Das Aussteigerleben am Mittelmeer ist für viele ein Lebenstraum. Auch für Peter und Robby. Ihr Ziel ist eine Wohnung im legendären Grandhotel Negresco in Nizza. Aber das kriminelle Potential des einen wird zum Schicksal des anderen.
Klaus Barski zeigt auf sehr unterhaltsame Weise, welche Wege von Frankfurt an die Côte d'Azur führen, und was Kinderbücher, Kirche und Kriminelle damit zu tun haben.
Klaus Barski zeigt auf sehr unterhaltsame Weise, welche Wege von Frankfurt an die Côte d'Azur führen, und was Kinderbücher, Kirche und Kriminelle damit zu tun haben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2004Ein Fürstentum für ein Buch
Der Millionär Klaus Barski feiert sich und seinen neuen Roman in Monaco mit Prinzessinnen und Baronessen
Sagen Sie nicht "Ja". Sie dürfen auf gar keinen Fall "Ja" sagen. Sonst sind Sie drin. In der Barski-Maschine. Im Erzählrausch. Im Schaumschläger-Universum. In Barskis Geschichte. Da kommen Sie nicht mehr raus. Am Anfang ist nur ein einfacher Anruf. "Geben Sie mir vier Minuten", wird er sagen. Atemlos mit alter Stimme. Und wenn Sie dann antworten: "Also gut, vier Minuten, aber keine Sekunde länger", dann ist es eben passiert. Barski erzählt. Und er hört nicht mehr auf.
Von der Kindheit als armer Schlucker in Bremen erzählt er, vom alten Nazivater, von der Flucht als Söldner nach Kongo, von den Millionen, die er danach mit Immobilienspekulationen in Frankfurt machte, seinen großen Tagen auf Ibiza, dem Drogenhafen in Florida, den er kaufte und so richtig aufräumte, wie er dann fast deutscher Konsul geworden wäre in Florida, sein Absturz mit dem riesigen Hotel ohne Gäste, seine Rolls-Royce-Limousinen und -Cabrios mit Nummernschildern wie "German 1", die Rückkehr dann nach Deutschland, die phantastische Villa in Königstein im Taunus mit großem Park und kleinem Bach, die Wohnung in Cannes, das Leben als sehr, sehr reicher Mann.
Club der Millionäre
An Unterbrechen ist nicht zu denken. Man müßte einfach auflegen, mitten im Redefluß. Das tut man natürlich nicht. Und so sind die vier Minuten lange vorbei, als er endlich zu der Sache mit den Büchern kommt. Daß er schreibt, daß er das alles aufschreibt in bislang vier Romanen, daß er mit der deutschen Gegenwartsliteratur mal aufräumen möchte. Daß er das Leben aufschreibt und gar nicht schlecht, und jetzt gerade, so ein Zufall, erscheint sein neuer Roman, und der ist sein bester, und er heißt "Lebenslänglich Côte d'Azur" und erzählt vom Millionärsleben an der Côte d'Azur. Und das müsse ich jetzt also unbedingt lesen.
Okay.
Als ich ihn auf der Frankfurter Buchmesse treffe, trinkt er Wein aus einem goldenen Becher und liest vor fünf, sechs Damen aus seinem neuen Buch. Nach der Lesung drückt er mir eine Tüte mit all seinen Büchern in die Hand und Fotos, die ihn mit seinem Rolls-Royce ("mein Rolly", sagt Barski) zeigen und mit seinem "Lieblings-Verbrecher" Burkhard Driest. Auch hier redet Barski unaufhörlich, wieder von Kongo, vom Geld und seinen Büchern. Und davon, daß er die offizielle Präsentation seines neuen Buches in Monaco feiern möchte. Prinz Albert komme wahrscheinlich auch. Und alle reichen Größen der Côte. Das wird Wahnsinn.
Ein paar Tage später ruft er wieder an: "Monaco klappt! Das wird ganz, ganz groß. Alle kommen. Prinzen, Prinzessinnen, Millionäre und Barone. Und lauter bunte Vögel." Die Lesung sei im prachtvollen Teppichladen seines Freundes "Mogi", dem Hoflieferanten des Fürstenhauses. Mit Champagner und allem. "Sie müssen kommen", sagt er. "Ich zahle alles. Flug. Übernachtung im Hotel Negresco in Nizza. Alles." Ich erkläre ihm ruhig, daß das ausgeschlossen ist und ich mich selbstverständlich nicht einladen lassen kann von einem Autor, der sein Buch vorstellen möchte. "Natürlich können Sie! Was glauben Sie, was Sie sonst verpassen!"
Eine Woche später sitzt Klaus Barski auf einer Bank im Flughafen von Nizza und begrüßt mich herzlich. Zunächst geht es im schwarzen Miet-Mercedes (der "Rolly" ist leider im Taunus geblieben) zum herrschaftlichen Hotel Negresco, das in seinem neuen Roman eine zentrale Rolle spielt, und weil es auch auf dem Titelbild abgebildet ist, hat der literaturfreundliche Direktor dem unbekannten Autor einen Rabatt von achtzig Prozent auf die angemieteten Zimmer gegeben, erzählt Barski stolz.
Die Zimmer sind prachtvoll rüschig mit traumhaftem Blick über die Côte d'Azur, das Meer und einen kleinen grünen Park. Die Badewanne ist aus Glitzergold, die Toilettenschüssel auch. Ohne Schriftstellerrabatt kostet hier eine Nacht 510 Euro.
Bis zur Buchvorstellung ist noch Zeit. Klaus Barski läßt sich von einem gleichfalls angereisten Mitarbeiter eines privaten hessischen Fernsehsenders im ganzen Hotel filmen. Auf dem Hotelbett, auf dem Balkon, im Entrée, später auch am Strand, dann in Monaco vor dem Hôtel de Paris, dem teuersten Hotel an der Côte. Er läßt sich im schwarzen Mercedes vorfahren, steigt aus und wieder ein und wieder aus. Klaus Barski hat alle gewünschten Einstellungen schon genau im Kopf. Der Mann mit der Kamera folgt ihm gerne. Klaus Barski posiert, lächelt, legt sich, stellt sich in jede Position.
Wer ist dieser Mann?
Klaus Barski ist einundsechzig Jahre alt, sieht etwas älter aus und müde. Er trägt grauen Anzug, schwarzes Hemd und ein Seidentüchlein um den Hals. Seine Frau, mit der er seit vierzig Jahren verheiratet ist, trägt auch ein Seidentüchlein. Sie ist Amerikanerin und sagt fast nichts. Und wenn, dann nur sehr leise. Barski hatte zur Begrüßung am Flughafen zu mir gesagt: Viel Zeit habe ich nicht mehr. Ich brauche für ein Buch fast drei Jahre. Mehr als drei oder vier werden es nicht mehr werden. Der Erfolg muß jetzt kommen.
Seine Bücher sind Aufsteigergeschichten. Und Aufschneidergeschichten. Aus dem Leben. Aus Barskis Leben. Es geht immer um Geld. Und was man sich davon kaufen kann. Sein erster Roman "Der Frankfurter Spekulant" beginnt so: "Wenn ich mit meinem Rolls Royce beim Colonial Paradise Club vorfahre, denken nicht nur die staunenden Touristen: ,Da kommt der King!' Mit einem gutmütigen Grinsen grüße ich die uniformierten Wachmänner, die die Spreu vom Weizen trennen, die In-Leute von den Armleuchtern."
Die Sehnsucht, zu jenen In-Leuten zu gehören, steckt in jedem Barski-Buch. Und in jeder Barski-Geste. In den unendlich sprudelnden Barski-Worten des Arbeitersohnes. "Ich gehöre dazu, und ich trage, wie alle anderen am linken Handgelenk, meine diamantbesetzte Rolex", schreibt er an anderer Stelle.
Klaus Barski wird langsam etwas nervös. Er weiß nicht, wer an diesem Abend, an diesem großen Barski-Abend kommen wird. Das Wetter ist schlecht. Barski schimpft schon die ganze Zeit darüber, da er eigentlich schön weltmännisch, leger im Cabrio die Küste entlangfahren wollte. Doch es regnet unaufhörlich, und es heißt, in Monaco gingen die Leute bei Regen nicht auf die Straße, denn die Bürgersteige seien dann glatt wie Rutschbahnen.
Im Schaufenster von Centre de Tapis Moghadam leuchtet ein goldenes Schild, das den Teppichhändler tatsächlich als offiziellen Teppichlieferanten des Fürstenhauses ausweist. Prachtvolle Teppiche stapeln sich überall, das teuerste Stück hier kostet eine Million Euro. Moghadam kommt aus Hanau und kennt Barski schon seit vierzig Jahren. Er jobbte damals bei der Lufthansa und lernte den Piloten von Bundeskanzler Adenauer kennen. Dem gab er schon früh auf Adenauers Staatsbesuche eine Kollektion seiner Teppiche mit, der verkaufte sie vor Ort, die beiden machten halbe-halbe, und so legte "Mogi", wie Barski ihn nennt, den Grundstein seines heute angeblich erstaunlichen Vermögens. Mogi hat auch die Gäste für heute abend eingeladen. Wen? Das bleibt sein Geheimnis. Barski geht nervös auf und ab. Drapiert den Lesetisch in der Mitte des Teppichraumes. Mogi öffnet die erste Flasche Champagner. Es gibt Chips und Nüßchen aus silbernen Schalen.
Langsam kommen die ersten Gäste. Eine blonde, mittfünfzigjährige Dame in Rosa mit rheinischem Akzent setzt sich etwas unsicher auf den Teppichstapel. Sie ist gestern von Moghadams Frau auf der Straße eingeladen worden und weiß gar nicht, wer der Herr ist, der da lesen soll, und worum es so geht. Sie wirkt etwas unsicher. Vor allem, als eine außerordentlich stattliche, schlanke, geliftete Dame im schwarzen Kleid mit Goldschmuck sich neben sie setzt und das Gespräch beginnt mit einem lockeren: "Was hat Sie nach Monaco getrieben? Auch die Steuer?" Und die rosa Dame antwortet: "Ich kann es einfach nicht ertragen, daß in Deutschland nur über Geld geredet wird. Alle wollen wissen, woher man sein Geld hat. Schauderhaft." Beide sind geschieden, das wissen sie auch gleich voneinander. Die Dame in Schwarz hat allerdings Aussicht auf einen neuen Ehemann, erklärt sie. Mit Wohnsitz in New York und London. Das sei ihr sehr angenehm.
Sie trinken Champagner, plaudern über Geld und deutsche Clubs und Festlichkeiten, und irgendwann beginnt Klaus Barski zu lesen. Er liest engagiert und schnell und laut und aus dem Leben. Aus diesem Leben. Vom Leben am Strand und ohne Geld zuerst, dem Traum vom Negresco und dem Willen zum Aufstieg. Er liest von welkenden, reichen, geschiedenen Damen, die ihn verführen wollen, den jungen, mittellosen Besucher am Strand von Nizza. Er deutet dabei gefährlich direkt auf die Damen auf den Teppichstapeln, die sich aber zu amüsieren scheinen.
Irgendwann öffnet sich die Tür des Teppichgeschäftes, und der Prinz und die Prinzessin Polignac kommen herein, direkte Verwandte des Fürstenhauses, und sie bringen die Baronesse Brandstetter mit. Sie küssen sich mit dem Teppichhändler und seiner Frau mitten im Raum, direkt vor dem Pult des lesenden Barski. Kurz darauf ist Pause, und Mogi sagt zur Baronesse, die etwas derangiert wirkt, aber ein protzendes Perlengehänge um den Hals trägt, "Du siehst phantastisch aus" und starrt dabei auf jenes Gehänge, das er sorgsam in der Hand prüft. Die Baronesse entgegnet ärgerlich: "Wenn ich deinen Schlips anstarren würde und sagte: Du siehst heute wieder phantastisch aus, Mogi, das wäre doch auch eine Frechheit, oder?"
Damen der Gesellschaft
Mogi wird kleinlaut. Das Vermögen der Baronesse wird hier auf 500 Millionen Euro geschätzt. Sie hat vor kurzem einen autobiographischen Roman veröffentlicht, in dem sie ihren Aufstieg durch schlaues Heiraten von Hitlers Chauffeurstochter zur Multimillionärin beschreibt, weiß Mogis Sohn zu berichten. "Ein tolles Buch!" Ein Herr aus der Schweiz stellt sich mir als Geschäftsvermittler vor. Er sei der reichste Mann von Luzern gewesen, was ein leichtes war, erzählt er. Jetzt suche er neue Herausforderungen in Monaco. Er verachte die Gesellschaft hier, sagt er. Und die Gesellschaft verachte ihn. Monaco sei das einzige westeuropäische Land, in dem Pressezensur herrsche, raunt er mir zu. Aber für seine Branche seien die weltweit verbreiteten Fürstenmärchen ideale, unbezahlte PR.
Barski steht zwischen all diesen Menschen etwas verlassen herum. Seine Frau hat Party-Spieße mit Weißbrot und Garnelen vorbereitet, die die Gäste größtenteils verschmähen. Er liest nach der Pause noch etwas weiter, verschenkt danach alle Bücher, die er mitgebracht hat, signiert und trinkt aus seinem goldenen Becher. Die rosa Dame ist schon nach der Pause gegangen. Ihr waren viele Worte im Buch zu anzüglich. Der Schweizer hat in der vorgelesenen Passage "sechzehn Fehler" gefunden.
Die Gäste gehen. Es regnet noch immer. Die Wege sind glatt. Das Teppichgeschäft leuchtet hell. Wir fahren zurück nach Nizza. Ins Negresco. In die Nacht.
VOLKER WEIDERMANN
Klaus Barski: "Lebenslänglich Côte d'Azur". Éditions trèves, 2004. 308 Seiten, 12,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Millionär Klaus Barski feiert sich und seinen neuen Roman in Monaco mit Prinzessinnen und Baronessen
Sagen Sie nicht "Ja". Sie dürfen auf gar keinen Fall "Ja" sagen. Sonst sind Sie drin. In der Barski-Maschine. Im Erzählrausch. Im Schaumschläger-Universum. In Barskis Geschichte. Da kommen Sie nicht mehr raus. Am Anfang ist nur ein einfacher Anruf. "Geben Sie mir vier Minuten", wird er sagen. Atemlos mit alter Stimme. Und wenn Sie dann antworten: "Also gut, vier Minuten, aber keine Sekunde länger", dann ist es eben passiert. Barski erzählt. Und er hört nicht mehr auf.
Von der Kindheit als armer Schlucker in Bremen erzählt er, vom alten Nazivater, von der Flucht als Söldner nach Kongo, von den Millionen, die er danach mit Immobilienspekulationen in Frankfurt machte, seinen großen Tagen auf Ibiza, dem Drogenhafen in Florida, den er kaufte und so richtig aufräumte, wie er dann fast deutscher Konsul geworden wäre in Florida, sein Absturz mit dem riesigen Hotel ohne Gäste, seine Rolls-Royce-Limousinen und -Cabrios mit Nummernschildern wie "German 1", die Rückkehr dann nach Deutschland, die phantastische Villa in Königstein im Taunus mit großem Park und kleinem Bach, die Wohnung in Cannes, das Leben als sehr, sehr reicher Mann.
Club der Millionäre
An Unterbrechen ist nicht zu denken. Man müßte einfach auflegen, mitten im Redefluß. Das tut man natürlich nicht. Und so sind die vier Minuten lange vorbei, als er endlich zu der Sache mit den Büchern kommt. Daß er schreibt, daß er das alles aufschreibt in bislang vier Romanen, daß er mit der deutschen Gegenwartsliteratur mal aufräumen möchte. Daß er das Leben aufschreibt und gar nicht schlecht, und jetzt gerade, so ein Zufall, erscheint sein neuer Roman, und der ist sein bester, und er heißt "Lebenslänglich Côte d'Azur" und erzählt vom Millionärsleben an der Côte d'Azur. Und das müsse ich jetzt also unbedingt lesen.
Okay.
Als ich ihn auf der Frankfurter Buchmesse treffe, trinkt er Wein aus einem goldenen Becher und liest vor fünf, sechs Damen aus seinem neuen Buch. Nach der Lesung drückt er mir eine Tüte mit all seinen Büchern in die Hand und Fotos, die ihn mit seinem Rolls-Royce ("mein Rolly", sagt Barski) zeigen und mit seinem "Lieblings-Verbrecher" Burkhard Driest. Auch hier redet Barski unaufhörlich, wieder von Kongo, vom Geld und seinen Büchern. Und davon, daß er die offizielle Präsentation seines neuen Buches in Monaco feiern möchte. Prinz Albert komme wahrscheinlich auch. Und alle reichen Größen der Côte. Das wird Wahnsinn.
Ein paar Tage später ruft er wieder an: "Monaco klappt! Das wird ganz, ganz groß. Alle kommen. Prinzen, Prinzessinnen, Millionäre und Barone. Und lauter bunte Vögel." Die Lesung sei im prachtvollen Teppichladen seines Freundes "Mogi", dem Hoflieferanten des Fürstenhauses. Mit Champagner und allem. "Sie müssen kommen", sagt er. "Ich zahle alles. Flug. Übernachtung im Hotel Negresco in Nizza. Alles." Ich erkläre ihm ruhig, daß das ausgeschlossen ist und ich mich selbstverständlich nicht einladen lassen kann von einem Autor, der sein Buch vorstellen möchte. "Natürlich können Sie! Was glauben Sie, was Sie sonst verpassen!"
Eine Woche später sitzt Klaus Barski auf einer Bank im Flughafen von Nizza und begrüßt mich herzlich. Zunächst geht es im schwarzen Miet-Mercedes (der "Rolly" ist leider im Taunus geblieben) zum herrschaftlichen Hotel Negresco, das in seinem neuen Roman eine zentrale Rolle spielt, und weil es auch auf dem Titelbild abgebildet ist, hat der literaturfreundliche Direktor dem unbekannten Autor einen Rabatt von achtzig Prozent auf die angemieteten Zimmer gegeben, erzählt Barski stolz.
Die Zimmer sind prachtvoll rüschig mit traumhaftem Blick über die Côte d'Azur, das Meer und einen kleinen grünen Park. Die Badewanne ist aus Glitzergold, die Toilettenschüssel auch. Ohne Schriftstellerrabatt kostet hier eine Nacht 510 Euro.
Bis zur Buchvorstellung ist noch Zeit. Klaus Barski läßt sich von einem gleichfalls angereisten Mitarbeiter eines privaten hessischen Fernsehsenders im ganzen Hotel filmen. Auf dem Hotelbett, auf dem Balkon, im Entrée, später auch am Strand, dann in Monaco vor dem Hôtel de Paris, dem teuersten Hotel an der Côte. Er läßt sich im schwarzen Mercedes vorfahren, steigt aus und wieder ein und wieder aus. Klaus Barski hat alle gewünschten Einstellungen schon genau im Kopf. Der Mann mit der Kamera folgt ihm gerne. Klaus Barski posiert, lächelt, legt sich, stellt sich in jede Position.
Wer ist dieser Mann?
Klaus Barski ist einundsechzig Jahre alt, sieht etwas älter aus und müde. Er trägt grauen Anzug, schwarzes Hemd und ein Seidentüchlein um den Hals. Seine Frau, mit der er seit vierzig Jahren verheiratet ist, trägt auch ein Seidentüchlein. Sie ist Amerikanerin und sagt fast nichts. Und wenn, dann nur sehr leise. Barski hatte zur Begrüßung am Flughafen zu mir gesagt: Viel Zeit habe ich nicht mehr. Ich brauche für ein Buch fast drei Jahre. Mehr als drei oder vier werden es nicht mehr werden. Der Erfolg muß jetzt kommen.
Seine Bücher sind Aufsteigergeschichten. Und Aufschneidergeschichten. Aus dem Leben. Aus Barskis Leben. Es geht immer um Geld. Und was man sich davon kaufen kann. Sein erster Roman "Der Frankfurter Spekulant" beginnt so: "Wenn ich mit meinem Rolls Royce beim Colonial Paradise Club vorfahre, denken nicht nur die staunenden Touristen: ,Da kommt der King!' Mit einem gutmütigen Grinsen grüße ich die uniformierten Wachmänner, die die Spreu vom Weizen trennen, die In-Leute von den Armleuchtern."
Die Sehnsucht, zu jenen In-Leuten zu gehören, steckt in jedem Barski-Buch. Und in jeder Barski-Geste. In den unendlich sprudelnden Barski-Worten des Arbeitersohnes. "Ich gehöre dazu, und ich trage, wie alle anderen am linken Handgelenk, meine diamantbesetzte Rolex", schreibt er an anderer Stelle.
Klaus Barski wird langsam etwas nervös. Er weiß nicht, wer an diesem Abend, an diesem großen Barski-Abend kommen wird. Das Wetter ist schlecht. Barski schimpft schon die ganze Zeit darüber, da er eigentlich schön weltmännisch, leger im Cabrio die Küste entlangfahren wollte. Doch es regnet unaufhörlich, und es heißt, in Monaco gingen die Leute bei Regen nicht auf die Straße, denn die Bürgersteige seien dann glatt wie Rutschbahnen.
Im Schaufenster von Centre de Tapis Moghadam leuchtet ein goldenes Schild, das den Teppichhändler tatsächlich als offiziellen Teppichlieferanten des Fürstenhauses ausweist. Prachtvolle Teppiche stapeln sich überall, das teuerste Stück hier kostet eine Million Euro. Moghadam kommt aus Hanau und kennt Barski schon seit vierzig Jahren. Er jobbte damals bei der Lufthansa und lernte den Piloten von Bundeskanzler Adenauer kennen. Dem gab er schon früh auf Adenauers Staatsbesuche eine Kollektion seiner Teppiche mit, der verkaufte sie vor Ort, die beiden machten halbe-halbe, und so legte "Mogi", wie Barski ihn nennt, den Grundstein seines heute angeblich erstaunlichen Vermögens. Mogi hat auch die Gäste für heute abend eingeladen. Wen? Das bleibt sein Geheimnis. Barski geht nervös auf und ab. Drapiert den Lesetisch in der Mitte des Teppichraumes. Mogi öffnet die erste Flasche Champagner. Es gibt Chips und Nüßchen aus silbernen Schalen.
Langsam kommen die ersten Gäste. Eine blonde, mittfünfzigjährige Dame in Rosa mit rheinischem Akzent setzt sich etwas unsicher auf den Teppichstapel. Sie ist gestern von Moghadams Frau auf der Straße eingeladen worden und weiß gar nicht, wer der Herr ist, der da lesen soll, und worum es so geht. Sie wirkt etwas unsicher. Vor allem, als eine außerordentlich stattliche, schlanke, geliftete Dame im schwarzen Kleid mit Goldschmuck sich neben sie setzt und das Gespräch beginnt mit einem lockeren: "Was hat Sie nach Monaco getrieben? Auch die Steuer?" Und die rosa Dame antwortet: "Ich kann es einfach nicht ertragen, daß in Deutschland nur über Geld geredet wird. Alle wollen wissen, woher man sein Geld hat. Schauderhaft." Beide sind geschieden, das wissen sie auch gleich voneinander. Die Dame in Schwarz hat allerdings Aussicht auf einen neuen Ehemann, erklärt sie. Mit Wohnsitz in New York und London. Das sei ihr sehr angenehm.
Sie trinken Champagner, plaudern über Geld und deutsche Clubs und Festlichkeiten, und irgendwann beginnt Klaus Barski zu lesen. Er liest engagiert und schnell und laut und aus dem Leben. Aus diesem Leben. Vom Leben am Strand und ohne Geld zuerst, dem Traum vom Negresco und dem Willen zum Aufstieg. Er liest von welkenden, reichen, geschiedenen Damen, die ihn verführen wollen, den jungen, mittellosen Besucher am Strand von Nizza. Er deutet dabei gefährlich direkt auf die Damen auf den Teppichstapeln, die sich aber zu amüsieren scheinen.
Irgendwann öffnet sich die Tür des Teppichgeschäftes, und der Prinz und die Prinzessin Polignac kommen herein, direkte Verwandte des Fürstenhauses, und sie bringen die Baronesse Brandstetter mit. Sie küssen sich mit dem Teppichhändler und seiner Frau mitten im Raum, direkt vor dem Pult des lesenden Barski. Kurz darauf ist Pause, und Mogi sagt zur Baronesse, die etwas derangiert wirkt, aber ein protzendes Perlengehänge um den Hals trägt, "Du siehst phantastisch aus" und starrt dabei auf jenes Gehänge, das er sorgsam in der Hand prüft. Die Baronesse entgegnet ärgerlich: "Wenn ich deinen Schlips anstarren würde und sagte: Du siehst heute wieder phantastisch aus, Mogi, das wäre doch auch eine Frechheit, oder?"
Damen der Gesellschaft
Mogi wird kleinlaut. Das Vermögen der Baronesse wird hier auf 500 Millionen Euro geschätzt. Sie hat vor kurzem einen autobiographischen Roman veröffentlicht, in dem sie ihren Aufstieg durch schlaues Heiraten von Hitlers Chauffeurstochter zur Multimillionärin beschreibt, weiß Mogis Sohn zu berichten. "Ein tolles Buch!" Ein Herr aus der Schweiz stellt sich mir als Geschäftsvermittler vor. Er sei der reichste Mann von Luzern gewesen, was ein leichtes war, erzählt er. Jetzt suche er neue Herausforderungen in Monaco. Er verachte die Gesellschaft hier, sagt er. Und die Gesellschaft verachte ihn. Monaco sei das einzige westeuropäische Land, in dem Pressezensur herrsche, raunt er mir zu. Aber für seine Branche seien die weltweit verbreiteten Fürstenmärchen ideale, unbezahlte PR.
Barski steht zwischen all diesen Menschen etwas verlassen herum. Seine Frau hat Party-Spieße mit Weißbrot und Garnelen vorbereitet, die die Gäste größtenteils verschmähen. Er liest nach der Pause noch etwas weiter, verschenkt danach alle Bücher, die er mitgebracht hat, signiert und trinkt aus seinem goldenen Becher. Die rosa Dame ist schon nach der Pause gegangen. Ihr waren viele Worte im Buch zu anzüglich. Der Schweizer hat in der vorgelesenen Passage "sechzehn Fehler" gefunden.
Die Gäste gehen. Es regnet noch immer. Die Wege sind glatt. Das Teppichgeschäft leuchtet hell. Wir fahren zurück nach Nizza. Ins Negresco. In die Nacht.
VOLKER WEIDERMANN
Klaus Barski: "Lebenslänglich Côte d'Azur". Éditions trèves, 2004. 308 Seiten, 12,80 Euro.
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