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Nach dem Erfolg von Disches "Großmama packt aus" ein weiterer Roman aus Enzensbergers
Frankfurter Allgemeine Bücherei!
"Mit diesem jungen Dänen ist unter den Klippschülern der Postmoderne plötzlich ein Meister aufgetaucht, der federleicht an einer Tragödie schreibt, souverän bis zur Lässigkeit und mit einer sensorischen und emotionalen Energie, die ihresgleichen sucht." - Hans Magnus Enzensberger
Robin McCoy ist von Beruf Restaurantkritiker - und das mit großer Passion. Ob Lamb Chili Masala, umbrische Erdbeeren, Beluga Kaviar, Dry Martini oder Champagner: Immer gibt sich McCoy den
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Produktbeschreibung
Nach dem Erfolg von Disches "Großmama packt aus" ein weiterer Roman aus Enzensbergers

Frankfurter Allgemeine Bücherei!

"Mit diesem jungen Dänen ist unter den Klippschülern der Postmoderne plötzlich ein Meister aufgetaucht, der federleicht an einer Tragödie schreibt, souverän bis zur Lässigkeit und mit einer sensorischen und emotionalen Energie, die ihresgleichen sucht." - Hans Magnus Enzensberger

Robin McCoy ist von Beruf Restaurantkritiker - und das mit großer Passion. Ob Lamb Chili Masala, umbrische Erdbeeren, Beluga Kaviar, Dry Martini oder Champagner: Immer gibt sich McCoy den kulinarischen Genüssen mit allen Sinnen hin. Er isst und schreibt mit Leib und Seele. Seine Zunge und sein Gaumen sind ebenso intelligent wie sein Gehirn. Aber es geht in diesem Roman nicht nur um Leibspeisen, sondern auch um ein Leib-"Gericht". Denn dieser McCoy hält Gericht über sich selbst. Seit dem Selbstmord seiner japanischen Frau Midori flüchtet er vor Schuldgefühlen und Trauer von einem Ort zum anderen. Und während er neapolitanischen Kuchen und japanischen Fisch kostet, greift ihm immer wieder die Erinnerung an die Gurgel.

"Ich habe dieses Buchverschlungen, ja gefressen... eine exzellente Mahlzeit." - Børsen
Autorenporträt
Sigrid Engeler, geboren 1950 in Wolfenbüttel, lebt heute in Kiel. Sie übersetzte aus dem Dänischen, Norwegischen und Schwedischen.

Kristian Ditlev Jensen, geboren 1971 in der Nähe von Kopenhagen. Nach seinem Literaturstudium wurde er als Journalist tätig und machte sich mit kulinarischen Reportagen einen Namen. Er veröffentlichte Kurzprosa, einen autobiografischen Bericht und Essays sowie ein Drama, bevor 2004 sein hoch gelobter Roman erschien. Kristian Ditlev Jensen lebt in Kopenhagen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2006

Der Laut des tropfenden Fetts
Nicht nur für Gourmets: Ditlev Jensen lädt zur "Leibspeise"

Einen Moment lang könnte man beim Lesen des Titels "Leibspeise" in Richtung der Wortbedeutung "Lieblingsspeise" abdriften, also vielleicht ins Gemütlich-Österreichische, sagen wir: zu Marillenknödeln. Doch dann sind da die nicht unbedingt süffigen Farben des Buchcovers, und man ahnt schon, daß es in Kristian Ditlev Jensens Roman ein wenig anders zugehen wird. Der dänische Autor, Journalist und Übersetzer (er übersetzte etwa "Stupid White Men" von Michael Moore ins Dänische) ist außerdem kein Unbekannter, weil er im Jahre 2001 in einem aufsehenerregenden Buch ("Ich werde es sagen. Geschichte einer mißbrauchten Kindheit") seinen eigenen, drei Jahre währenden sexuellen Mißbrauch durch einen jungen Mann thematisiert hat.

Es mag müßig sein, über einen Zusammenhang zu spekulieren. Aber auch in "Leibspeise" erfährt der Leib eine so intensive Verknüpfung mit Abscheu, Tod und Leben, trunkenem Glück und tiefer Verzweiflung, daß es dem Leser schwerfallen dürfte, die Macht der Bilder und Zusammenhänge zu vergessen. Hauptfigur der Geschichte ist ein Restaurantkritiker namens Robin McCoy, der uns auf eine Reise zu den verschiedensten kulinarischen Orten von Italien bis Tokio und von Lissabon bis New York mitnimmt. Dabei hat er ein Problem, das ihn immer wieder und gerade im Zusammenhang mit dem Essen bedrängt, nämlich der nicht verarbeitete Selbstmord seiner von schweren depressiven Schüben heimgesuchten japanischen Frau Midori. Jensen entwickelt dieses Thema in zwei Strängen, den kulinarischen Reisebildern und den oft überraschend und fast gewalttätig eintretenden psychischen Verknüpfungen des Essens mit allen Facetten des Leiblichen.

Im kulinarischen Sektor hat Jensen (geboren 1971) davon profitiert, daß er im Auftrag eines Magazins der dänischen Staatsbahn rund um die Welt reisen durfte und kulinarische Reportagen geschrieben hat. Hier gefällt der Autor mit einer Haltung, die zum Beispiel völlig ohne prätentiöses Name-Dropping oder - bis auf wenige Ausnahmen - ohne demonstrative Kennerschaft auskommt und stattdessen das Leben mit einem großen, ernsthaften Interesse an der kulinarischen Erfahrung zeigt. McCoy läßt durch die Genauigkeit seiner Wahrnehmung so ganz nebenbei auch erkennen, wieviel Distanz doch viele andere zum Essen haben, selbst dann, wenn sie professionell darüber schreiben. Bei ihm ergibt sich eine völlig andere Lokalisierung des Essens, das weder einseitig mit der notwendigen Nahrungsaufnahme noch mit Freizeit oder Luxus zu tun hat, sondern vor allem tief mit der Psyche und dem kompletten Leben - ob bewußt oder unbewußt - verwoben ist. McCoy ist weder stylish noch geschwätzig und versucht auch nicht die Welt von seinen Ansichten zu überzeugen. Aber er hat eine große Offenheit und vor allem eine große - je nach Sehweise vielleicht zu große - Nähe zum Erleben der Materie.

Man sollte die sich immer wieder ergebenden, detailreichen Beschreibungen (in einer intensiven, aber nie überstrapazierten Sprache übersetzt von Sigrid Engeler) langsam und nachspürend lesen und vielleicht aufhören, wenn man den Eindruck hat, die ein oder andere Passage wäre für den Moment genug. "Denn an diesem Geschmack ist auch etwas Halbsüßes, etwas Ernstes und etwas Seidenweiches. Ist er männlich? Ja. Und etwas schlicht und töricht. Er hat etwas Geräuchertes", heißt es da, und vielfach erreicht die im kulinarischen Sektor so unvollkommene Sprache mit großem Aufwand in immer wieder anderen Schattierungen der Wahrnehmung doch eine ganze Menge. McCoy ist aber beileibe kein Geschmacksesoteriker, sondern glänzt auch immer wieder mit atmosphärisch dichten Beschreibungen wie der von einem sensationell guten italienischen Schinken aus einer ganz kleinen Manufaktur oder einer "klassisch" dichten Beschreibung seines Wunsch-Ambientes für einen Dry Martini. Amüsant sind auch einige Bemerkungen zur klassisch-französischen Kochkunst, die bei ihm "keine drei Michelin-Sterne verdient": "In meinen Augen ist dies lediglich die cuisine des Snobismus par excellence, eine banale und überzogene Weiterentwicklung einiger recht alter, im Grunde arabischer Tricks."

Dann aber gibt es die Situationen, in denen Grenzen erreicht werden. Da vermischen sich das Leibliche und die Speise, wenn in Japan ein tatsächlich lebender Fisch zum Essen serviert wird. Den jungen McCoy haben in der Kindheit die Baked Beans an Erbrochenes erinnert, und selbst Dinge wie Champagner ("gelb wie Pisse") erfahren eine so enge assoziative Einbindung in das Leben, daß die Grenzen zunehmend unklarer werden. Mit Midori haben "Erotik und Essen die Plätze getauscht", "wir verschlangen unsere Körper". Was aber in kurzen Abschnitten wirkt wie eine Mischung aus Henry Miller und klischeehaften Erotikspielchen mit Eßbarem, entwickelt sich zügig zu einem leichtfertigen Spiel mit fast dekadentem Hintergrund. Der abgebissene Kopf eines Vogels, "der Duft des überflüssigen Todes, der Laut des tropfenden Fetts" zeigen McCoy und Midori als exzessive Genießer ohne Grenzen. Jensen weiß, daß beim Essen bei fast allen Menschen ein Sammelsurium von Tabus und tiefverwurzelten Abneigungen besteht, daß es ungelöste Probleme zuhauf gibt, daß das Töten von Tieren aus dem Kopf des Essers verdrängt wird, daß die Nähe von Fett und glibberigen Texturen und Exkrementen und Tod, Verletzung, Geburt und Ekel ein großes, ungelöstes und schwieriges Feld sind.

Die Intensität des Zusammenlebens von McCoy und Midori macht es dem nach dem Selbstmord Übriggebliebenen unmöglich, zwischen Leib und Speise zu trennen. Einerseits wird der Leib zur Speise, und für McCoy gibt es den Hunger, "aber auf der Platte ist kein Mensch mehr". Andererseits verfolgen ihn die Bilder vom Auffinden der toten Geliebten. Da ist ein schwarzes Haar "mitten im Essen", das ausreicht, um intensive Assoziationsketten von den aufgeschnittenen Armen, von Blut und Exkrementen heraufzubeschwören. Das alles schreibt Jensen dicht, mit viel Gefühl für Rhythmus und in einem bedrängenden Duktus, der im Zweifel immer Nähe und nur selten Distanz erreicht. Der Gourmet kann dieses Buch mit Gewinn lesen, er wird aber riskieren, daß er nicht ungeschoren davonkommt und seine Liebe zum Kulinarischen eine eigentümliche Erdung erhält, eine Erdung, die man vielleicht gar nicht haben möchte, weil man sich so schön eingerichtet hat, im Genuß, der sein Gegenteil nicht erträgt, und in den Freiräumen einer privilegierten Gesellschaft.

Jensen bietet keine Lösungen an und enthält sich jeden Kommentars, aus dem sich anderes ergäbe als ein Schluß auf die enormen verzwickten Mächte hinter unserem kulinarischen Verhalten. In einer Zeit, in der wir dem Essen auf alle erdenklichen Arten näher kommen, in der wir beginnen, den operettenhaften Bildern ernsthaft die von Hunger und Zerstörung der Umwelt, von verrohenden Sitten und industrieller Kunstwelt entgegenzustellen, in der vielleicht eine neue Form der Synchronisierung mit etwas mehr Realität denkbar wird, wirkt dieses Buch wie ein reinigendes Gewitter. Dies also ist ein Blick auf die Neuronen von Leib und Speise. Er gibt ganz erheblich zu denken.

JÜRGEN DOLLASE

Kristian Ditlev Jensen: "Leibspeise". Roman. Aus dem Dänischen übersetzt von Sigrid Engeler. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2006. 415 Seiten, geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Durchaus wörtlich sollte man den Titel des Romans von Kristian Ditlev Jensen nehmen, der sich unter anderem mit kulinarischen Reportagen einen Namen machte, empfiehlt Rezensent Jürgen Dollase, seines Zeichens Gastrokritiker der FAZ. In der Geschichte um den kosmopolitischen Restaurantkritiker Robin McCoy werde nämlich die Verflechtung von Leib und Speise als eine existentielle Auseinandersetzung mit Leben und Tod geschildert. Vor allem die ungekünstelten kulinarischen Reisebilder und die unaufdringliche Kennerschaft der Materie haben Dollase dabei beindruckt. Grenzwertig und unscharf wird es für den Rezensenten allerdings, wenn es tatsächlich ans Eingemachte geht: an die assoziativen Kindheitserinnerungen etwa, die Champagner mit Urin in Verbindung bringen, oder die klischeehafte Erotisierung des Essens. Der Feinschmecker könne das Buch trotzdem mit Gewinn lesen, bilanziert Dollase, Risikofreude sollte er aber schon mitbringen.

© Perlentaucher Medien GmbH