Woraus aber besteht das Glück? Ein Debütroman der Extraklasse. Ziemlich viel, scheint es, hat sich Peggy Mädler mit ihrem Debütroman vorgenommen - denn in ihrem von Geschichten prallen Buch geht es darum, wie Glück entsteht, wie Gesellschaft funktioniert und wie private Erinnerung und die große Geschichte zueinander stehen. Die bescheidene, gewitzte und elegante Art, mit der sie die Anmaßung der Fragestellungen erzählerisch unterläuft, macht ihren Erstling zu einem Kabinettstück der deutschen Literatur. Knapp fünfzehn Jahre nach der Wende findet die junge Erzählerin im Nachlass der Großeltern ein Buch, das ihr Großvater zu einem Betriebsjubiläum geschenkt bekommen hat. Ein Fotoband von 1968, der Vom Glück des Menschen heißt, komponiert und betextet von Rita Maahs und Karl Eduard von Schnitzler. Die Anmaßung eines politisch verordneten Glücks empört die Enkelin. Wie kann ein Staat auf die Idee kommen, seinen Bürgern vorzuschreiben, wie sie glücklich werden? Anhand weiterer Fundstücke aus dem Nachlass beginnt sie zu rekonstruieren, wie sich ihre Großeltern kurz vor dem Zweiten Weltkrieg kennenlernten, heirateten und sich nach dessen Ende fast wie Fremde wieder gegenüberstanden,
wie ihr Vater und ihre Mutter sich in der DDR kennenlernten und durchschlugen und wie sie, die Erzählerin selbst, und ihr älterer Bruder die Wende und die Zeit danach erlebten. Dabei überschreibt Peggy Mädler je ein Kapitel aus dem Propagandaband mit "Legenden" aus der Familiengeschichte ihrer Erzählerin. So entstehen die "Legende vom Glück der Arbeit", die "Legende vom Glück des Miteinanders" usw., und plötzlich wird klar: Ob und wie Menschen das Glück finden, hat oft weniger mit den großen Rahmenbedingungen zu tun, als mit privaten Begegnungen, kleinen Gesten und unspektakulären Zufällen. Und: Die besten Geschichten schreibt nicht die Geschichte, sondern das Leben selbst. Peggy Mädler ist dabei ein enorm warmherziger, reicher und sprachlich immens variabler Romanerstling gelungen. Ein Buch, das irgendwie glücklich macht.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
wie ihr Vater und ihre Mutter sich in der DDR kennenlernten und durchschlugen und wie sie, die Erzählerin selbst, und ihr älterer Bruder die Wende und die Zeit danach erlebten. Dabei überschreibt Peggy Mädler je ein Kapitel aus dem Propagandaband mit "Legenden" aus der Familiengeschichte ihrer Erzählerin. So entstehen die "Legende vom Glück der Arbeit", die "Legende vom Glück des Miteinanders" usw., und plötzlich wird klar: Ob und wie Menschen das Glück finden, hat oft weniger mit den großen Rahmenbedingungen zu tun, als mit privaten Begegnungen, kleinen Gesten und unspektakulären Zufällen. Und: Die besten Geschichten schreibt nicht die Geschichte, sondern das Leben selbst. Peggy Mädler ist dabei ein enorm warmherziger, reicher und sprachlich immens variabler Romanerstling gelungen. Ein Buch, das irgendwie glücklich macht.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011Wutbürgerin eines untergegangenen Landes
Das war die DDR: Ein Fotoband des legendären Karl-Eduard von Schnitzler inspirierte Peggy Mädler zu dem Roman "Legende vom Glück des Menschen".
Von Edo Reents
Eine junge Frau findet unter dem Hausrat ihrer verstorbenen Großeltern ein Buch mit dem Titel "Vom Glück des Menschen - Eine Bilddichtung". Es setzt bei ihr weitläufige, sich über drei Generationen erstreckende Erinnerungen in Gang, die in lose miteinander zusammenhängenden, aber nicht chronologisch angeordneten Kapiteln ausgebreitet werden, deren programmatische Überschriften sich an denen des Fundbuches orientieren: "Legende vom Glück der Freiheit", "Legende vom Glück der Arbeit", "Legende vom Glück des Miteinanders" und so weiter, wobei schon die wiederkehrende, quasiepische Kennzeichnung als Legende andeutet, dass es sich jeweils um ein trügerisches beziehungsweise verordnetes Glück handelt.
Das Buch, das die Erzählerin Ina Endes in Peggy Mädlers Debütroman "Legende vom Glück des Menschen" findet, gibt es tatsächlich; es ist von Karl-Eduard von Schnitzler und Rita Maahs und erschien erstmals 1968 in Leipzig, eine Fibel sozialistisch-realistischer Glücksvorstellungen, die sich keineswegs auf die Lebensverhältnisse der DDR und der Sowjetunion beschränkten, denn die 450 Schwarzweißfotos stammen aus mehr als siebzig Ländern. Sich hieran abzuarbeiten, die dahintersteckende Ideologie zu widerlegen oder zumindest in Frage zu stellen ist eine Idee, die zweiundzwanzig Jahre nach dem Ende des real existierenden Sozialismus wenig Anspruch auf Originalität erheben kann. Wer wüsste nicht Bescheid über ein "Glück", von dem ein Staat beanspruchte, es seinen (unfreien) Bürgern zu bringen? Darüber hinaus hat in Zeiten schwindenden Gemeinsinns die Entlarvung einer solchen Kategorie etwas Inopportunes.
Peggy Mädler, 1976 in Dresden geboren, versucht es trotzdem und steigt dafür in die Kennenlernphase ihrer Großeltern hinab, zweier grundverschiedener Menschen, deren Eheglück vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zunächst unterbrochen und dann auf Dauer unmöglich gemacht wird. Denn Erich Endes, ein mehr dem Kochen und Pilzesammeln zugetaner und es mit der Treue nicht überaus genau nehmender Mann, kehrt als ein Fremder zurück, mit dem Elsa sich wohl nur deshalb wieder zusammentut, damit ihr kränklicher Sohn Wolfgang einen Vater hat. Erich wird in der Staatlichen Handelsorganisation der DDR alt, Wolfgang als Elektromonteur in der Energieversorgung - zwei berufliche Karrieren, die so unauffällig sind wie die privaten Existenzen dahinter. Zwischen Fachhochschul-Studium, erster Liebe, Kneipenbesuchen, Kinderkriegen und dem hier und da sichtbar werdenden Arm von Staat und Partei, denen so viel am Glück der Werktätigen zu liegen scheint, verlaufen die nicht gerade straffen Handlungsfäden.
Wolfgangs und Hannahs Kinder Thomas und Ina sind zum Wendezeitpunkt 1989/90 alt genug, diesen bewusst mitzuerleben, aber noch zu jung (nämlich fünfzehn und dreizehn), als dass sie wirklich begreifen könnten, was da vor sich geht und zusammenbricht. Der Bruder ist ein zorniger Junge, der die elterliche Einsicht in die Notwendigkeit einer taktischen Anpassung ans Erziehungssystem der DDR nicht teilt und sich später mit einem unsteten Berufsleben zufriedengibt; die Schwester und Erzählerin wird Historikerin.
Das alles ist so wenig spektakulär, wie es die meisten Lebensgeschichten nun einmal sind. Wie ein fernes historisches Echo sind die Lager-Erfahrungen der Großväter-Generation hineinmontiert, welche von der Erzählerin in beiläufigen Kneipengesprächen aufgerufen werden. Dies gibt der Geschichte etwas von der politischen Relevanz, die ihr sonst fehlt. Allzu belanglos sind die Alltagsepisoden, anhand deren das (Miss-)Verhältnis zwischen kollektiven und individuellen Glücksvorstellungen veranschaulicht werden soll. Schnell ermüdet die Strategie, dass im Grau des sozialistischen Alltags der im Hintergrund lauernde Schrecken staatlicher Bevormundung vom Leser, der über keine DDR-Erfahrungen verfügt, immer erst aufgespürt oder zumindest vermutet werden muss. Stichworte wie "Gorbatschow" und "Tschernobyl" bereiten auf das Ende einer Epoche vor, die mit einer gewissen Liebe zum Detail rekonstruiert wird, aber merkwürdig konturlos bleibt.
Erst hinter der historischen Folie kommt Mädlers eigentliches Thema zum Vorschein: die Zuverlässigkeit von Erinnerungen. Aber auch diesem genuin literarischen Sujet gewinnt die Autorin nur Einsichten ab, deren Brisanz sich in Grenzen hält: "Ist es letztlich nur eine Frage der Perspektive, ob einer das Vergessen oder das Erinnern als den glücklicheren Zustand empfindet?" Achselzuckend stellt sich der Leser vor, wie die Erzählerin vor Kühnheit bebt, indem sie solche Fragen stellt.
Und das Fotobuch von "Sudel-Ede", wie Karl-Eduard von Schnitzler, der Chefkommentator des DDR-Fernsehens, wegen seiner Linientreue genannt wurde? Die Enkelin behauptet: "Ich weiß, dass mich das Buch auch wütend macht, weil es mich dazu verführt und es zugleich erschwert, mich zu erinnern, weil es vom Glück des Menschen in einer Weise spricht, die mich empört und die mir dennoch vertraut ist, weil ich damit aufgewachsen bin." Man kann sich die Autorin als Wutbürgerin eines untergegangenen Landes zwar vorstellen, aber man merkt nichts von ihrer Wut.
Klappentexte kann man meist auf sich beruhen lassen. Aber dass der Verlag die Frage "Woraus besteht das Glück?" eine "Anmaßung" nennt, die die Autorin auf "gewitzte und elegante Art" zu unterlaufen wisse, deutet unfreiwillig darauf hin, dass man sich im Hause Galiani bewusst war, die Autorin könnte sich an ihren Ansprüchen verheben. So wurde es nichts mit dem Geschwisterchen von Julia Francks vergleichbarer, aber ungleich wuchtigerer Geschichte "Die Mittagsfrau" (2007), für das man dieses Buch anfangs noch gehalten hatte. Der zwischen Prätention und Trivialität schlingernde Roman läuft auf eine Erkenntnis hinaus, für die man nicht zweihundert Seiten gebraucht hätte: "Das Zufriedensein ist etwas, das man nicht unterschätzen sollte."
Zum offenen Ende hin lesen wir Folgendes: "Es gibt Momente, da möchte ich das Buch auch wegwerfen, es einfach zu den Mülltonnen unten im Hof bringen, um Platz zu machen für ganz andere Art und Weisen, über das Glück oder über meine Kindheit zu sprechen." Der Gefahr, dass der Leser dies nicht nur auf das Buch vom Sudel-Ede beziehen könnte, war sich die Autorin vielleicht gar nicht bewusst.
Peggy Mädler: "Legende vom Glück des Menschen". Roman.
Galiani Verlag, Berlin 2011. 212 S., geb., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das war die DDR: Ein Fotoband des legendären Karl-Eduard von Schnitzler inspirierte Peggy Mädler zu dem Roman "Legende vom Glück des Menschen".
Von Edo Reents
Eine junge Frau findet unter dem Hausrat ihrer verstorbenen Großeltern ein Buch mit dem Titel "Vom Glück des Menschen - Eine Bilddichtung". Es setzt bei ihr weitläufige, sich über drei Generationen erstreckende Erinnerungen in Gang, die in lose miteinander zusammenhängenden, aber nicht chronologisch angeordneten Kapiteln ausgebreitet werden, deren programmatische Überschriften sich an denen des Fundbuches orientieren: "Legende vom Glück der Freiheit", "Legende vom Glück der Arbeit", "Legende vom Glück des Miteinanders" und so weiter, wobei schon die wiederkehrende, quasiepische Kennzeichnung als Legende andeutet, dass es sich jeweils um ein trügerisches beziehungsweise verordnetes Glück handelt.
Das Buch, das die Erzählerin Ina Endes in Peggy Mädlers Debütroman "Legende vom Glück des Menschen" findet, gibt es tatsächlich; es ist von Karl-Eduard von Schnitzler und Rita Maahs und erschien erstmals 1968 in Leipzig, eine Fibel sozialistisch-realistischer Glücksvorstellungen, die sich keineswegs auf die Lebensverhältnisse der DDR und der Sowjetunion beschränkten, denn die 450 Schwarzweißfotos stammen aus mehr als siebzig Ländern. Sich hieran abzuarbeiten, die dahintersteckende Ideologie zu widerlegen oder zumindest in Frage zu stellen ist eine Idee, die zweiundzwanzig Jahre nach dem Ende des real existierenden Sozialismus wenig Anspruch auf Originalität erheben kann. Wer wüsste nicht Bescheid über ein "Glück", von dem ein Staat beanspruchte, es seinen (unfreien) Bürgern zu bringen? Darüber hinaus hat in Zeiten schwindenden Gemeinsinns die Entlarvung einer solchen Kategorie etwas Inopportunes.
Peggy Mädler, 1976 in Dresden geboren, versucht es trotzdem und steigt dafür in die Kennenlernphase ihrer Großeltern hinab, zweier grundverschiedener Menschen, deren Eheglück vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zunächst unterbrochen und dann auf Dauer unmöglich gemacht wird. Denn Erich Endes, ein mehr dem Kochen und Pilzesammeln zugetaner und es mit der Treue nicht überaus genau nehmender Mann, kehrt als ein Fremder zurück, mit dem Elsa sich wohl nur deshalb wieder zusammentut, damit ihr kränklicher Sohn Wolfgang einen Vater hat. Erich wird in der Staatlichen Handelsorganisation der DDR alt, Wolfgang als Elektromonteur in der Energieversorgung - zwei berufliche Karrieren, die so unauffällig sind wie die privaten Existenzen dahinter. Zwischen Fachhochschul-Studium, erster Liebe, Kneipenbesuchen, Kinderkriegen und dem hier und da sichtbar werdenden Arm von Staat und Partei, denen so viel am Glück der Werktätigen zu liegen scheint, verlaufen die nicht gerade straffen Handlungsfäden.
Wolfgangs und Hannahs Kinder Thomas und Ina sind zum Wendezeitpunkt 1989/90 alt genug, diesen bewusst mitzuerleben, aber noch zu jung (nämlich fünfzehn und dreizehn), als dass sie wirklich begreifen könnten, was da vor sich geht und zusammenbricht. Der Bruder ist ein zorniger Junge, der die elterliche Einsicht in die Notwendigkeit einer taktischen Anpassung ans Erziehungssystem der DDR nicht teilt und sich später mit einem unsteten Berufsleben zufriedengibt; die Schwester und Erzählerin wird Historikerin.
Das alles ist so wenig spektakulär, wie es die meisten Lebensgeschichten nun einmal sind. Wie ein fernes historisches Echo sind die Lager-Erfahrungen der Großväter-Generation hineinmontiert, welche von der Erzählerin in beiläufigen Kneipengesprächen aufgerufen werden. Dies gibt der Geschichte etwas von der politischen Relevanz, die ihr sonst fehlt. Allzu belanglos sind die Alltagsepisoden, anhand deren das (Miss-)Verhältnis zwischen kollektiven und individuellen Glücksvorstellungen veranschaulicht werden soll. Schnell ermüdet die Strategie, dass im Grau des sozialistischen Alltags der im Hintergrund lauernde Schrecken staatlicher Bevormundung vom Leser, der über keine DDR-Erfahrungen verfügt, immer erst aufgespürt oder zumindest vermutet werden muss. Stichworte wie "Gorbatschow" und "Tschernobyl" bereiten auf das Ende einer Epoche vor, die mit einer gewissen Liebe zum Detail rekonstruiert wird, aber merkwürdig konturlos bleibt.
Erst hinter der historischen Folie kommt Mädlers eigentliches Thema zum Vorschein: die Zuverlässigkeit von Erinnerungen. Aber auch diesem genuin literarischen Sujet gewinnt die Autorin nur Einsichten ab, deren Brisanz sich in Grenzen hält: "Ist es letztlich nur eine Frage der Perspektive, ob einer das Vergessen oder das Erinnern als den glücklicheren Zustand empfindet?" Achselzuckend stellt sich der Leser vor, wie die Erzählerin vor Kühnheit bebt, indem sie solche Fragen stellt.
Und das Fotobuch von "Sudel-Ede", wie Karl-Eduard von Schnitzler, der Chefkommentator des DDR-Fernsehens, wegen seiner Linientreue genannt wurde? Die Enkelin behauptet: "Ich weiß, dass mich das Buch auch wütend macht, weil es mich dazu verführt und es zugleich erschwert, mich zu erinnern, weil es vom Glück des Menschen in einer Weise spricht, die mich empört und die mir dennoch vertraut ist, weil ich damit aufgewachsen bin." Man kann sich die Autorin als Wutbürgerin eines untergegangenen Landes zwar vorstellen, aber man merkt nichts von ihrer Wut.
Klappentexte kann man meist auf sich beruhen lassen. Aber dass der Verlag die Frage "Woraus besteht das Glück?" eine "Anmaßung" nennt, die die Autorin auf "gewitzte und elegante Art" zu unterlaufen wisse, deutet unfreiwillig darauf hin, dass man sich im Hause Galiani bewusst war, die Autorin könnte sich an ihren Ansprüchen verheben. So wurde es nichts mit dem Geschwisterchen von Julia Francks vergleichbarer, aber ungleich wuchtigerer Geschichte "Die Mittagsfrau" (2007), für das man dieses Buch anfangs noch gehalten hatte. Der zwischen Prätention und Trivialität schlingernde Roman läuft auf eine Erkenntnis hinaus, für die man nicht zweihundert Seiten gebraucht hätte: "Das Zufriedensein ist etwas, das man nicht unterschätzen sollte."
Zum offenen Ende hin lesen wir Folgendes: "Es gibt Momente, da möchte ich das Buch auch wegwerfen, es einfach zu den Mülltonnen unten im Hof bringen, um Platz zu machen für ganz andere Art und Weisen, über das Glück oder über meine Kindheit zu sprechen." Der Gefahr, dass der Leser dies nicht nur auf das Buch vom Sudel-Ede beziehen könnte, war sich die Autorin vielleicht gar nicht bewusst.
Peggy Mädler: "Legende vom Glück des Menschen". Roman.
Galiani Verlag, Berlin 2011. 212 S., geb., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Peggy Mädlers Familienroman hat Sibylle Birrer mit seiner sorgfältigen Konstruktion und seinem Sprach- und Stilgefühl überzeugt. Die Autorin, 1976 in Dresden geboren, lässt darin die junge Historikerin Ina ein Fotoalbum findet, das die Großeltern in den 60er Jahren geschenkt bekamen und in dem das propagandistische DDR-Glück bebildert ist. Davon ausgehend schneidet die Erzählerin die individuelle Familiengeschichte mit der Gesellschaftsgeschichte zusammen und stellt Fragen nach der "privaten und kollektiven Geschichte", reflektiert über das Erinnern und Vergessen und nicht zuletzt über das individuelle Glück, was sie weniger mit festen Erkenntnissen als mit Denkbewegungen beantwortet, wie die Rezensentin dankbar bemerkt. Dieser Debütroman ist nicht nur eine "kluge Reflexion" über das ganz normale Leben, sondern auch eine flüssig und unterhaltsam zu lesende Familiengeschichte, wie Birrer sehr eingenommen feststellt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Peggy Mädler gehört einer Autorengeneration an, mit der die Literatur der deutschen Teilung ein neues Kapitel aufschlägt. Ein Kapitel, in dem nicht die archivierende Erinnerung dominiert, sondern die erinnernde Fiktion. (...) Ein gewitztes und ziemlich intelligentes Prosawerk. Ursula März Die Zeit
Als ungewöhnlich und sehr faszinierend würdigt Rezensent Christopher Schmidt den Debütroman von Peggy Mädler, die die geschönte Wirklichkeit der DDR-Propaganda - in Form eines Fotobands, den man dem Großvater für seine Verdienste im volkseigenen Einzelhandel 1968 verehrt - mit der Realität einer Familie konterkariert. Das Ergebnis ist eine ausgesprochen "wahrhaftige" Familiengeschichte, findet der Rezensent, denn hier wird die Wahrheit jeden Erzählens immer schon kritisch reflektiert, wie er lobt. Das staatlich verordnete Glück (der Fotoband von 1968 heißt bezeichnender Weise "Vom Glück des Menschen") wird mit den eher unglücklichen Lebensschicksalen der Großeltern-, Eltern und Kindergeneration beantwortet, die erfundene Erinnerung des Romans gegen die geschichtsklitternde Propaganda gestellt, so Schmidt, der die Lebensklugheit der Autorin bewundert.
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