Die Ärztin Inga Götth erfährt, dass ihr Mann sie betrügt. Um sich von diesem Schock zu erholen, flüchtet sie in eine nahe gelegene Therme. An diesem Tag zerstört ein Erdrutsch die Therme und das angrenzende Wellness-Hotel. Mit allen anderen, die bei der Katastrophe anwesend waren, findet sich Inga in einer Art Zwischenwelt wieder, aus der es kein Entkommen gibt. Was tun? Die Fitnesstrainer und Anti-Aging-Spezialisten empfehlen: Sport und gesunde Ernährung. Also trainieren sie hart, walken Nordic und essen Müsli, doch nichts ändert sich. Als ein Ernährungswissenschaftler mit besonders ungesunden kulinarischen Vorlieben das auszusprechen wagt, schlägt ihm blanker Hass entgegen. Nur Inga fühlt, dass er mehr verstanden hat als alle anderen. Erfrischend unbekümmert erhebt Britta Mühlbauer den Arztroman zur literarischen Gattung und beschert uns eine Satire über Gesundheitswahn und Jugendkult und eine melancholische Liebesgeschichte mit ungewissem Ausgang.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2008Konfektionsgrößen
Inga Götth ist Allgemeinmedizinerin im österreichischen Kurstädtchen Purrgau. Sie trägt Konfektionsgröße 42 und einen Ehering, der sich nach all den Jahren markant "ins Fleisch" gegraben hat, bis ihr Gefährte mit einer Jüngeren durchbrennt und Inga Erstkontakt mit dem Fitnessraum sucht. "Sie wollte schwitzen, sie wollte leiden und Schmerzen fühlen." Was danach geschieht, wird auf den folgenden dreihundertfünfzig Seiten nicht ganz klar. Ein Erdrutsch hat die örtliche Therme verschüttet. Erst ist es menschenleer, dann kommen Besucher aus allen Winkeln, um unter der Fuchtel eines wahnsinnigen Präventivmediziners ihr "Körperstammfett" loszuwerden. "Plaques, Gefäßverschluss, am Ende steht der Infarkt": nicht mit Doktor Monst. Der Anti-Aging-Guru ist Chefideologe einer obskuren Zwischenwelt. Seine Patienten nehmen weder ab noch zu, Wunden verheilen nicht, und Tote naschen heimlich am Rohkostbuffet. Weder im Alltag noch im Roman selbst scheint sich etwas zu entwickeln. Bis der beratungsresistente Gottfried die Wellnessgäste mit den Rauchringen der Wahrheit konfrontiert: "Wir sind tot." Dramaturgisch sind die untoten Fitten eigentlich kein schlechter Einfall, doch muss man sich bis zu dieser Erkenntnis über so viele nicht zu Potte kommende Seiten quälen, dass am Ende vor allem eines hängenbleibt: "Salat entspricht ernährungsphysiologisch einem Papiertaschentuch. Gesund ist er nicht." (Britta Mühlbauer: "Lebenslänglich". Roman. Deuticke Verlag, Wien 2008. 413 S., geb., 21,50 [Euro].) teut
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Inga Götth ist Allgemeinmedizinerin im österreichischen Kurstädtchen Purrgau. Sie trägt Konfektionsgröße 42 und einen Ehering, der sich nach all den Jahren markant "ins Fleisch" gegraben hat, bis ihr Gefährte mit einer Jüngeren durchbrennt und Inga Erstkontakt mit dem Fitnessraum sucht. "Sie wollte schwitzen, sie wollte leiden und Schmerzen fühlen." Was danach geschieht, wird auf den folgenden dreihundertfünfzig Seiten nicht ganz klar. Ein Erdrutsch hat die örtliche Therme verschüttet. Erst ist es menschenleer, dann kommen Besucher aus allen Winkeln, um unter der Fuchtel eines wahnsinnigen Präventivmediziners ihr "Körperstammfett" loszuwerden. "Plaques, Gefäßverschluss, am Ende steht der Infarkt": nicht mit Doktor Monst. Der Anti-Aging-Guru ist Chefideologe einer obskuren Zwischenwelt. Seine Patienten nehmen weder ab noch zu, Wunden verheilen nicht, und Tote naschen heimlich am Rohkostbuffet. Weder im Alltag noch im Roman selbst scheint sich etwas zu entwickeln. Bis der beratungsresistente Gottfried die Wellnessgäste mit den Rauchringen der Wahrheit konfrontiert: "Wir sind tot." Dramaturgisch sind die untoten Fitten eigentlich kein schlechter Einfall, doch muss man sich bis zu dieser Erkenntnis über so viele nicht zu Potte kommende Seiten quälen, dass am Ende vor allem eines hängenbleibt: "Salat entspricht ernährungsphysiologisch einem Papiertaschentuch. Gesund ist er nicht." (Britta Mühlbauer: "Lebenslänglich". Roman. Deuticke Verlag, Wien 2008. 413 S., geb., 21,50 [Euro].) teut
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