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Leo XIII., der von 1878 bis 1903 im Amt war, war bei seinem Tod der älteste Papst der Kirchengeschichte. Eigentlich als Übergangskandidat gewählt, wurde seine 25-jährige Amtszeit doch in mehrfacher Hinsicht für die weitere Entwicklung prägend. Den Schwerpunkt legte er auf politische und gesellschaftliche Fragen: So profilierte er den Heiligen Stuhl als neutralen Vermittler zwischen den Staaten und als globale moralische Instanz. Durch die Enzyklika »Rerum Novarum« zur Arbeiterfrage begründete er die katholische Soziallehre. Man kann Leo XIII. auch als den ersten »Medienpapst« bezeichnen,…mehr

Produktbeschreibung
Leo XIII., der von 1878 bis 1903 im Amt war, war bei seinem Tod der älteste Papst der Kirchengeschichte. Eigentlich als Übergangskandidat gewählt, wurde seine 25-jährige Amtszeit doch in mehrfacher Hinsicht für die weitere Entwicklung prägend. Den Schwerpunkt legte er auf politische und gesellschaftliche Fragen: So profilierte er den Heiligen Stuhl als neutralen Vermittler zwischen den Staaten und als globale moralische Instanz. Durch die Enzyklika »Rerum Novarum« zur Arbeiterfrage begründete er die katholische Soziallehre. Man kann Leo XIII. auch als den ersten »Medienpapst« bezeichnen, insofern er die katholische Bevölkerung in den einzelnen Ländern bewusst für die Sache der Kirche einzuspannen suchte. Benedikt XVI. würdigt seinen großen Vorgänger mit den Worten: »Ein sehr alter Papst, aber weise und weitblickend. Mit der rechten Haltung, um die neuen Herausforderungen zu meistern, konnte er eine verjüngte Kirche ins 20. Jahrhundert führen.« Das Buch enthält einen umfangreichen Bildteil sowie Karten, Quellen und Register. "Heute fast vergessen, galt Leo XIII. den Menschen seiner eigenen Epoche als zeitgemäße Verkörperung des Papsttums, ja geradezu als Idealpapst." (Jörg Ernesti)
Autorenporträt
Jörg Ernesti, Studium in Paderborn, Wien und Rom, 1993 Priesterweihe, 1997 Promotion in Kirchengeschichte in Rom und 2007 in Ökumenischer Theologie in Paderborn, 2003 Habilitation in Mainz, seit 2013 Professor für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Universität Augsburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2019

Was der erste Medienpapst vom Eigentum hielt
Der fleißigste Enzyklikenschreiber der Kirchengeschichte: Jörg Ernesti porträtiert Leo XIII. als Mann des neunzehnten Jahrhunderts mit Gespür für Zukunftsfragen

Als Papst Franziskus kürzlich die Öffnung der Akten zum Pontifikat von Pius XII. (1939 bis 1963) für das kommende Jahr ankündigte, richtete sich die Medienaufmerksamkeit auf das Vatikanische Geheimarchiv, das seit jeher abenteuerliche Legenden bedient. Obwohl das "secretum" in der offiziellen Bezeichnung "Archivum Secretum Apostolicum Vaticanum" lediglich für eine Unterscheidbarkeit der privaten Dokumentensammlung der römischen Päpste zu den anderen kirchlichen Archiven sorgen sollte, war das Vatikanarchiv tatsächlich bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts für die Öffentlichkeit weitgehend verschlossen, bis Papst Leo XIII. im Jahr 1881 dort einen Lesesaal einrichten ließ und zwei Jahre später die umfassende Öffnung der Bestände verfügte.

Trotz dieser Pioniertat zählt Leo XIII., der an der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert an der Spitze der katholischen Kirche stand, zu den weniger bekannten Gestalten der neueren Kirchengeschichte. Die Forschung in Deutschland hat sich ihm nur sporadisch gewidmet. Allerdings entstanden in Frankreich und Italien zahlreiche Studien, nachdem Papst Johannes Paul II. im Jahr 1978 die Aktenbestände zu seinem Pontifikat zugänglich gemacht hatte.

Der Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti, Autor von Biographien über Benedikt XV. und Paul VI., lässt die Forschungsergebnisse aus den romanischen Ländern nun in seine Lebensbeschreibung von Leo XIII. (1878 bis 1903) einfließen. Damit legt er die erste deutschsprachige Vollbiographie dieses Papstes seit mehr als achtzig Jahren vor.

Ernesti porträtiert den 1810 als Gioacchino Vincenzo Pecci im Latium geborenen späteren Pontifex dabei ganz als ein Kind seines Jahrhunderts. Die Familie Pecci gehörte zum lokalen Adel, und einzelne Mitglieder rückten im Verlaufe der Jahrhunderte immer wieder in niedrige geistliche und weltliche Funktionen im Kirchenstaat auf. Gioacchino Pecci verfolgt ab dem Alter von acht Jahren eine nahezu klassische kirchliche Laufbahn vom Jesuitenschüler, Absolventen des Collegium Romanum und der päpstlichen Diplomatenakademie über Apostolische Delegaturen in Benevent und Perugia zum Nuntius in Brüssel.

1846 kehrt der Diplomat Pecci als Erzbischof nach Perugia zurück, doch obwohl Pius IX. (1846 bis 1878) ihn schon nach wenigen Jahren zum Kardinal erhebt, bleibt er fast dreißig Jahre Oberhirte des vergleichsweise kleinen und unbedeutenden Bistums, ohne weiter in der Kirchenhierarchie oder an der römischen Kurie aufzusteigen. Erst 1877 erfolgt seine Ernennung zum Camerlengo der römisch-katholischen Kirche. In dieser die meiste Zeit symbolischen Funktion muss er schon bald nach dem Tod Pius' IX. die Kirche durch die Sedisvakanz führen und das Konklave zur Wahl eines Nachfolgers organisieren. Er selbst gilt als möglicher Kompromisskandidat zwischen dem liberalen und den konservativen Flügel im Kardinalskollegium und nach damaliger Lebenserwartung mit achtundsechzig Jahren als möglicher Übergangspapst. Dass er nach seiner Wahl als Leo XIII. mehr als ein Vierteljahrhundert amtieren sollte, konnte sich sicher keiner seiner Wähler vorstellen.

Von seinem intransigenten Vorgänger erbte Leo XIII. die "römische Frage". 1870 war der Kirchenstaat untergegangen, der römische Pontifex hatte sein weltliches Territorium verloren und der Stuhl Petri befand sich nun auf dem Gebiet des neuen Königreichs Italien. Pius IX. wie Leo XIII. verließen aus Protest gegen die italienische Annexion den Vatikan nicht mehr. Doch trotz seiner vom Vorgänger übernommenen Inszenierung als "Gefangener im Vatikan" gelang Leo XIII. im Gegensatz zu Pius IX., vielfältige Beziehungen in die europäischen Länder und zu anderen Staaten der Welt zu knüpfen.

Ernesti präsentiert Leo XIII. als ersten Diplomatenpapst, der in zahlreichen Konflikten seiner Zeit als Vermittler angerufen wurde, etwa im Streit zwischen dem Deutschen Reich und Spanien um die westpazifischen Karolinen-Inseln. Der Autor führt deutlich vor Augen, dass der Papst als dezidierter "Homo Politicus" trotz und gerade wegen des Verlustes seiner weltlichen Souveränität ein wichtiger Akteur der europäischen Politik war und erhebliches Gewicht im fragilen europäischen Mächtegleichgewicht in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg hatte. Berühmt geworden sind die drei Audienzen für den Protestanten Wilhelm II. im Vatikan 1888, 1893 und 1903 - nicht zuletzt wegen ihrer breiten Berichterstattung in den zeitgenössischen Medien.

Im beginnenden Zeitalter der Massenmedien gewannen Papst und Papsttum ohnehin an Nachrichtenwert. Ernesti spricht von Leo XIII. als erstem "Medienpapst", der den technologischen Entwicklungen seiner Zeit offen gegenüberstand. Leo XIII. ist der erste Pontifex, von dem es noch erhaltene Tonaufnahmen und bewegte Bilder gibt, heute leicht über Youtube zu finden. Auf den Filmbildern aus dem Jahr 1896 sieht man den greisen, gegenüber der Kamera unsicher wirkenden Leo XIII. bei einer Kutschfahrt in den Vatikanischen Gärten mit seiner Entourage, die ihn immer wieder auffordert, Segenszeichen in Richtung der Kamera zu machen.

Dem "Diplomaten- und Medienpapst" stellt Ernesti schließlich den "Arbeiterpapst" zur Seite, dessen 1891 veröffentliche Enzyklika "Rerum Novarum" für den Autor das wichtigste kirchenhistorische Erbe des Pecci-Pontifikates darstellt. Den Sozialismus ablehnend, entwirft Leo XIII. darin eigene Antworten auf die drängenden sozialen Fragen seiner Zeit, fordert Rechte für die Arbeiter und konstatiert, dass jedes Eigentum verpflichte. Die Sozialenzyklika war dabei nur eines von sechsundachtzig päpstlichen Lehrschreiben, die Leo XIII. verfasste. Er gilt damit als fleißigster Enzyklikenschreiber der Kirchengeschichte. Daneben schrieb der "diplomatische Schöngeist" (Volker Reinhardt) auf dem Papstthron auch Poesie. In seinem "Gedicht auf dem Sterbebett", das Ernesti im Anhang aus dem Lateinischen übersetzt hat, nahm er seinen eigenen Tod im Juli 1903 lakonisch vorweg: "Die Schicksalsstunde bricht herein, LEO, es ist nunmehr Zeit zu scheiden."

RENÉ SCHLOTT

Jörg Ernesti: "Leo XIII.". Papst und Staatsmann.

Herder Verlag, Freiburg 2019. 480 S., geb., 38,- [Euro].

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