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Produktdetails
  • Verlag: Societäts-Verlag
  • Seitenzahl: 799
  • Erscheinungstermin: Dezember 2006
  • Deutsch
  • Abmessung: 235mm x 165mm x 50mm
  • Gewicht: 1295g
  • ISBN-13: 9783797309631
  • ISBN-10: 3797309635
  • Artikelnr.: 14172775
Autorenporträt
Hilmar Hoffmann, geboren 1925, wurde bekannt als Kulturdezernent von Frankfurt. Seit 1990 ist Hilmar Hoffmann Präsident des Goethe-Instituts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.11.2006

Kulturverteidigung
Schriften und Aufsätze von 1957 bis heute: Hilmar Hoffmann legt einen dicken Band vor

Am Anfang flogen die Tauben. Die Brieftauben. Die Rennpferde des kleinen Mannes. Hilmar Hoffmann hat einen seiner ersten Zeitschriftenartikel einer Freizeitbeschäftigung gewidmet, die im Ruhrgebiet mehr war als nur ein Hobby: eine Lebensform, eine Weltsicht, eine Kultur. 1959 war der Bericht über "Taubenzucht und Taubensport im Revier" im "Neuen Rheinland" erschienen. Später schrieb der damals hauptberuflich als Leiter der Volkshochschule in Oberhausen tätige Autor ein Buch zum Thema. Den ursprünglichen Beitrag, der zu einer weiterreichenden Auseinandersetzung mit dem liebsten Steckenpferd der Bergleute führte, habe er "in Vertretung von Heinrich Böll" verfaßt, erinnert sich Hoffmann: Der Schriftsteller habe keine rechte Lust gehabt, sich mit dem Kult um abgerichtete Vögel zu beschäftigen. Nun eröffnet Hoffmanns Text, der ohne Süffisanz und den bei solchen Sujets in gehobenen Medien heute üblichen Ironiezwang verfertigt wurde, einen gewichtigen Band: "Lebensprinzip Kultur" ist der Titel der knapp 800 Seiten umfassenden Auswahl von Essays, Vorträgen, Grundsatzbekundungen, die jetzt im Frankfurter Societäts-Verlag herausgekommen ist.

Aus etwa 2400 Aufsätzen hat Frankfurts früherer Kulturdezernent etwa zehn Prozent herausgefiltert, die er auch in der unmittelbaren Gegenwart für aussagekräftig hält. In 50 Kapitel sind die einst verstreuten Schriften nunmehr zusammengefaßt und belegen das breite Themenspektrum des Mannes, der wie kein zweiter für den kulturpolitischen Aufbruch in den siebziger und achtziger Jahren steht.

Frankfurt wurde unter Hoffmanns Führung zum Vorzeigemodell einer Kulturpolitik, die das Wohl der Stadtgesellschaft ebenso im Auge hat wie die Wirkung nach außen: "Kultur für alle" hieß das Buch, in dem er seine Vorstellungen von der Teilnahme breiter Schichten am kulturellen Leben dargelegt hat. Die jetzt vorliegende Textsammlung spiegelt die biographischen Stationen des Verfassers wider, der in Oberhausen mithalf, den "Jungen Deutschen Film" aus der Taufe zu heben, und der neun Jahre lang als Präsident des Goethe-Instituts gegen Schließungen und für eine Verbreiterung des inhaltlichen Angebots kämpfte. So nehmen die Kultur im Ruhrgebiet, die kulturelle Erneuerung Frankfurts, der Film, die auswärtige Kulturpolitik, aber auch die Erwachsenenbildung oder die Sprachpflege breiten Raum ein.

Bei der Präsentation des Buchs faßte der mittlerweile dritte Nachfolger Hoffmanns im Amt des für Kultur verantwortlichen Stadtrats, Felix Semmelroth, kongenial zusammen, "was für Hoffmann entscheidend ist und mehr denn je Gültigkeit besitzt": an der "alteuropäischen Idee der Bildungsfähigkeit des Menschen" festzuhalten. Das Motto "Kultur für alle" sei oft mißverstanden worden. Nie sei es darum gegangen, alles zu nivellieren und das Niveau zu senken. Vielmehr gehe es darum, den Zugang zu kulturellen Phänomen allen zu ermöglichen, die dafür offen sind. Hoffmanns Schriften wiesen ihn als einen Menschen der Praxis wie der Theorie aus. Immer sei er darauf bedacht, sein politisches Handeln theoretisch zu begründen. "Das ist in Frankfurt, der Stadt der Kritischen Theorie, auch nötig", ergänzte Hoffmann lachend. Als Kulturpolitiker müsse man parteiübergreifend arbeiten. "Und die Künstler brauchen jemanden in der Stadt, der ihre Freiräume verteidigt."

Auch daran, daß Kultur und Macht etwas miteinander zu tun haben, ließ er keine Zweifel: "Es ist notwendig, daß der Kulturdezernent für die gesamte Kultur verantwortlich ist. Und dazu gehören die Städtischen Bühnen und die Bibliotheken." Die Theater aber sind nach ihrer Rechtsformänderung eine GmbH mit Oberbürgermeisterin Petra Roth als Aufsichtsratsvorsitzender. Und die Büchereien gehören zum Aufgabenfeld der Bürgermeisterin Jutta Ebeling.

MICHAEL HIERHOLZER

Hilmar Hoffmann, "Lebensprinzip Kultur", Societäts-Verlag, Frankfurt 2006

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