22,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Mutterschaft ist eine paradoxe Erfahrung, zugleich prosaisch und rätselhaft, monoton und bizarr, komisch und katastrophisch. Mutterschaft bedeutet, die Hauptrolle in einem dramatischen Schauspiel menschlicher Existenz zu spielen, zu dem allerdings kaum Zuschauer erscheinen. Es ist ein Prozess, in dem sich ein gewöhnliches Leben in ein Chaos aus mächtigen Leidenschaften verwandelt. Rachel Cusk erzählt ein Jahr aus ihrem Leben als Mutter, und ihr Bericht wird zu vielen Geschichten - zu einem Abgesang auf Freiheit, Schlaf und Zeit, zu einer Lektion in Demut und harter Arbeit, zu einer Reise zu…mehr

Produktbeschreibung
Mutterschaft ist eine paradoxe Erfahrung, zugleich prosaisch und rätselhaft, monoton und bizarr, komisch und katastrophisch. Mutterschaft bedeutet, die Hauptrolle in einem dramatischen Schauspiel menschlicher Existenz zu spielen, zu dem allerdings kaum Zuschauer erscheinen. Es ist ein Prozess, in dem sich ein gewöhnliches Leben in ein Chaos aus mächtigen Leidenschaften verwandelt.
Rachel Cusk erzählt ein Jahr aus ihrem Leben als Mutter, und ihr Bericht wird zu vielen Geschichten - zu einem Abgesang auf Freiheit, Schlaf und Zeit, zu einer Lektion in Demut und harter Arbeit, zu einer Reise zu den Urgründen der Liebe, zu einer Mediation über Wahnsinn und Sterblichkeit und zu einer éducation sentimentale über Babys, Stillen, schlechte Ratgeberbücher, Krabbelgruppen und Schreiheulen. Und darüber, niemals, niemals einen Moment für sich selbst zu haben.

Mutterschaft ist das banalste und faszinierendste Thema überhaupt. Rachel Cusk seziert es in Lebenswerk am eigenen Leib und erschließt diesen eigentlich unfassbaren Zustand auf eine so ehrliche und unsentimentale Weise, dass sie damit zur »meistgehassten Schriftstellerin Großbritanniens« (The Guardian) geworden ist.
Autorenporträt
Rachel Cusk ist die Autorin von Der andere Ort (Prix Femina étranger), der Outline-Trilogie, der autobiographischen Essays Lebenswerk und Danach sowie mehrerer anderer belletristischer Werke und Sachbücher, darunter ihr jüngster Roman Parade (Goldsmiths Prize, 2024). Sie ist Guggenheim-Stipendiatin, Trägerin des Malaparte-Preises 2024 und wurde dieses Jahr mit dem Titel Chevalier de l'ordre des arts et des lettres ausgezeichnet. Sie lebt in Paris. Eva Bonné übersetzt Literatur aus dem Englischen, u. a. von Michael Cunningham, Anne Enright, Richard Flanagan und Sara Gran.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Im Jahr 2001 ist Rachel Cusks autobiografisches Essay „Lebenswerk“ bereits in Großbritannien erschienen – und hat einen Aufruhr ausgelöst: Dass eine Frau derart schonungslos über Mutterschaft schreibt, über die widerstreitenden Gefühle, die Einsamkeit, die Verlorenheit, hat große Teile der Öffentlichkeit empört. Schonungslos beschreibt sie ihre Verlorenheit und Erschöpfung, wenn das Baby Koliken hat oder ständig weint. Es ist eine ehrliche persönliche Analyse, durchzogen von Rückgriffen auf literarische Darstellungen von Muttersein und Familie. Unverstellt hinterfragt Cusk die herkömmlichen Stationen einer weiblichen Biografie – und weigert sich, in die gängige Narration der wunschlos glücklichen Mutter einzustimmen. Aus heutiger Sicht erscheint es fast unvorstellbar, dass dieses Buch ein Skandal war und sie zu einer Persona non grata in der britischen Presse gemacht hat, dazu sind ihre Beobachtungen mittlerweile von anderen Autorinnen unterstützt und ergänzt worden. Sie hat den Weg bereitet. Deshalb ist dieses Buch ein wichtiges Werk – für das

Schreiben über Mutterschaft, aber auch die Entwicklung der Schriftstellerin Rachel Cusk. Denn aus dem autobiografischen Ich dieses Buchs wurde der indirekte Stil ihrer Romane.

Lebenswerk“ ist ein wichtiges Buch über Kreativität, Mutterschaft und den Rückgriff auf Literatur.

© BÜCHERmagazin, Sonja Hartl (sh)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2019

Madame Bovary ist auch nur eine schlechte Mutter
Müssen Frauen mit der Geburt eines Kindes ihre frühere Identität preisgeben? Rachel Cusks einflussreiches "Lebenswerk"

Eine Hebammenweisheit besagt, dass Säuglinge bis in den dritten Lebensmonat hinein physiologisch gesehen Frühgeburten sind. Weil die Evolution den Menschen zum aufrecht gehenden Wesen bestimmte, kommen Kinder aus Platzgründen zu früh auf die Welt und müssen sich allmählich und in einem oft von Tränen begleiteten Prozess an das Erdendasein gewöhnen. Weswegen besonders die ersten zwölf Wochen im Leben eines jungen Menschen und von dessen Eltern einen permanenten Ausnahmezustand bilden.

Rachel Cusk, die spätestens seit ihrer Roman-Trilogie "Outline", "Transit" und "Kudos" als grande dame der britischen "New Sincerity", einer neuen unverstellten Ernsthaftigkeit im literarischen Schreiben, gilt, hat vor beinahe zwanzig Jahren über diesen kontinuierlichen Krisenzustand und die "tiefgreifende Koordinatenverschiebung" der ersten Monate geschrieben. Dass "Lebenswerk - Über das Mutterwerden" nun übersetzt vorliegt, spricht nicht nur dafür, dass Cusk auch hierzulande als kanonische Stimme der Gegenwartsprosa gilt. Es heißt auch: Die Erzählung vom Abgrund aus Sorge und Wehmut, der sich eröffnet, wenn ein neues Leben beginnt, ist von bleibender Bedeutung.

"Lebenswerk" wird in der Übersetzung als Roman geführt, ist richtigerweise aber ein Essay mit zahlreichen autobiographischen Belegen. Anders als es der Titel suggeriert, ist das unter schmerzhafter Selbstentblößung berichtende Ich in diesem Buch eine erfolgreiche Schriftstellerin, die die Vollendung ihres Daseins nicht in der Elternschaft sieht. Sie ist gesellig, schätzt ihre Freundschaften und regen intellektuellen Austausch. Dennoch bleibt sie mit ihrer neugeborenen, häufig laut schreienden Tochter zu Hause. Damit ist die Handlung des Buches umrissen, noch nichts jedoch über den Zustand der leidvollen Isolation gesagt, der hier regiert.

Die Deprivation vom Leben in seiner bekannten Form bekommt bei Cusk neben einer psychischen auch eine physische Dimension. Der postnatale Körper der jungen Mutter fühlt sich an wie eine zurückgelassene Hülle, "aufgebrochen", "ausgeräumt" und "vernäht". Zu dem kommt eine allumfassende Müdigkeit, bedingt durch die zehrenden, bis ins Morgengrauen andauernden Schreiphasen des Kindes. Eine Müdigkeit, die als körperlicher Schock empfunden wird, der die Geistestätigkeit aushebelt: "Nicht zu schlafen bedeutet, dem Schaffensdrang keine Ruhe zu gönnen und in einer ewig sich ausdehnenden Sphäre der Aktivität gefangen zu sein." Nicht nur die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben scheint unmöglich. Auch das Dasein der Mutter hat sich gespalten in einen Zustand davor und einen danach. Davor rangierten Freundschaften und Selbstfürsorge weit oben auf der Liste der Notwendigkeiten. Mit der Geburt hat sich jede Selbstbezogenheit als "lebenslange Eitelkeit" enttarnt und ist ebenso prekär geworden wie schon zur Schwangerschaft die Grenzziehung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit.

Zwangsläufig verkümmert auch Cusks Geschlechtsidentität zu einem mütterlich-weiblichen Stereotyp der Häuslichkeit. Galt ihr das Frausein bisher als oberflächliches Merkmal, als "etwas Künstliches, ein Endlager des Kosmetischen", so erweist es sich nun als "beengte, vor langer Zeit aufgestellte und liebevoll ausgestattete Falle, in die ich versehentlich gelaufen bin und aus der es nun kein Entkommen mehr gibt". Hier liest sich deutlich heraus, dass "Lebenswerk" ein Buch ist, das sich aus zugespitzten, einander scheinbar ausschließenden Dichotomien speist: Mobilität und Isolation, Männlichkeit und Weiblichkeit, Kind und Kinderlosigkeit und letztlich auch Seele und Körper.

Der Abgesang auf ihre einstige Intellektualität ist für Cusk der schmerzlichste im Repertoire ihrer Verluste, zumal sie als Schriftstellerin auch materiell von ihrer Kreativität abhängig ist. Die Befriedigung der zunächst rein leiblichen Bedürfnisse ihrer Tochter, die sich unendlich ausdehnende, kreisförmig verlaufende Zeit und der schmerzlich vermisste Kontakt zu Erwachsenen bilden für Cusk das Nachspiel ihres aktiven intellektuellen Daseins: "Um eine Mutter zu sein, muss ich das Telefon klingeln, die Arbeit liegen und die Verabredungen ausfallen lassen. Um ich selbst zu sein, muss ich das Baby weinen lassen." Die Mutterschaft, so heißt es später in einem resignativen Ton, der weder innere noch äußere Differenzen anerkennt, ist "eine Rolle, die ich anscheinend nicht durchhalten kann, ohne mein früheres Ich zu verletzen".

Wenn in Büchern Bücher gelesen werden, wird das Lesen selbst zu einer symbolischen Handlung. Auf der Suche nach der verlorenen Vergangenheit ohne Kind beginnt Cusk ein Projekt der Relektüre altvertrauter Literatur. Sie entdeckt, dass Flauberts "Madame Bovary" nichts mehr ist als "die Verkörperung der schlechten Mutter: eine Frau, die weiterhin im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen will". Natascha, Tolstois Heldin in "Krieg und Frieden", hingegen begegnet ihr als literarische Inszenierung des mütterlichen Intellekt-Verlusts. Als vierfache Mutter hat Natascha ihr "Feuer der Lebhaftigkeit" verloren, "jetzt sah man bei ihr nur Gesicht und Leib, und von der Seele war nichts zu sehen". Cusk greift dieses Motiv von Tolstoi auf: "In der Schwangerschaft geben das Leben des Körpers und das des Geistes ihre Anstrengung der Getrenntheit auf und verflechten sich auf fatale und bleibende Weise." Damit öffnet sie die Tür zu einer Aufwertung dieser Verflechtung. Sie führt vor, wie die Erweiterung des leiblichen Erfahrungshorizonts selbst zum Gegenstand und Motor einer ästhetischen und intellektuellen Suche werden kann.

Es ist viel darüber gesagt worden, dass Rachel Cusk eine Welle von Ressentiments entgegenschlug, als "Lebenswerk" 2001 in Großbritannien veröffentlicht wurde. Inzwischen ist der gesellschaftliche Zwang zur Auratisierung der Mutterschaft längst einem differenzierten Bild gewichen. Zu spüren ist dies in Romanen wie Sheila Hetis "Mutterschaft", Maggie Nelsons "Die Argonauten" oder Antonia Baums "Stillleben", die die Entscheidung für oder gegen das Kind moralisch oder psychologisch auffächern, oder in Studien wie Barbara Vinkens "Die deutsche Mutter" oder Orna Donaths "Regretting Motherhood", die Geschichte und gesellschaftlichen Kontext der Reproduktion durchleuchten. Heutzutage also, wo keine öffentliche Empörung mehr den Blick auf "Lebenswerk" verstellt, ist endlich zu erkennen, dass sich Cusks Essay nicht im Spiel der literarischen Larmoyanz erschöpft. Er zeigt, dass im verzweifelten Blick auf die Ruinen des zurückgelassenen Lebens und auf eine so tiefgehende Körpererfahrung wie die der Mutterschaft ein Potential zur Überwindung der groben Trennung von Leib und Seele im Schreiben liegt. Auf diesem Potential und diesen Ruinen beruht Cusks spektakuläres schriftstellerisches Lebenswerk der letzten zwanzig Jahre.

MIRYAM SCHELLBACH

Rachel Cusk: "Lebenswerk". Über das Mutterwerden.

Roman.

Aus dem Englischen von

Eva Bonné. Suhrkamp

Verlag, Berlin 2019. 220 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
»Thematisch, aber auch in der Form des autobiografischen Essays ist Rachel Cusks Lebenswerk ein Vorbild inständigen Nachdenkens.« Meike Fessmann Der Tagesspiegel 20200106