Westdeutsche Provinz in den neunziger Jahren: Fertighäuser auf der einen, traditionelle Höfe auf der anderen Seite des Dorfes. Ein Sportplatz, eine Gastwirtschaft, ein Bäcker, eine Buswendeschleife. Und: ein Versicherungsbüro. Die Ich-Erzählerin in Kathrin Bachs Prosadebüt wird in eine Kaufmannsfamilie hineingeboren. Ihre Eltern führen fort, was die Großväter nach dem Krieg in die aufstrebenden Dörfer brachten: den Verkauf von Versicherungen. Mit dem Geschäft zieht bescheidener Wohlstand ein - aber auch eine über allem schwebende Angst. Denn die nächste Katastrophe ist immer nur einen Anruf entfernt.In Kathrin Bachs "Lebensversicherung" fügen sich Erinnerungen, Bilder und Listen zu einer tragikomischen Familiengeschichte zusammen. Sie erzählt von der so deutschen Sehnsucht nach Sicherheit - und der Erfahrung, dass man sich von Risiken und Gefahren nicht freikaufen kann. Von einem Milieu, in dem Zeit Geld ist und Freiheit sich auf zwei Wochen Urlaub im Jahr beschränkt. Und von einer Protagonistin, die sich ihren Ängsten stellt, um sich schreibend ihrer Lebendigkeit zuversichern.
"Kann man ein Leben versichern? Kathrin Bach beantwortet diese Frage mit einem virtuos gebauten Tausend-Teile-Puzzle. Und jedes Puzzleteil birgt eine eigene Versicherung oder Verunsicherung. Großartig!" Isabel Bogdan "Das kann nur Literatur: aus der sperrigen Versicherungskultur Emotionen, sogar Spannung herausholen. Und das kann nur Kathrin Bach: das Ganze nicht nur poetisch auszubreiten, sondern auch mit ihrem klugen und einzigartigen Witz auszustatten." Shida Bazyar
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Jan Drees fühlt sich unterversichert nach der Lektüre von Kathrin Bachs hessischer Nachkriegsdorfgeschichte, die laut Rezensent stellenweise einem Versicherungsgespräch gleicht. Collageartig, in Gesprächsprotokollen (die laut Drees wiederum einer Therapiesitzung entstammen könnten) und in kurzen Kapiteln umkreist der Text "German Angst" in all ihren Spielarten, wie sie die Ich-Erzählerin schon als Kind täglich am Esstisch im gut versicherten Elternhaus serviert bekommt. Die Eltern sind Versicherungsvertreter und zwar in zweiter Generation. Aus dem "Flickenteppich" des Textes entsteht laut Drees am Ende doch ein stimmiges Ganzes aus: Gesellschaftsstudie, Psychoanalyse und Slapstick.
© Perlentaucher Medien GmbH
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