Marktplatzangebote
14 Angebote ab € 1,50 €
  • Broschiertes Buch

Inbegriff eines Genies. Von der menschlichen Anatomie zum Flugzeugbau

Produktbeschreibung
Inbegriff eines Genies. Von der menschlichen Anatomie zum Flugzeugbau
Autorenporträt
Frank Zöllner, geboren 1956 in Bremen. 1977 - 1981 Studium der Kunstgeschichte. 1983 - 1985 »Aby-Warburg-Stipendium« in London, The Warburg Institute. 1987 Promotion an der Universität Hamburg mit einer Arbeit über »Vitruvs Proportionsfigur«. 1988 - 1992 wissenschaftlicher Assistent, Bibliotheca Hertziana, Rom. 1995 Habilitation an der Universität Marburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.04.2003

Der nackte Mann und der Krieg
Leonardo da Vinci, der Mensch, der Meister, der Erfinder seltsamer Maschinen (II)
Der Traum der Erlösung vom Alltag heißt Technik. Ob der Mensch Wasser eimerweise aus dem Brunnen ziehen, im immer gleichen Rhythmus auf eine Trommel hauen und seine Feinde erschlagen will, einen nach dem anderen: der freie Geist sehnt sich nach Abwechslung, nach der Maschine, die alle Arbeiten in der monotonen Drehung eines Rades erledigt, während er träumen darf, einsam von der Schönheit der höheren Dingen und vom Flug der Vögel.
Krieg ist, wie Leonardo offensichtlich erkannt hat, ein Dorado der Rationalisierung. Mit einer klug konstruierten Maschine kann ein nackter Mann die Arbeit von sechzehn Kriegern, können drei Männer in effizienter Arbeitsteilung das Tagwerk eines Heers erledigen. Und in der Rüstungsindustrie liegt das Geld. Im Jahr 1482 bewirbt sich der junge Leonardo da Vinci beim Regenten von Mailand, Ludovico Sforza, mit seinen Ideen für neuartige Kriegsmaschinen: „So möchte ich die Aufmerksamkeit Ihrer Exzellenz erheischen, um Ihnen meine Geheimnisse darzulegen und diese Ihnen dann zu Ihrer vollsten Verfügung zu stellen, um – wenn die Zeit reif ist – all diejenigen Dinge, die ich hier kurz aufführe, zur wirkungsvollen Anwendung zu bringen.”
Leonardos Geheimnis liegt im Multiplikationsfaktor: statt eines Schusses zehn gleichzeitig. Armbruste, die am Fließband geladen und gespannt werden, Geschossorgeln, die in die Fläche gehen, und Kampfwagen, die in der Funktionsweise einer Mäh- und Dreschmaschine raumgreifende Schneisen in die anstürmende Menge schneiden. Lange vor der Erfindung des Aufschlagzünders zeichnet Leonardo Pläne für ein flächendeckendes Cluster-Bombardement mit sprengstoffgefüllter Submunition. Und zwischen allen High-Tech-Waffen einige eingestreute Blätter mit Pläne für Speerspitzen und Hellebarden – militärtechnisch damals schon völlig obsolet, aus der reinen Lust an der Form konstruiert.
Die kurzen, präzisen Einführungstexte von Frank Zöllner lassen der Phantasie des Betrachters alle Freiheit. Zöllner nennt die historischen Fakten, beschreibt den Erhaltungszustand der Originale, listet die wichtigste Sekundärliteratur auf und überlässt die Spekulation anderen. Mit Lupe und Spiegel möchte man die Zeichnungen studieren, nächtelang. Transkription und Übersetzung von Leonardos Begleittexten fehlen in dem monumentalen Folianten des Taschen-Verlags, der es völlig auf den optischen Overkill anlegt. Schauen und erschlagen werden. Und sich fühlen, wie der erste Entdecker einer geheimen Offenbarung. Oder täuscht der Eindruck, dass Leonardo zwischen seine Kritzeleien hier den Schaltplan eines Transistorradios versteckt hat und dort einer Lochstreifenrechenmaschine?
Mit zwei Euro für das Viertelpfund ist der Preis dieses Buches durchaus anständig; schließlich erwirbt man ein kulturelles Grundnahrungsmittel.
ULRICH KÜHNE
FRANK ZÖLLNER: Leonardo da Vinci 1452-1519. Sämtliche Gemälde und Zeichnungen. Mitarbeit von Johannes Nathan. Taschen Verlag, Köln 2003. 695 Seiten, 150 Euro.
Schrapnellmörser mit Sprenggeschossen, um 1495-1499. Aus dem Codex Atlanticus; Bibliotheca Ambrosiana, Mailand.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr