"Mit mir nicht!" pflegte Leo Blech (1871-1958) zu sagen, wenn auf der Bühne etwas geschah, das nicht im Sinne der Musik lag, die er dirigierte. Auch sonst ließ der 1871 in Aachen geborene, über Prag nach Berlin gewanderte Komponist und Kapellmeister sich nicht alles gefallen. Nachdem er seit 1913 als Generalmusikdirektor für musikalischen Glanz an der Berliner Staatsoper gesorgt hatte, musste er sich 1937 zwangspensionieren lassen und 1938 nach Riga emigrieren. 1941 von der Deportation bedroht, erwirkte er freies Geleit über Berlin nach Stockholm, wo er seit den 1920er Jahren ein gern gesehener Gast war. 1949 kehrte er für eine letzte Periode als Generalmusikdirektor der Städtischen Oper nach Berlin zurück. Seine Art, deutsche, italienische und französische Oper zu dirigieren, war einzigartig. Von seinem sinfonischen Repertoire existieren hervorragende historische Aufnahmen.Dieser Band ist von Musikpublizisten geschrieben, die fassungslos registrierten, dass die Stadt Berlin Anfang 2013 glaubte, diesem Künstler das ihm 1958 verliehene Ehrengrab wieder entziehen zu dürfen. Auf diese Weise möchten sie dazu beitragen, die Ehre des Mannes wiederherzustellen, der den Ruf der Königlichen Oper und ihrer Nachfolgerin, der Staatsoper, entscheidend prägte und ihr zu internationalem Ruhm verhalf.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2015Berliner Denkzettel
Eine Erinnerung an den Dirigenten Leo Blech
Das erste Bild im Buch zeigt einen abgesägten Grabstein: Leo und Martha Blech, Friedhof Heerstraße, Berlin, Abteilung 20 Wald, ehemals 1e. Gefunden haben ihn zwei Musikpublizisten am 18. April 2013. Verwundert fragten sie sich von Behörde zu Behörde durch, wie denn das geschehen konnte. Denn Leo Blech, letzter königlich-preußischer Generalmusikdirektor, Dirigent an der Staatsoper Unter den Linden und der Städtischen Oper Berlin, Komponist zudem, hatte bei seinem Tod 1958 ein Ehrengrab bekommen. Zur selben Zeit, im Frühjahr 2013, erinnerte man in der Berliner Ausstellung "Zerstörte Vielfalt" an seine Leistungen. Blech hatte den Opernhäusern Berlins zu internationalem Glanz verholfen, war als Jude von den Nationalsozialisten vertrieben worden und schon 1949 zurückgekommen, um beim Wiederaufbau zu helfen.
Nach dem Schock über die behördliche Gedankenlosigkeit taten sich Jutta Lambrecht, Rüdiger Albrecht, Peter Sommeregger und Peter Sühring zusammen, um Leo Blech einen kleinen Band zu widmen. Sie konnten Henry Larsson gewinnen, über die Zeit in Stockholm beizusteuern, wo Blech schon 1926 zum Kapellmeister ernannt worden war und ab 1941 im Exil lebte. Der Dirigent hatte über dreißig Jahre in Berlin gewirkt und sich für moderne Komponisten wie Ferruccio Busoni und Sergej Prokofjew eingesetzt. Als Opernkomponist hatte er manchen Erfolg; seine symphonischen Dichtungen fanden das Interesse führender Dirigenten wie Willem Mengelberg und Richard Strauss. Und Blech war ein Pionier der Schallplatte: 1200 Titel weist seine Diskographie zwischen 1916 und 1947 auf.
Fleiß, Genauigkeit und Erfahrung hielt er sich zugute. Sänger fürchteten seine "Denkzettel", auf denen er ihre Leistungen schriftlich kommentierte. Sein größter Stolz aber war, dass Kaiser Wilhelm II. ihn 1913 zum Generalmusikdirektor auf Lebenszeit ernannt hatte. Dieser Urkunde wegen konnte er sich in Berlin unter den Nazis noch bis 1937 halten.
Am Ende des lebhaft erzählenden Buches steht ein Foto vom wieder aufgerichteten Grabstein. Internationale Proteste haben gefruchtet. Doch befindet der Stein sich nun gegenüber von seinem ehemaligen Standort. Im Grab von Leo Blech liegt jetzt der Germanist Peter Wapnewski.
JAN BRACHMANN
Jutta Lambrecht (Hrsg.): "Leo Blech". Komponist, Kapellmeister, Generalmusikdirektor.
Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin 2015. 108 S., geb., 9,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Erinnerung an den Dirigenten Leo Blech
Das erste Bild im Buch zeigt einen abgesägten Grabstein: Leo und Martha Blech, Friedhof Heerstraße, Berlin, Abteilung 20 Wald, ehemals 1e. Gefunden haben ihn zwei Musikpublizisten am 18. April 2013. Verwundert fragten sie sich von Behörde zu Behörde durch, wie denn das geschehen konnte. Denn Leo Blech, letzter königlich-preußischer Generalmusikdirektor, Dirigent an der Staatsoper Unter den Linden und der Städtischen Oper Berlin, Komponist zudem, hatte bei seinem Tod 1958 ein Ehrengrab bekommen. Zur selben Zeit, im Frühjahr 2013, erinnerte man in der Berliner Ausstellung "Zerstörte Vielfalt" an seine Leistungen. Blech hatte den Opernhäusern Berlins zu internationalem Glanz verholfen, war als Jude von den Nationalsozialisten vertrieben worden und schon 1949 zurückgekommen, um beim Wiederaufbau zu helfen.
Nach dem Schock über die behördliche Gedankenlosigkeit taten sich Jutta Lambrecht, Rüdiger Albrecht, Peter Sommeregger und Peter Sühring zusammen, um Leo Blech einen kleinen Band zu widmen. Sie konnten Henry Larsson gewinnen, über die Zeit in Stockholm beizusteuern, wo Blech schon 1926 zum Kapellmeister ernannt worden war und ab 1941 im Exil lebte. Der Dirigent hatte über dreißig Jahre in Berlin gewirkt und sich für moderne Komponisten wie Ferruccio Busoni und Sergej Prokofjew eingesetzt. Als Opernkomponist hatte er manchen Erfolg; seine symphonischen Dichtungen fanden das Interesse führender Dirigenten wie Willem Mengelberg und Richard Strauss. Und Blech war ein Pionier der Schallplatte: 1200 Titel weist seine Diskographie zwischen 1916 und 1947 auf.
Fleiß, Genauigkeit und Erfahrung hielt er sich zugute. Sänger fürchteten seine "Denkzettel", auf denen er ihre Leistungen schriftlich kommentierte. Sein größter Stolz aber war, dass Kaiser Wilhelm II. ihn 1913 zum Generalmusikdirektor auf Lebenszeit ernannt hatte. Dieser Urkunde wegen konnte er sich in Berlin unter den Nazis noch bis 1937 halten.
Am Ende des lebhaft erzählenden Buches steht ein Foto vom wieder aufgerichteten Grabstein. Internationale Proteste haben gefruchtet. Doch befindet der Stein sich nun gegenüber von seinem ehemaligen Standort. Im Grab von Leo Blech liegt jetzt der Germanist Peter Wapnewski.
JAN BRACHMANN
Jutta Lambrecht (Hrsg.): "Leo Blech". Komponist, Kapellmeister, Generalmusikdirektor.
Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin 2015. 108 S., geb., 9,90 [Euro].
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"Ein kleines, sehr empfehlenswertes Buch." Opernnetz. Kulturmagazin mit Charakter, Mai 2015 "Das Buch zeichnet den Lebenslauf eines bedeutenden Dirgenten und Komponisten jüdischer Herkunft in Deutschland nach. Es kann das Bemühen um das Kulturerbe des 20. Jahrhunderts (auch im Unterricht der Sekundarstufe II) wesentlich bereichern." Materialien Bildung für eine nachhaltige Entwicklung - Globales Lernen, März 2016 "Das Leo Blech gewidmete Büchlein beleuchtet die zahlreichen Facetten seines bewegten Lebens in Form einer Aufsatzsammlung. Erstaunlich, was alles in 107 kleinformatige Seiten passt. (...) So komprimiert die Materialfülle in dem Büchlein dargestellt wird, erleichtert sie in besonderem Maße den Einstieg in Leben und Wirken Leo Blechs." Forum Musikbibliothek Jg. 36, Heft 3 (November 2015) "Die unprätentiös geschriebene kleine Biografie, zu der mehrere Autoren Beiträge leisteten, beleuchtet die Kindheit in Aachen, die exzellente frühe Begabung, die den 22-Jährigen als Dirigenten einer eigenen ersten Oper ans Pult des Theaters seiner Vaterstadt führt. (...) Der Opernkomponist Blech findet ebenso eine Würdigung wie seine umfangreiche Diskografie, die heute allerdings kaum noch zugänglich ist." Aachener Zeitung, 22. September 2015 "Ein vergessener großer Dirigent" Bonner Rundschau Nr. 219, 21. September 2015 "In fundierter und kompakter Form gelingt es dem Band, Leben und Schaffen des Künstlers in ganzer Vielfalt und Wirkungskraft darzustellen." NOTA BENE Nr. 77, Herbst 2015 "Eine Miniatur über einen Giganten der Opernwelt" Berliner Bühnen (september 2015), Beilage der Berliner Morgenpost, 20. August 2015 "Ich habe das im Verlag Hentrich & Hentrich unter Schirmherrschaft des Centrum Judaicum erschienen Büchlein (...) mit Erbauung und Gewinn gelesen. Auch deshalb gern gelesen, weil es an einigen Stellen zum Widerspruch herausfordert. Solche Bücher sind mir die liebsten. (...) Das kleine Buch will ein Denkmal der besonderen Art sein, eines, das man auch bei sich tragen kann." Operalounge, 14. August 2015 "'Leo Blech; Komponist - Kapellmeister - Generalmusikdirektor' geeft een uitstekende indruk van de persoon Blech, zijn werk en zijn nalatenschap / 'Leo Blech' gives an excellent impression of the person Blech, his work and his legacy." Opera Nederland, Juli 2015 "Der neue Band über Leo Blech aus der Reihe 'Jüdische Miniaturen' bietet einen kompakten und fundierten Überblick über das Leben und Schaffen dieses heute kaum noch beachteten deutsch-jüdischen Dirigenten. Im Fokus der fünf Beiträge stehen Blechs Aufnahmetätigkeit und sein von Haydn bis Strauss reichendes Reportoire." Radiobeitrag in: SWR2 Cluster, 8. Juli 2015 »Leo Blech (1871-1958) gehört - als Dirigent noch mehr denn als Komponist - zu den großen Musikerpersönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland.« Opernkritik bei neue musikzeitung, 10. Oktober 2022.