist er geübt, und darauf zieht er sich irgendwie auch stur immer wieder zurück. So gelingt es ihm auch, seinen Vater, der von Pflanzen und Tieren nicht viel versteht und lieber gehabt hätte, daß er Jurist wird, davon zu überzeugen, Zoologie und Botanik studieren zu dürfen.
Sonntagsgespräche
Als er sich 1930 an der Universität Leipzig einschreibt, spielt er kurz mit dem Gedanken, in eine studentische Korporation einzutreten. An den Wänden des feudalen Jagdkorps Hubertus sind allerdings alle aufgehängten ausgestopften Vögel falsch bestimmt. Das ärgert ihn und wird ihn sein Leben lang ärgern. Tiere wird er auch später in den mehr als 1700 "Sonntagsgesprächen" im Berliner Rundfunk genau mit Art- oder Unterartnamen kennzeichnen. Einen Seehund in der Abstraktion als Robbe aufzuheben, geht ihm gegen den Strich. Genauso wie er im Tierpark von Anfang an darauf achten wird, die Arten in großzügigen Anlagen ihren Verhaltensansprüchen gemäß in die Landschaft zu komponieren. Und darin liegen seine bleibenden Verdienste: nicht nach Masse und Zahl Arten gesammelt zu haben und auf engstem Raum zusammenzupferchen, sondern sich auf wenige Formen zu beschränken und die artgerecht zu halten und zu erhalten.
Bei seinem Bestreben, Pflanzen und Tiere in ihrer natürlichen Zusammensetzung zu rekonstruieren, gelang ihm mit dem 1963 eröffneten Alfred-Brehm-Haus eine danach häufig kopierte bahnbrechenden Neuerung. Die hunderttausend Quadratmeter große Tropenhalle vereinigte die Vegetation eines Dschungels mit seiner Vogelwelt. Allein dafür gebührt ihm Ehre und Ruhm.
CORD RIECHELMANN
Heinrich Dathe: Lebenserinnerungen eines leidenschaftlichen Tiergärtners, Koehler & Amelang, München/Berlin 2001.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main