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Sein Mausoleum auf dem Roten Platz in Moskau ist noch immer Wallfahrtsstätte; für viele nicht nur in Rußland ist er der geniale Staatsgründer, für viele allerdings der Inbegriff des rücksichtslosen Machtmenschen: Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin (1871-1924). Auf der Grundlage erstmals zugänglicher Quellen zeichnet Robert Service das Leben des so bedeutenden wie umstrittenen Revolutionärs sehr genau und mit kritischer Distanz nach. Er entwirft ein differenziertes Bild von der komplexen Persönlichkeit Lenins, analysiert seine Vorstellungswelt und Vorgehensweise und bietet damit zugleich…mehr

Produktbeschreibung
Sein Mausoleum auf dem Roten Platz in Moskau ist noch immer Wallfahrtsstätte; für viele nicht nur in Rußland ist er der geniale Staatsgründer, für viele allerdings der Inbegriff des rücksichtslosen Machtmenschen: Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin (1871-1924).
Auf der Grundlage erstmals zugänglicher Quellen zeichnet Robert Service das Leben des so bedeutenden wie umstrittenen Revolutionärs sehr genau und mit kritischer Distanz nach. Er entwirft ein differenziertes Bild von der komplexen Persönlichkeit Lenins, analysiert seine Vorstellungswelt und Vorgehensweise und bietet damit zugleich einen neuen Einblick in die Ereignisse der Oktoberrevolution und die Entwicklung des Sowjetsstaates.
Eine ausgewogene, fundierte und anschauliche Biographie, die den historischen Lenin hinter den propagandistischen Mythen sichtbar macht.
Autorenporträt
Robert Service, Mitglied der British Academy und Professor des St Antony College, Oxford, an dem er russische Geschichte lehrt, verfasste mehrere Bücher über Russland und russische Revolution, u. a. hoch gelobte Biographien über Lenin und Stalin.
Rezensionen
"Robert Service erklärt aus einer Fülle von Details den Zusammenhang zwischen Leben, Tat und Revolution Lenins - er liefert die Neuigkeiten, er fasziniert als Forscher und Stilist." Die Welt

"Auf dem weiten Feld der Leniniana ist sein Expertenwissen nicht leicht zu übertreffen. Niemand hat die 'Privatgeschichte' Lenins von der Wiege bis zur Bahre verläßlicher dargestellt als Service in diesem Buch. Vieles, was bekannt war oder gemutmaßt wurde, konnte auf diese Weise bestätigt, ergänzt oder berichtigt werden." Die Zeit

"Generell überzeugt vor allem Services psychologisches Einfühlungsvermögen." Der Tagesspiegel "Das Standardwerk zu Lenin." Süddeutsche Zeitung

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2001

Mensch Lenin!
Neue Biographie über den Sowjetherrscher mit plakativen Thesen

Robert Service: Lenin. Eine Biographie. Aus dem Englischen von Holger Fließbach. Verlag C. H. Beck, München 2000. 680 Seiten, 13 Abbildungen, 68,50 Mark.

Robert Service hat bereits zwischen 1985 und 1995 drei Bände über "Lenin. A Political Life" vorgelegt. Mit seiner neuen Biographie will er "nicht nur den Politiker, sondern auch den Menschen Lenin" schildern. Bis vor zehn Jahren waren einem solchen Projekt die sowjetischen Archive verschlossen.

Der Autor sucht die Wurzeln der Gewaltbereitschaft und des moralischen Relativismus des Revolutionärs sowie der Repressions- und Terrorpolitik des Sowjetherrschers im Charakter Lenins, in dem er eine quasi angeborene Boshaftigkeit entdeckt hat. Schon das Kleinkind habe mit drei Jahren einem Pferdchen aus Pappe die Beine ausgerissen. Service kann viele Familienanekdoten aus dem Erinnerungsschatz der Schwestern aufbieten. Im übrigen führt er den Liquidationswillen des Revolutionärs gegen die Zarenfamilie, gegen die Aristokratie und gegen das Bürgertum Rußlands auf die jugendlichen Erfahrungen von Marginalisierung durch die offizielle Gesellschaft in der Heimatstadt Simbirsk zurück.

Nach der Hinrichtung seines älteren Bruders, der wegen Beteiligung an einem Attentat auf Alexander III. verurteilt wurde, hätte er diese Erfahrungen in einen blutigen Rachedurst überführt. Viel neues Material zur Pathogenese des Mannes (unter anderem eine schon in jungen Jahren aufgetretene Neigung zur Neurasthenie) wird von Service zusammengetragen. Insgesamt habe er eine "wandelnde Zeitbombe" dargestellt.

Leider ersetzen solche plakativ formulierten Thesen eine solide Analyse des Sozialisations- und Bildungsprozesses des jungen Mannes. In den Kernbereich des "Menschen Lenin" bringt dieses Buch überraschend wenig Licht. Lenin war nach seiner gesamten Sozialisation ein Mann des 19. Jahrhunderts. Service bleibt dieses Rußland in seiner revolutionären Gärung mit seiner "Umwertung aller Werte" verschlossen. Deren geistige Ausstrahlung, die "Nihilisten"-Publizistik, reichte bis in die Familie Uljanow hinein, die zu den Schichten gehörte, die dieser kulturellen Krise ausgesetzt waren. Fehlgriffe bei der zaghaften Charakterisierung von Literatur und Geist dieser Zeit sind in diesem Werk frappierend.

Man kann alle Fragen nach inhaltlichen Motiven und Theorien mit dem Hinweis auf die große Egomanie Lenins vom Tisch wischen. Nur bleibt so alles, was über dieses Charakterbild hinausführt, weitgehend unbeantwortet. Warum blieb Lenin nicht auf seiner Bosheit sitzen, sondern fand immer wieder Anhang, schließlich sogar die hörige Gefolgschaft eines Führers, der sein "Charisma" wirksam zur Geltung brachte?

Gewiß ist es verdienstvoll, die Rolle von Lenins Mutter, seinen Schwestern und seiner Ehefrau Krupskaja für die Stabilisierung dieses Charakters, dessen Gleichgewicht oft gefährdet war, erstmals in aller Breite herauszustellen. Doch generell werden die meisten Menschen um Lenin herum gespenstisch anonym gezeichnet. Sie treten auf, ohne vorgestellt und in ihren Beziehungen zu Lenin untersucht zu werden, und verschwinden wieder kommentarlos von der Bühne: A. Kollontai, L. Kamenjew, G. Sinowjew und andere. Für den Biographen scheinen die gruppendynamischen Prozesse um den Revolutionsführer bedeutungslos zu sein.

In der Weltsicht des Strategen der Weltrevolution erhielten Imperialismus, Krise, Weltkrieg und Revolution eine einheitliche Entwicklungslogik, der alles unterzuordnen war: vaterländische Zugehörigkeit ebenso wie nationalgesellschaftliche Reifebedingungen für den Sozialismus. Krieg und Imperialismus konnten hiernach die proletarische Revolution, ja sogar die Organisierung des sozialistischen Staates, nur erleichtern. Über dergleichen Ideen erfährt der Leser kaum etwas von Service.

Über den sittlichen Enthüllungseifer entgeht Service ganz die politische Wirkungsmacht gegenüber der Gefolgschaft des Revolutionsführers, die dieser erneut im Revolutionsjahr 1917 unter Beweis stellte. Dieses "Wunder" gab den Grundstoff für Revolutionsmythos und Leninkult ab. Dem Autor ist jedes banale Alltags-Detail wichtiger. Beim Bemühen, das Hegelsche "welthistorische Individuum" auf kleinlich-menschliche Dimensionen zurechtzustutzen, geht wiederholt die Verbindung mit der frühen Sowjetgeschichte verloren. Nicht einmal die Wahl Stalins zum Generalsekretär der Partei im April 1922 wird erwähnt. Dabei war dies für Lenin das deprimierende Eingeständnis seiner eigenen Führungsschwäche.

Man wird künftig nicht an dem reichhaltigen Material vorbeigehen können, das in dieser Biographie aufbereitet wird. Und doch scheint eine Geschichtsschreibung über den "Menschen Lenin" das wissenschaftliche Ziel zu verfehlen, wenn der Autor am Schluß fassungslos feststellt: "Lenin kam wie der Blitz aus heiterem Himmel."

BENNO ENNKER

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"Das Standardwerk zu Lenin." (Süddeutsche Zeitung)