Selma Craiss erwacht eines Morgens - und ist verliebt, und zwar nicht in ihren langjährigen Lebensgefährten Wolfgang. Als versierte Theoretikerin macht sie sich gleich daran, den Keimling dieser ungewohnten Empfindung unter einer dicken Deutungsdecke zu ersticken - und doch ergibt sie sich diesem lebendigen Gefühl, das wie ein Realitätsblitz in ihrer, der Vorstellungskraft geschuldeten Welt einschlägt. Und scheitert, natürlich.
Der legendäre englische Gesellschaftsroman in all seinen Facetten stand wohl Pate für diese mit scharfem Blick und spitzer Feder geschriebene Großstadtromanze - die, so könnte man sagen, auf einem Wahrnehmungsfehler basiert und deshalb ihr tragikomisches Ende findet, bevor sie überhaupt begonnen hat. Freundlich spottend, aber niemals denunziatorisch, wird in Leichte Verfehlungen von der freischaffenden Journalistin Selma Craiss erzählt, einer gebildeten Frau von über vierzig, mit eleganter, gleichwohl dezenter Garderobe sowie einem ausgeprägten Faible für Rorty und Derrida. Begleitet wird Selma durch diese romantische Eskapade von einer Hand voll Freundinnen, alle auf ihre Weise traumatisierte Lebenskünstlerinnen.
Der legendäre englische Gesellschaftsroman in all seinen Facetten stand wohl Pate für diese mit scharfem Blick und spitzer Feder geschriebene Großstadtromanze - die, so könnte man sagen, auf einem Wahrnehmungsfehler basiert und deshalb ihr tragikomisches Ende findet, bevor sie überhaupt begonnen hat. Freundlich spottend, aber niemals denunziatorisch, wird in Leichte Verfehlungen von der freischaffenden Journalistin Selma Craiss erzählt, einer gebildeten Frau von über vierzig, mit eleganter, gleichwohl dezenter Garderobe sowie einem ausgeprägten Faible für Rorty und Derrida. Begleitet wird Selma durch diese romantische Eskapade von einer Hand voll Freundinnen, alle auf ihre Weise traumatisierte Lebenskünstlerinnen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Felicitas von Lovenberg ist unzufrieden mit Elke Schmitters neuem Roman. Nichts daran erinnert sie mehr an die "faszinierende Kaltblütigkeit" des ersten Buches "Frau Sartoris". Der neue Roman nun sei fast doppelt so lang, doch er lese sich, als fahre die Autorin mit "angezogener Handbremse". Die Geschichte ziele immer wieder auf literarische Vorbilder. Doch was man in "Frau Sartoris" noch als "amüsante Intertextualität" hätte genießen können, verkomme jetzt zur Masche. Etwas Ironie und Humor wären der Geschichte nach Ansicht der Rezensentin deutlich besser bekommen, als der Nachweiß, dass die Autorin ihre Klassiker kennt. Die Konstellation ("vier intelligente, sehr unterschiedliche Frauen", drei "geistig und körperlich ziemlich abwesende", sowie zwei "geistig und körperlich ziemlich anwesende" Männer) findet von Lovenberg vielversprechend. Doch dann geschehe noch nicht einmal "das Erwartbare". Denn soviel Handlung lasse die Autorin gar nicht zu. Sie zwinge ihre Protagonisten, einzig um sich selbst zu kreise. Auch die Vielzahl von Personen im Roman behindere dessen Fortgang. Und Schmitters Zustandsbeschreibungen der Gesellschaft findet die Rezensentin langatmig und farblos.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.07.2002Im Prinzip ist er in Ordnung
Elke Schmitters Campari-Epos „Leichte Verfehlungen”
Mit Wohlgefallen erinnern wir uns an eine schattige Freiluftsitzung auf dem Erlanger Poetenfest des Sommers Zweitausend. Damals plauderte Elke Schmitter, nach einer berückenden Lesung aus ihrem Debütroman „Frau Sartoris”, über den Bedarf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur an geistreichen Dialogen. Und sie kündigte ihr nächstes Projekt an: Einen Gesellschaftsroman wolle sie schreiben, aus dem Stoff des verdämmernden zwanzigsten Jahrhunderts ein Pendant zur kunstvollen Konversationsprosa der Epoche Flauberts und Fontanes formen, mit einer diskreten Verneigung vor Jane Austen. Das weckte frohe Erwartungen, gepaart mit einem Vertrauen, welches sich auf die literaturkritische Kompetenz der Autorin stützte: Wenn der Gourmet-Kritiker auch nicht verpflichtet ist, ein Meisterkoch zu sein, so wird er seinen Gästen doch ungern vorsetzen, was ihm selber nicht schmeckt.
„Leichte Verfehlungen” sind das Gegenteil von gefährlichen Liebschaften. Insofern trifft der Titel präzis die Gefühlslage der Gesellschaftsschicht, die der Roman porträtieren will. Elke Schmitters Heldinnen, die Damen Selma, Bettina und Angelika, alle drei um vierzig, auskömmlich etabliert und mit akademischen Weihen kleidsam behängt, bewegen sich in einer Sphäre, in der zwar noch nicht alles egal, eine dramatische Ent- oder Verwicklung indes kaum mehr vorstellbar ist. Empfindungen und Enttäuschungen, Ehekrisen und Existenzprobleme bleiben eingeschlossen in einer wohltemperierten Grauzone, in der von Zeit zu Zeit ein vereinzelter Farbfleck aufleuchtet: Ein Campari ist’s, unmissverständliches Signal dafür, dass es sich hier nicht um Frauen handelt, die Prosecco trinken, jene übel beleumundete weibliche Spezies aus Erfolgsromanen, deren Leserinnen, wenn überhaupt, Betriebswirtschaft studiert haben.
Gescheite Kettenraucherinnen
Was trank man wirklich im intellektuellen Milieu der geklonten Metropole Berlin in den späten neunziger Jahren? In einer Epoche, in der changierende Vorlieben den gleichen Stellenwert besitzen wie wechselnde Verliebtheiten, mag diese Frage von Bedeutung sein. Ohne weiteres glaubhaft ist, dass in jenem Jahrzehnt promovierte Geisteswissenschaftlerinnen im freundschaftlichen Verkehr sich der Sprache bedienten, die Elke Schmitter ihren Heroinen ins Plappermaul legt: „Es klingt vielleicht etwas merkwürdig und ist vielleicht auch kränkend, weil es von den besonderen Umständen absieht – aber meinst du nicht, dass es nach einem gewissen Stadium des Kennenlernens und nach den Erfahrungen, die ihr miteinander gemacht habt, vor allem aber angesichts der Situation, in der ihr seid... dass es möglicherweise auch richtig sein kann, von allem Spezifischen einfach mal abzusehen und sich zu sagen: Im Prinzip ist er in Ordnung, ich habe ihn einmal geliebt, und die Schwierigkeiten, die wir nun miteinander haben, die liegen vielleicht in der Natur der Sache, oder auch bei uns, aber sie sind nicht einfach wegzukippen und würden in einer neuen Beziehung wahrscheinlich auch wieder auftauchen, allerdings andere...”
Muss man hier schon die Kategorie des geistreichen Dialogs bemühen, die wiederzubeleben die Autorin sich angeschickt hat? Oder ist sie nur auf die Gespräche anwendbar, an denen die Freundinnen, im Zusammenhang etwa mit einem Expertenvortrag über Derrida, so wortgewandt partizipieren, in einem Ambiente, das wie ein glanzloses Abziehbild der literarischen Salons von anno dunnemals anmutet? Was die blitzgescheiten Kettenraucherinnen der Jahrtausendwende mit den eleganteren, doch in die Fesseln der Konvention geschlagenen Romanheldinnen entschwundener Jahrhunderte verbindet, ist der traurige Umstand, dass sich letzten Endes alles um die Männer dreht. Selma hat einen patenten Lebensgefährten, aber während der in New York den akademischen Party-Betrieb erforscht, verliebt sie sich hoffnungslos in einen gut riechenden Theaterregisseur. Bettina leidet unter den Eskapaden ihres angetrauten Professors und denkt deshalb aufmüpfig an die Wiederaufnahme ihrer Doktorarbeit, die sie einst froh der Mutterschaft geopfert hat. Angelika schließlich wirft ihre lesbischen Neigungen sowie einen Uni-Job in Australien über Bord, nachdem sie eher zufällig von einem Kulturagenten geschwängert worden ist. Nicht zu Unrecht grübelt Selma, gewissermaßen die Chef- Intellektuelle unter den dreien: „Können Freundinnen eigentlich Teil desselben neurotischen Systems sein?”
Bedingungslose Zuneigung
Die lebenspraktischen Verfehlungen sind, wie gesagt, von leichterer Art, was ihre Tristesse freilich nicht mildert. Andererseits wurde schon lange nicht mehr auf so hohem Niveau geliebt und gelitten; man nehme nur die Szene, in der Selma ihre „plötzlich aufquellende bedingungslose Zuneigung” zu dem Theatermann, der sie schäbig versetzt, im Geiste metaphorisch vergoldet: „Ihre Brust war von einem vagen Heroismus geweitet, als gälte es, einer Sterbenden die Augen zuzudrücken oder mit mit einem Bündel geretteter Habseligkeiten auf einem Ochsenkarren über die Oder zu ziehen...” Natürlich, schließen wir messerscharf, sind solche Stellen ironisch gemeint. Fatal ist nur, dass die Ironie im plätschernden Fluss des Romans versinkt, dass die Erzählerin nie wirklich auf Distanz zu ihren Figuren geht, sondern sich jederzeit als eine von ihnen zu erkennen gibt, auch in ausschweifenden Phantasien, in denen sie ihre schreibtechnischen Fertigkeiten zur Schau stellt wie Preziosen in einer Vitrine. Selbst masturbiert wird hier mit erheblichem Aufwand an Reflexion, und man ist fast erleichtert, wenn die Autorin dabei doch einmal die Kontrolle verliert und anatomisch ins Trudeln gerät: „Ihr Kopf war zur Seite gerollt; ihr Kinn drückte aufs Schlüsselbein.”
Die Neugeburt des Gesellschaftsromans gilt es nicht anzuzeigen, eher die Mutation des Prosecco-Romänchens zum Campari-Epos, in dem quasi essayistische Einschübe wie Eiswürfel klirren, in dem die Sinnfrage den Lifestyle-Diskurs verdrängt und in dem die Kulturjournalistin, auf dem Sofa liegend, sich ernste Gedanken über die Befindlichkeit ihrer Putzfrau macht. Literarisch ist das zwar noch nicht unbedingt als Fortschritt zu werten, aber auch nicht als schwere Verfehlung. Im Gegenteil: Elke Schmitters neues Werk lehrt uns begreifen, dass jede Gesellschaft die Romane bekommt, die sie verdient.
KRISTINA MAIDT–ZINKE
ELKE SCHMITTER: Leichte Verfehlungen. Roman. Berlin Verlag, Berlin 2002. 310 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Elke Schmitters Campari-Epos „Leichte Verfehlungen”
Mit Wohlgefallen erinnern wir uns an eine schattige Freiluftsitzung auf dem Erlanger Poetenfest des Sommers Zweitausend. Damals plauderte Elke Schmitter, nach einer berückenden Lesung aus ihrem Debütroman „Frau Sartoris”, über den Bedarf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur an geistreichen Dialogen. Und sie kündigte ihr nächstes Projekt an: Einen Gesellschaftsroman wolle sie schreiben, aus dem Stoff des verdämmernden zwanzigsten Jahrhunderts ein Pendant zur kunstvollen Konversationsprosa der Epoche Flauberts und Fontanes formen, mit einer diskreten Verneigung vor Jane Austen. Das weckte frohe Erwartungen, gepaart mit einem Vertrauen, welches sich auf die literaturkritische Kompetenz der Autorin stützte: Wenn der Gourmet-Kritiker auch nicht verpflichtet ist, ein Meisterkoch zu sein, so wird er seinen Gästen doch ungern vorsetzen, was ihm selber nicht schmeckt.
„Leichte Verfehlungen” sind das Gegenteil von gefährlichen Liebschaften. Insofern trifft der Titel präzis die Gefühlslage der Gesellschaftsschicht, die der Roman porträtieren will. Elke Schmitters Heldinnen, die Damen Selma, Bettina und Angelika, alle drei um vierzig, auskömmlich etabliert und mit akademischen Weihen kleidsam behängt, bewegen sich in einer Sphäre, in der zwar noch nicht alles egal, eine dramatische Ent- oder Verwicklung indes kaum mehr vorstellbar ist. Empfindungen und Enttäuschungen, Ehekrisen und Existenzprobleme bleiben eingeschlossen in einer wohltemperierten Grauzone, in der von Zeit zu Zeit ein vereinzelter Farbfleck aufleuchtet: Ein Campari ist’s, unmissverständliches Signal dafür, dass es sich hier nicht um Frauen handelt, die Prosecco trinken, jene übel beleumundete weibliche Spezies aus Erfolgsromanen, deren Leserinnen, wenn überhaupt, Betriebswirtschaft studiert haben.
Gescheite Kettenraucherinnen
Was trank man wirklich im intellektuellen Milieu der geklonten Metropole Berlin in den späten neunziger Jahren? In einer Epoche, in der changierende Vorlieben den gleichen Stellenwert besitzen wie wechselnde Verliebtheiten, mag diese Frage von Bedeutung sein. Ohne weiteres glaubhaft ist, dass in jenem Jahrzehnt promovierte Geisteswissenschaftlerinnen im freundschaftlichen Verkehr sich der Sprache bedienten, die Elke Schmitter ihren Heroinen ins Plappermaul legt: „Es klingt vielleicht etwas merkwürdig und ist vielleicht auch kränkend, weil es von den besonderen Umständen absieht – aber meinst du nicht, dass es nach einem gewissen Stadium des Kennenlernens und nach den Erfahrungen, die ihr miteinander gemacht habt, vor allem aber angesichts der Situation, in der ihr seid... dass es möglicherweise auch richtig sein kann, von allem Spezifischen einfach mal abzusehen und sich zu sagen: Im Prinzip ist er in Ordnung, ich habe ihn einmal geliebt, und die Schwierigkeiten, die wir nun miteinander haben, die liegen vielleicht in der Natur der Sache, oder auch bei uns, aber sie sind nicht einfach wegzukippen und würden in einer neuen Beziehung wahrscheinlich auch wieder auftauchen, allerdings andere...”
Muss man hier schon die Kategorie des geistreichen Dialogs bemühen, die wiederzubeleben die Autorin sich angeschickt hat? Oder ist sie nur auf die Gespräche anwendbar, an denen die Freundinnen, im Zusammenhang etwa mit einem Expertenvortrag über Derrida, so wortgewandt partizipieren, in einem Ambiente, das wie ein glanzloses Abziehbild der literarischen Salons von anno dunnemals anmutet? Was die blitzgescheiten Kettenraucherinnen der Jahrtausendwende mit den eleganteren, doch in die Fesseln der Konvention geschlagenen Romanheldinnen entschwundener Jahrhunderte verbindet, ist der traurige Umstand, dass sich letzten Endes alles um die Männer dreht. Selma hat einen patenten Lebensgefährten, aber während der in New York den akademischen Party-Betrieb erforscht, verliebt sie sich hoffnungslos in einen gut riechenden Theaterregisseur. Bettina leidet unter den Eskapaden ihres angetrauten Professors und denkt deshalb aufmüpfig an die Wiederaufnahme ihrer Doktorarbeit, die sie einst froh der Mutterschaft geopfert hat. Angelika schließlich wirft ihre lesbischen Neigungen sowie einen Uni-Job in Australien über Bord, nachdem sie eher zufällig von einem Kulturagenten geschwängert worden ist. Nicht zu Unrecht grübelt Selma, gewissermaßen die Chef- Intellektuelle unter den dreien: „Können Freundinnen eigentlich Teil desselben neurotischen Systems sein?”
Bedingungslose Zuneigung
Die lebenspraktischen Verfehlungen sind, wie gesagt, von leichterer Art, was ihre Tristesse freilich nicht mildert. Andererseits wurde schon lange nicht mehr auf so hohem Niveau geliebt und gelitten; man nehme nur die Szene, in der Selma ihre „plötzlich aufquellende bedingungslose Zuneigung” zu dem Theatermann, der sie schäbig versetzt, im Geiste metaphorisch vergoldet: „Ihre Brust war von einem vagen Heroismus geweitet, als gälte es, einer Sterbenden die Augen zuzudrücken oder mit mit einem Bündel geretteter Habseligkeiten auf einem Ochsenkarren über die Oder zu ziehen...” Natürlich, schließen wir messerscharf, sind solche Stellen ironisch gemeint. Fatal ist nur, dass die Ironie im plätschernden Fluss des Romans versinkt, dass die Erzählerin nie wirklich auf Distanz zu ihren Figuren geht, sondern sich jederzeit als eine von ihnen zu erkennen gibt, auch in ausschweifenden Phantasien, in denen sie ihre schreibtechnischen Fertigkeiten zur Schau stellt wie Preziosen in einer Vitrine. Selbst masturbiert wird hier mit erheblichem Aufwand an Reflexion, und man ist fast erleichtert, wenn die Autorin dabei doch einmal die Kontrolle verliert und anatomisch ins Trudeln gerät: „Ihr Kopf war zur Seite gerollt; ihr Kinn drückte aufs Schlüsselbein.”
Die Neugeburt des Gesellschaftsromans gilt es nicht anzuzeigen, eher die Mutation des Prosecco-Romänchens zum Campari-Epos, in dem quasi essayistische Einschübe wie Eiswürfel klirren, in dem die Sinnfrage den Lifestyle-Diskurs verdrängt und in dem die Kulturjournalistin, auf dem Sofa liegend, sich ernste Gedanken über die Befindlichkeit ihrer Putzfrau macht. Literarisch ist das zwar noch nicht unbedingt als Fortschritt zu werten, aber auch nicht als schwere Verfehlung. Im Gegenteil: Elke Schmitters neues Werk lehrt uns begreifen, dass jede Gesellschaft die Romane bekommt, die sie verdient.
KRISTINA MAIDT–ZINKE
ELKE SCHMITTER: Leichte Verfehlungen. Roman. Berlin Verlag, Berlin 2002. 310 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2002Da will ich lieber bleiben, wie ich bin!
Elke Schmitter bewahrt die Ruhe / Von Felicitas von Lovenberg
Am Ende dieses Buchs erwartet man unwillkürlich einen defensiven Satz wie "Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt". Aber Elke Schmitter hat schon vor zwei Jahren mit ihrem Romandebüt "Frau Sartoris" bewiesen, daß sie absichtsvoll schreibt und auf vorauseilende Anpassung keinen Wert legt. In mitreißendem Tempo schilderte sie Margarethe Sartoris als eine skrupellosere Emma Bovary, ließ sie eine Jugendliebe mit bösem Ende durchleben, gefolgt von einer frustrierenden Ehe und einer enttäuschenden Affäre, und verwickelte sie dann noch in eine Kriminalgeschichte. Margarethe hielt stand: Auf 160 Seiten gelang Schmitter das überzeugende Porträt einer Frau, die die ausgleichende Gerechtigkeit des Lebens gefunden und akzeptiert hat.
Schmitters neuer Roman "Leichte Verfehlungen" ist fast doppelt so umfangreich, und nichts daran erinnert an die faszinierende Kaltblütigkeit von "Frau Sartoris". Schmitter hat das Tempo gedrosselt - so sehr, daß es manchmal scheint, als fahre sie mit angezogener Handbremse. Diesmal umspannt ihr Roman kein halbes Leben, sondern ein knappes halbes Jahr im Leben von vier Frauen um die Vierzig.
Selma Craiss - "Der Name ist Ihnen doch sicher ein Begriff" - moderiert Sendungen zu geisteswissenschaftlichen Themen und veröffentlicht regelmäßig kluge Aufsätze in den einschlägigen Zeitschriften; Bettina Melker, ihre Freundin, hat die intellektuelle Laufbahn hintangestellt, als sie ihren Professor heiratete und Mutter wurde; Angelika Frings ist Anglistin auf Jobsuche und Marlene Müller-Scharté Szene-Galeristin. Zu Beginn des Romans weilt Selmas Lebensgefährte Wolfgang gerade für ein halbes Jahr als Gastdozent in Kalifornien; Bettinas Mann Johannes geht nicht zum ersten Mal mit einer blonden, begabten Assistentin fremd; Angelika ist eigentlich lesbisch, schläft aber dennoch einmal mit einem gewissen Alexander Mock, Architekt aus dem Schwäbischen, und wird prompt schwanger; Marlenes Mann Peter ist Anwalt und läßt seine geschäftstüchtige Frau glauben, er stünde unter ihrer Fuchtel. Und dann ist da noch Konrad Waal, Theaterregisseur von einigem Ansehen.
Vier intelligente, sehr unterschiedliche Frauen also, drei geistig und körperlich ziemlich abwesende (Wolfgang, Johannes, Peter) und zwei geistig (Konrad) und körperlich (Alexander) sehr anwesende Männer: eine vielversprechende Konstellation, aber auch eine verwirrende Vielzahl von Personen, was die Handlung nicht spannender macht, sondern behindert. Elke Schmitter versteht es, Selma Craiss als Protagonistin zu etablieren, obwohl sie all ihren Figuren viel Raum gibt. Selma ist die passive Heldin des Romans, die elegant durchs Leben gleitet, dabei aber seltsam unbeteiligt bleibt. Bis sie sich in Konrad verliebt.
Elke Schmitters erzählerische Haltung ähnelt der Selmas zum Leben: Sie nimmt alles wahr, bleibt jedoch distanziert. Selma läßt sie in ihrer Verliebtheit schwelgen; sie beschreibt Bettinas Versuch, mit der Untreue ihres Manns umzugehen, Sophie eine gute Mutter zu sein und zugleich ohne Schuldgefühle ihre Karriere wieder aufzunehmen; sie erzählt von Angelikas Schwangerschaft und dem damit einhergehenden Entschluß, von nun an ein bürgerliches, heterosexuelles Leben zu führen und schildert das - scheinbar funktionierende - Ehemodell von Marlene und Peter als kameradschaftliches Nebeneinander.
Nichts Ungewöhnliches geschieht diesen nicht eben ungewöhnlichen Menschen im Lauf des Romans; genaugenommen passiert noch nicht mal das Erwartbare: keine Zusammenbrüche, Trennungen, Liebesszenen oder Aussprachen. Gäbe es Intrigen, Komplotte oder wenigstens eine handfeste Affäre und würde Selmas Verliebtheit sich am Ende nicht nur als Reaktion auf eine Mißinterpretation von Konrads Verhalten herausstellen, könnte man sich mit Turgenjew in Berlin statt auf dem Lande wähnen. Doch so viel Handlung läßt Schmitter nicht zu. Statt dessen zwingt sie die Personen, einzig um sich selbst zu kreisen, selbst wenn sie zusammen sind. Als etwa Konrad ihren Besuch bei ihm plötzlich beendet, bleibt Selma gelassen: "Eine plötzlich aufquellende bedingungslose Zuneigung machte Zweifel und Fragen unnötig." Angelika, die ihr das Herz ausschüttet, sieht sie als "eine selbstgefällige Nana, schwanger und lüstern zugleich" und beschließt angeekelt: "Da will ich lieber bleiben, wie ich bin!" Und beim Gespräch mit Bettina über Johannes' Untreue denkt Selma vor allem über die Plausibilität der eigenen Argumente nach.
Marlene sagt einmal zu Peter: "Du machst es dir immer so einfach, indem du es komplizierst." Dasselbe gilt auch für Selma, die jede Wendung des Lebens nur als Aufforderung betrachten kann, mit Hilfe von Derrida oder Foucault die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Liebesgefühle werden literarisch aufgedonnert, das Seelenleben mit Schnitzler und Freud dekonstruiert. Der Mensch ist die empirische Überprüfung der Theorie; seine Wünsche und Sehnsüchte sind nichts weiter als Ableitungen oder Sublimierungen seiner Ur-Gefühle. Selma genießt ihre Verliebtheit dann aber doch weniger als Geisteszustand denn als physische Sensation, die ihren Körper in "Alarmbereitschaft" versetzt. Aktiver wird sie deshalb nicht: Sie "blieb in Gedanken bei ihm, wartend, bis er sie ansah - in einer unbegreiflichen, nie gekannten Geduld".
Schmitters Roman zielt mal mehr, mal weniger eindeutig auf literarische Vorbilder: Hier eine Prise Jane Austen, dort ein Schuß Evelyn Waugh, gewürzt mit einer Winzigkeit Henry James. Was man bei "Frau Sartoris" noch als amüsante Intertextualität genießen konnte, verkommt in "Leichte Verfehlungen" zur Masche, die Buch und Leser nicht weiterbringt, zumal die literarischen Figuren aus Bürgertum oder landed gentry in der Berliner Republik nur farblose Entsprechungen finden. Schmitters langatmige Zustandsbeschreibung dieser fachsimpelnden, dabei erschreckend oberflächlichen Gesellschaft hätte etwas Ironie und Humor nötiger getan als der Beweis, daß sie ihre Klassiker kennt. Ihre Heldinnen mögen in der Theorie noch so fit sein - für interessante Gespräche taugt ihre Intellektualität deshalb noch nicht. Denn in ihrem Bildungsehrgeiz verwechseln sie Selbsterkenntnis mit Egozentrik.
Den zupackenden Ton, der in "Frau Sartoris" so frisch und fordernd wirkte, hat Elke Schmitter abgelegt. Schon beim ersten Satz ahnt man, daß etwas nicht stimmt: "Selma Craiss war eine Frau von mehr als vierzig Jahren" heißt es da gewichtig. Unvermittelt lösen Szenen einander ab; manchmal ist nur von "ihr" und "ihm" die Rede, und man braucht eine Weile, um zu wissen, wer mit wem spricht. Die Autorin hat ihren Roman in drei Teile geteilt, doch am Dahinplätschern der Handlung ändert das nichts - die Zäsuren gelten einzig den Stadien von Selmas Verliebtheit.
Womöglich will Elke Schmitter mit diesem ereignisarm gehaltenen Roman das ewige Spiel von Zufall und Notwendigkeit beleuchten, die Ambivalenz zwischen selbstgeschaffenem Inhalt und naturgemäßer Leere. Vielleicht wollte sie gar einen Anti-Bildungsroman schreiben oder auf eine gewisse Endzeit-Stimmung in unserer Gesellschaft hinweisen. Selma nimmt ihre Verliebtheit in Konrad sehr ernst, sagt dann aber am Telefon zu Wolfgang: "Ich liebe dich." Spätestens hier wird deutlich: Sie kann sich dem Leben gar nicht entfremden, denn ihre Orientierungslosigkeit ist längst vollkommen. So ist auch die Liebe letztlich nichts weiter als ein Rausch ohne Folgen.
Schmitters Roman handelt nicht so sehr von Menschen, die sich "Leichter Verfehlungen" schuldig machen, sondern vor allem von Menschen, die einander immer wieder verfehlen und es nicht einmal merken. Das Entsetzen darüber bleibt aus.
Elke Schmitter: "Leichte Verfehlungen". Roman. Berlin Verlag, Berlin 2002. 310 S., geb., 19,90.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Elke Schmitter bewahrt die Ruhe / Von Felicitas von Lovenberg
Am Ende dieses Buchs erwartet man unwillkürlich einen defensiven Satz wie "Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt". Aber Elke Schmitter hat schon vor zwei Jahren mit ihrem Romandebüt "Frau Sartoris" bewiesen, daß sie absichtsvoll schreibt und auf vorauseilende Anpassung keinen Wert legt. In mitreißendem Tempo schilderte sie Margarethe Sartoris als eine skrupellosere Emma Bovary, ließ sie eine Jugendliebe mit bösem Ende durchleben, gefolgt von einer frustrierenden Ehe und einer enttäuschenden Affäre, und verwickelte sie dann noch in eine Kriminalgeschichte. Margarethe hielt stand: Auf 160 Seiten gelang Schmitter das überzeugende Porträt einer Frau, die die ausgleichende Gerechtigkeit des Lebens gefunden und akzeptiert hat.
Schmitters neuer Roman "Leichte Verfehlungen" ist fast doppelt so umfangreich, und nichts daran erinnert an die faszinierende Kaltblütigkeit von "Frau Sartoris". Schmitter hat das Tempo gedrosselt - so sehr, daß es manchmal scheint, als fahre sie mit angezogener Handbremse. Diesmal umspannt ihr Roman kein halbes Leben, sondern ein knappes halbes Jahr im Leben von vier Frauen um die Vierzig.
Selma Craiss - "Der Name ist Ihnen doch sicher ein Begriff" - moderiert Sendungen zu geisteswissenschaftlichen Themen und veröffentlicht regelmäßig kluge Aufsätze in den einschlägigen Zeitschriften; Bettina Melker, ihre Freundin, hat die intellektuelle Laufbahn hintangestellt, als sie ihren Professor heiratete und Mutter wurde; Angelika Frings ist Anglistin auf Jobsuche und Marlene Müller-Scharté Szene-Galeristin. Zu Beginn des Romans weilt Selmas Lebensgefährte Wolfgang gerade für ein halbes Jahr als Gastdozent in Kalifornien; Bettinas Mann Johannes geht nicht zum ersten Mal mit einer blonden, begabten Assistentin fremd; Angelika ist eigentlich lesbisch, schläft aber dennoch einmal mit einem gewissen Alexander Mock, Architekt aus dem Schwäbischen, und wird prompt schwanger; Marlenes Mann Peter ist Anwalt und läßt seine geschäftstüchtige Frau glauben, er stünde unter ihrer Fuchtel. Und dann ist da noch Konrad Waal, Theaterregisseur von einigem Ansehen.
Vier intelligente, sehr unterschiedliche Frauen also, drei geistig und körperlich ziemlich abwesende (Wolfgang, Johannes, Peter) und zwei geistig (Konrad) und körperlich (Alexander) sehr anwesende Männer: eine vielversprechende Konstellation, aber auch eine verwirrende Vielzahl von Personen, was die Handlung nicht spannender macht, sondern behindert. Elke Schmitter versteht es, Selma Craiss als Protagonistin zu etablieren, obwohl sie all ihren Figuren viel Raum gibt. Selma ist die passive Heldin des Romans, die elegant durchs Leben gleitet, dabei aber seltsam unbeteiligt bleibt. Bis sie sich in Konrad verliebt.
Elke Schmitters erzählerische Haltung ähnelt der Selmas zum Leben: Sie nimmt alles wahr, bleibt jedoch distanziert. Selma läßt sie in ihrer Verliebtheit schwelgen; sie beschreibt Bettinas Versuch, mit der Untreue ihres Manns umzugehen, Sophie eine gute Mutter zu sein und zugleich ohne Schuldgefühle ihre Karriere wieder aufzunehmen; sie erzählt von Angelikas Schwangerschaft und dem damit einhergehenden Entschluß, von nun an ein bürgerliches, heterosexuelles Leben zu führen und schildert das - scheinbar funktionierende - Ehemodell von Marlene und Peter als kameradschaftliches Nebeneinander.
Nichts Ungewöhnliches geschieht diesen nicht eben ungewöhnlichen Menschen im Lauf des Romans; genaugenommen passiert noch nicht mal das Erwartbare: keine Zusammenbrüche, Trennungen, Liebesszenen oder Aussprachen. Gäbe es Intrigen, Komplotte oder wenigstens eine handfeste Affäre und würde Selmas Verliebtheit sich am Ende nicht nur als Reaktion auf eine Mißinterpretation von Konrads Verhalten herausstellen, könnte man sich mit Turgenjew in Berlin statt auf dem Lande wähnen. Doch so viel Handlung läßt Schmitter nicht zu. Statt dessen zwingt sie die Personen, einzig um sich selbst zu kreisen, selbst wenn sie zusammen sind. Als etwa Konrad ihren Besuch bei ihm plötzlich beendet, bleibt Selma gelassen: "Eine plötzlich aufquellende bedingungslose Zuneigung machte Zweifel und Fragen unnötig." Angelika, die ihr das Herz ausschüttet, sieht sie als "eine selbstgefällige Nana, schwanger und lüstern zugleich" und beschließt angeekelt: "Da will ich lieber bleiben, wie ich bin!" Und beim Gespräch mit Bettina über Johannes' Untreue denkt Selma vor allem über die Plausibilität der eigenen Argumente nach.
Marlene sagt einmal zu Peter: "Du machst es dir immer so einfach, indem du es komplizierst." Dasselbe gilt auch für Selma, die jede Wendung des Lebens nur als Aufforderung betrachten kann, mit Hilfe von Derrida oder Foucault die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Liebesgefühle werden literarisch aufgedonnert, das Seelenleben mit Schnitzler und Freud dekonstruiert. Der Mensch ist die empirische Überprüfung der Theorie; seine Wünsche und Sehnsüchte sind nichts weiter als Ableitungen oder Sublimierungen seiner Ur-Gefühle. Selma genießt ihre Verliebtheit dann aber doch weniger als Geisteszustand denn als physische Sensation, die ihren Körper in "Alarmbereitschaft" versetzt. Aktiver wird sie deshalb nicht: Sie "blieb in Gedanken bei ihm, wartend, bis er sie ansah - in einer unbegreiflichen, nie gekannten Geduld".
Schmitters Roman zielt mal mehr, mal weniger eindeutig auf literarische Vorbilder: Hier eine Prise Jane Austen, dort ein Schuß Evelyn Waugh, gewürzt mit einer Winzigkeit Henry James. Was man bei "Frau Sartoris" noch als amüsante Intertextualität genießen konnte, verkommt in "Leichte Verfehlungen" zur Masche, die Buch und Leser nicht weiterbringt, zumal die literarischen Figuren aus Bürgertum oder landed gentry in der Berliner Republik nur farblose Entsprechungen finden. Schmitters langatmige Zustandsbeschreibung dieser fachsimpelnden, dabei erschreckend oberflächlichen Gesellschaft hätte etwas Ironie und Humor nötiger getan als der Beweis, daß sie ihre Klassiker kennt. Ihre Heldinnen mögen in der Theorie noch so fit sein - für interessante Gespräche taugt ihre Intellektualität deshalb noch nicht. Denn in ihrem Bildungsehrgeiz verwechseln sie Selbsterkenntnis mit Egozentrik.
Den zupackenden Ton, der in "Frau Sartoris" so frisch und fordernd wirkte, hat Elke Schmitter abgelegt. Schon beim ersten Satz ahnt man, daß etwas nicht stimmt: "Selma Craiss war eine Frau von mehr als vierzig Jahren" heißt es da gewichtig. Unvermittelt lösen Szenen einander ab; manchmal ist nur von "ihr" und "ihm" die Rede, und man braucht eine Weile, um zu wissen, wer mit wem spricht. Die Autorin hat ihren Roman in drei Teile geteilt, doch am Dahinplätschern der Handlung ändert das nichts - die Zäsuren gelten einzig den Stadien von Selmas Verliebtheit.
Womöglich will Elke Schmitter mit diesem ereignisarm gehaltenen Roman das ewige Spiel von Zufall und Notwendigkeit beleuchten, die Ambivalenz zwischen selbstgeschaffenem Inhalt und naturgemäßer Leere. Vielleicht wollte sie gar einen Anti-Bildungsroman schreiben oder auf eine gewisse Endzeit-Stimmung in unserer Gesellschaft hinweisen. Selma nimmt ihre Verliebtheit in Konrad sehr ernst, sagt dann aber am Telefon zu Wolfgang: "Ich liebe dich." Spätestens hier wird deutlich: Sie kann sich dem Leben gar nicht entfremden, denn ihre Orientierungslosigkeit ist längst vollkommen. So ist auch die Liebe letztlich nichts weiter als ein Rausch ohne Folgen.
Schmitters Roman handelt nicht so sehr von Menschen, die sich "Leichter Verfehlungen" schuldig machen, sondern vor allem von Menschen, die einander immer wieder verfehlen und es nicht einmal merken. Das Entsetzen darüber bleibt aus.
Elke Schmitter: "Leichte Verfehlungen". Roman. Berlin Verlag, Berlin 2002. 310 S., geb., 19,90
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein anspruchsvoller Gesellschaftsroman
Elke Schmitter hat in ihrem zweiten Roman Leichte Verfehlungen in die Gesellschaftskreise geblickt, in denen sie sich selbst als Publizistin, Kritikerin und Schriftstellerin offensichtlich bestens auskennt. So beschreibt sie die kultivierte, kulturelle, intellektuelle Berliner Damenwelt - die Akademikerinnen, Redakteurinnen, Theaterleute. Man trifft sich auf Vernissagen, Lesungen, im Theater und auf Empfängen, in Salons, Arbeitskreisen oder Seminaren und gibt sich dort endlosen philosophischen, soziologischen und literaturhistorischen Diskussionen hin. Und zwischen diesen anspruchsvollen Gesprächen entrollt die Autorin sehr geschickt das Seelenleben der Protagonistinnen des Romans: Selma Craiss, erfolgreiche Rundfunkredakteurin; Mitte 40 - Sie, die nach außen hin mit beiden Beinen fest im Leben steht, ist frisch verliebt - leider jedoch nicht in ihren langjährigen Lebensgefährten; und so muss sie einen Weg finden, sich mit dieser für sie neuen Gefühlswelt, die sie völlig aus der Bahn wirft, zu engagieren. Gleichzeitig sind auch Selmas Freundinnen dabei, ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben: Bettina ist frustriert. Sie selbst hatte ihre Karriere für Mann und Kind geopfert; nun sitzt sie Tag für Tag zuhause mit ihrer kleinen Tochter und wartet auf ihren Mann, einem Uniprofessor, der sie immer wieder mit anderen Studentinnen betrügt. Obwohl sie dieser Mühle entkommen will - sie schafft es dennoch nicht. Dann ist da noch die Galeristin Marlene, deren ganzer Lebensinhalt die Skandale im Bekanntenkreis zu sein scheinen. Und die eigenwillige Angelika, eigentlich lesbisch, die sich nach mehr als 20 Jahren nach einer Party mit einem Mann einlässt und schwanger wird. Aber alles in allem sind es ja nur "leichte Verfehlungen", die das intellektuelle Leben der Frauen ins Wanken bringen. Denn eigentlich bleibt alles wie gehabt - keine kann bzw. wird ihr Leben wirklich ändern. (Wibke Garbarukow)
Elke Schmitter hat in ihrem zweiten Roman Leichte Verfehlungen in die Gesellschaftskreise geblickt, in denen sie sich selbst als Publizistin, Kritikerin und Schriftstellerin offensichtlich bestens auskennt. So beschreibt sie die kultivierte, kulturelle, intellektuelle Berliner Damenwelt - die Akademikerinnen, Redakteurinnen, Theaterleute. Man trifft sich auf Vernissagen, Lesungen, im Theater und auf Empfängen, in Salons, Arbeitskreisen oder Seminaren und gibt sich dort endlosen philosophischen, soziologischen und literaturhistorischen Diskussionen hin. Und zwischen diesen anspruchsvollen Gesprächen entrollt die Autorin sehr geschickt das Seelenleben der Protagonistinnen des Romans: Selma Craiss, erfolgreiche Rundfunkredakteurin; Mitte 40 - Sie, die nach außen hin mit beiden Beinen fest im Leben steht, ist frisch verliebt - leider jedoch nicht in ihren langjährigen Lebensgefährten; und so muss sie einen Weg finden, sich mit dieser für sie neuen Gefühlswelt, die sie völlig aus der Bahn wirft, zu engagieren. Gleichzeitig sind auch Selmas Freundinnen dabei, ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben: Bettina ist frustriert. Sie selbst hatte ihre Karriere für Mann und Kind geopfert; nun sitzt sie Tag für Tag zuhause mit ihrer kleinen Tochter und wartet auf ihren Mann, einem Uniprofessor, der sie immer wieder mit anderen Studentinnen betrügt. Obwohl sie dieser Mühle entkommen will - sie schafft es dennoch nicht. Dann ist da noch die Galeristin Marlene, deren ganzer Lebensinhalt die Skandale im Bekanntenkreis zu sein scheinen. Und die eigenwillige Angelika, eigentlich lesbisch, die sich nach mehr als 20 Jahren nach einer Party mit einem Mann einlässt und schwanger wird. Aber alles in allem sind es ja nur "leichte Verfehlungen", die das intellektuelle Leben der Frauen ins Wanken bringen. Denn eigentlich bleibt alles wie gehabt - keine kann bzw. wird ihr Leben wirklich ändern. (Wibke Garbarukow)