Mit der vorliegenden Publikation von Johann Friedrich Hermann Albers' "Lehrbuch der Semiotik" erfährt eines der wichtigsten medizinischen Semiotik-Lehrwerke des 19. Jahrhunderts eine Neuauflage. Semiotik ist die Lehre von der Bedeutung der Krankheitszeichen. In der praktischen Anwendung bedeutet Semiotik die Kunst, aus den objektiven, d.h. wahrgenommenen und den subjektiven, d.h. berichteten Zeichen eines kranken Menschen Rückschlüsse hinsichtlich der Diagnose und Prognose der dem Leiden zugrundeliegenden Krankheit zu ziehen. Dabei stützt sich die Semiotik auf Erfahrungswissen, das über Jahrhunderte hinweg auf Basis sorgfältiger und immer wieder bestätigter Beobachtungen gesammelt und systematisiert wurde. Deshalb ist die Semiotik in der Lage, auch und gerade heute wertvolle, zuweilen entscheidende Hinweise für das Verständnis von Sitz und Dynamik einer individuellen Symptomatik geben. In Zeiten, in denen im medizinischen Bereich in zum Teil fataler Ausprägung aufgrund der immer weiter fortschreitenden Spezialisierung oft genug der Blick für das Ganze verloren geht, bedeutet die Rückbesinnung auf die Semiotik eine notwendige, längst überfällige Kurskorrektur. Da das semiotische Vorgehen mit der Bestimmung von Art und Ort des Krankheitszustandes und der Prognose endet, bezeichnet es die Schnittstelle zur sich anschließenden Therapie - von daher ist die Semiotik, unabhängig davon, ob der Behandler Schul- oder Alternativmediziner ist, grundsätzlich jedem medizinischen Therapeuten von allerhöchstem Nutzen. Albers' 1852 erschienenes "Lehrbuch der Semiotik" ist in drei Teile gegliedert: Der erste vermittelt die wichtigsten Begrifflichkeiten des semiotischen Konzeptes, der zweite behandelt die vielgestaltigen Implikationen des grundlegend dynamischen Verständnisses der Semiotik von Krankheit als einer Abfolge von Krankheitszuständen und deren semiotische Deutung, und der dritte, weitaus umfangreichste, stellt in extenso zunächst die allgemeinen und dann die lokalen Krankheitszeichen und deren mögliche pathologische Bedeutungen dar. Dabei werden sowohl objektive als auch subjektive Krankheitszeichen (wie etwa die verschiedenen Schmerzempfindungen oder Modalitäten von Besserung und Verschlimmerung bestehender Beschwerden) unter semiotischen Gesichtspunkten betrachtet.