Mit seinen Geistesblitzen, Visionen, Maschinenträumen, anatomischen Studien gilt Leonardo da Vinci als Vordenker der Moderne. Das wichtigste aber war dem Universalgenie und Schöpfer der legendären »Mona Lisa« die Malerei, die er zum Leitmedium seiner Epoche machte. Kia Vahland zeigt in einer umfassenden Künstlerbiographie, wie ihm das gelang: Er verbündete sich mit den Frauen. Von der stolzen jungen Maria bis zur weisen Mona Lisa, von der dynamischen »Dame mit dem Hermelin« bis zur gütigen heiligen Anna sind sie die Hauptfiguren seiner Gemälde. Um das Weibliche kreisen seine wegweisenden Ideen zur Naturgeschichte, zur Schöpfung und zur Kunst.
Leonardo da Vinci malt Frauen, wie die Welt sie noch nicht kannte: als selbstbewusste, zugewandte Wesen mit komplexer Persönlichkeit; er feiert ihren Eigensinn, ihren Verstand, ihre Emotionalität und ihre Sinnlichkeit - und erfindet so gemeinsam mit seinen Modellen die moderne Frau als ebenbürtiges Gegenüber des Mannes.
Anhand von Leonardos Bildern, Texten und anderen historischen Quellen schildert Kia Vahland den Lebensweg und das gesamte malerische uvre des Jahrtausendkünstlers. Sie erzählt die Geschichten der bedeutenden Persönlichkeiten in seiner Nähe wie Isabella d'Este und Lorenzo de' Medici und berichtet vom Alltagsleben und den politischen Verflechtungen der Renaissance. Die Biographie erklärt, wie der Maler Konventionen brach und so eine neue Sicht auf Natur und Kunst, Frauen und Männer, Wissenschaft, Religion und Politik entwickelte - und damit seinen Ruhm und seine Bedeutung bis heute begründete.
Leonardo da Vinci malt Frauen, wie die Welt sie noch nicht kannte: als selbstbewusste, zugewandte Wesen mit komplexer Persönlichkeit; er feiert ihren Eigensinn, ihren Verstand, ihre Emotionalität und ihre Sinnlichkeit - und erfindet so gemeinsam mit seinen Modellen die moderne Frau als ebenbürtiges Gegenüber des Mannes.
Anhand von Leonardos Bildern, Texten und anderen historischen Quellen schildert Kia Vahland den Lebensweg und das gesamte malerische uvre des Jahrtausendkünstlers. Sie erzählt die Geschichten der bedeutenden Persönlichkeiten in seiner Nähe wie Isabella d'Este und Lorenzo de' Medici und berichtet vom Alltagsleben und den politischen Verflechtungen der Renaissance. Die Biographie erklärt, wie der Maler Konventionen brach und so eine neue Sicht auf Natur und Kunst, Frauen und Männer, Wissenschaft, Religion und Politik entwickelte - und damit seinen Ruhm und seine Bedeutung bis heute begründete.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der hier rezensierende Kunsthistoriker Benjamin Paul hat die von der SZ-Redakteurin vorgelegte Leonardo-Studie mit gemischten Gefühlen gelesen. Dem feministischen Ansatz der Autorin kann der Kritiker weitgehend folgen, wenngleich er anmerkt, dass Vahland bei ihrer Analyse der Ginevra de' Benci allzu frei assoziiert und psychologisiert, dabei aus Ginevra eine "melancholische Denkerin" macht, wo Leonardo lediglich Intimität kompensieren wollte, wie Paul anmerkt. Treffend findet er hingegen die Interpretation der Mona Lisa: Hier kann Vahland dank exakter Bildanalyse darlegen, dass es sich bei dem Porträt nicht um eine konkrete Person, sondern um das "ideale Wunschwesen des älteren Meisters" handele, lobt der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2019Der Weltenfrau ins Auge schauen
Zum Leben erwachende Bilder: Kia Vahland und Bernd Roeck reihen sich unter die Buchautoren zum runden Todestag von Leonardo da Vinci.
Dass Leonardo da Vinci ein Universalgenie war, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass unter der Fülle populärwissenschaftlicher Veröffentlichen anlässlich seines fünfhundertsten Todestages nur wenige von Kunsthistorikern stammen. Zu ihnen zählt das Buch von Kia Vahland. Die Kunsthistorikerin und Redakteurin der "Süddeutschen Zeitung" legt ein Buch über Leonardo und die Frauen vor.
Der Titel ist eine Reminiszenz an Rona Goffens "Titian's Women" aus dem Jahr 1997, einer Zeit, als New Art History und damit die Öffnung des Fachs für den Feminismus im Mainstream angekommen war. Genau wie die amerikanische Kunsthistorikerin, die Tizians proto-feministische Seiten aufzudecken bemüht war, befreit Vahland nun Leonardo aus dem misogynen Korsett seiner Zeit, in der Frauen als Männern in allen Belangen unterlegen galten. Denn im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen macht, laut Vahland, "der Maler die gängige Abwertung der Frauen nicht mit", sondern verleihe ihnen in seinen "psychologischen Frauenbildnissen" "Eigenständigkeit" und "Selbstbewusstsein".
Vahland entwickelt dieses Argument anhand von Bildern, die sie "Schlüsselwerke" nennt, den Porträts der Ginevra de' Benci, Cecilia Gallerani und Mona Lisa. Alles drei wurden zuletzt vor allem im Zusammenhang mit dem Paragone gesehen, also der Rivalität zwischen der Poesie und Malerei. In seinen elegischen Sonetten auf Laura beklagte sich Francesco Petrarca, dass Simone Martinis Bildnis das Antlitz der Verstorbenen zwar darstelle, nicht aber ihre "Stimme und Intellekt" und sie deshalb nicht zum Leben erwecken könne.
Die Maler der Renaissance, allen voran Leonardo, nahmen die Herausforderung an, bemühten sich um die Aktivierung der Porträtierten. Während bis dahin Frauen und auch Männer zumeist steif und würdevoll im Profil gezeigt wurden, blickten sie nun aus dem Bild und traten in Dialog mit den Betrachtern. Gerade bei Porträts muss freilich stets auf die ihnen zugedachte Rolle wie auf den sozialen Status der Dargestellten geachtet werden. So zeigt auch Leonardo Isabella d'Este, die Herrscherin am Hof von Mantua, im reinen Profil und respektvoller Untersicht.
Doch Leonardo setzte zusehends auf die psychologische Verlebendigung. In seinen Porträts werde, so Vahland, aus Petrarcas Monolog, in dem Laura keine eigene Stimme besitzt, ein Dialog zwischen dem Künstler/Betrachter und der Dargestellten. Allerdings muss man anmerken, dass im Frühwerk davon noch nicht allzu viel zu sehen ist. Das Innovative des Porträts der Ginevra de' Benci liegt eher darin, dass es eine der frühesten italienischen Darstellungen einer Frau von vorne ist. Doch kompensiert Leonardo die dadurch entstehende Intimität, die gerade bei Frauen als unangemessen galt, durch Ginevras undurchdringliche, regungslose Haltung. Mit ihren ursprünglich, vor der späteren Beschneidung des Bildes, im Schoß verschränkten Armen entsprach sie vollständig dem in der Inschrift auf der Rückseite formulierten weiblichen Ideal der Tugend, die durch Schönheit belohnt wird.
Vahland jedoch macht aus Ginevra eine melancholische Denkerin und gleich noch eine Revolution der Malerei ("die Kunst fortan eine andere"). Dabei verfällt sie dem psychologisierenden Hineinlesen, das seit jeher eine Versuchung der Porträtforschung ist. Anstatt das Bild genau zu beschreiben, verliert sie sich in freien Assoziationen. So behauptet Vahland beispielsweise, dass Ginevra Leonardo auf Augenhöhe begegne; dabei zeigt er sie leicht von oben herab, weshalb nun auch die Betrachter in alle Ewigkeit auf sie hinunterschauen. Während in Ginevras regungslosem Gesicht angeblich ihre "schöne Seele" und "kluger Verstand" zum Ausdruck kommen, entdeckt Vahland in Botticellis zeitgleichem Porträt von Smeralda Brandini im Victoria and Albert Museum keinerlei Seelenregung. Dabei öffnet Smeralda das Fenster und wendet ihren Kopf dynamisch dem Betrachter zu, um ihn unumwunden anzublicken. So gesehen, bietet sich Botticellis Bild viel eher einer feministische Deutung an als Leonardos Ginevra.
Auf die Mona Lisa hingegen trifft Vahlands Interpretation von Leonardos dialogischer Kunst, in der die Gezeigten ein starkes "Eigenleben" besitzen, fraglos zu. Wie sie diesmal mit einer genauen Bildanalyse belegt, in der auch Leonardos Sfumato-Maltechnik anschaulich beschrieben wird, handelt es sich bei der Mona Lisa gar nicht mehr um das Porträt von einer konkreten Person (vermutlich der Lisa del Giocondo aus Florenz), sondern vielmehr um das Bildnis einer "Weltenfrau" und "idealen Wunschwesens des älteren Meisters". Denn die Mona Lisa besitze nicht nur "Seelenkraft" und "Eigenständigkeit", sie demonstriere auch Leonardos Verständnis von der Einheit Mensch - Natur.
Damit wird die Mona Lisa für Vahland zum Manifest von Leonardos Malkunst und Weltbild. Ein Gedanke, den man noch weiterführen könnte, denn Mona Lisa erwacht zum Leben nicht nur, weil sie sich mit ihrem gesamten Oberkörper den Betrachtern zuwendet und auf sie mit ihrem berühmten Lächeln zu reagieren scheint. Gerade indem sie diese Präsenz mit einer Unbestimmtheit kombiniert, die sich der Sfumato-Maltechnik verdankt, wird sie zur Projektionsfläche. In seinem Kunsttraktat schrieb Leonardo, dass jeder Künstler sich selbst male. Mit der Mona Lisa gelang ihm ein Bild, in dem sich sogar die Betrachter spiegeln, die es mit ihrer Vorstellungskraft ergänzen. Leonardos Ermächtigung der Frau ist zugleich die Ermächtigung der Kunst, zumal die Personifikation der Malerei eine Frau ist.
Im Gegensatz zu Kia Vahland verzichtet Bernd Roeck auf eine Fokussierung. Der Züricher Historiker hat wichtige kunstgeschichtliche Studien, vor allem zur Kunstpatronage, geschrieben. So ist es auch eine Stärke seines Buchs, dass es Leonardos mannigfaltige Aktivitäten in realpolitische, historische Zusammenhänge stellt. Dabei zeigt sich der souveräne Geschichtenerzähler, dem es gelingt, auf unterhaltsame, jedoch stets sachliche Weise Zusammenhänge zu veranschaulichen. Da Roeck jedoch gleichzeitig versucht, in einer rasanten tour de force nahezu sämtliche Facetten von Leonardos Schaffen abzudecken, fehlt es seinen Ausführungen bisweilen notgedrungen an Tiefgang. So fertigt er ein Hauptwerk wie "Das letzte Abendmahl" auf gerade einmal acht Seiten ab. Und zumal nach der Lektüre von Vahlands Buch enttäuschen Roecks knappe Diskussionen der Frauenbildnisse, die sich zudem fast vollständig in Fragen der Auftraggeberschaft erschöpfen.
Roecks Buch ist eine gelungene Einführung, die auch originelle Seiten hat - hervorzuheben wäre etwa der kuriose Versuch, mit forensischen Methoden Leonardos Phantombild zu erstellen -, aber von diesem Autor wie Roeck hätte man sich letztlich doch ein wenig mehr erhofft.
BENJAMIN PAUL
Kia Vahland: "Leonardo
da Vinci und die Frauen". Eine Künstlerbiographie.
Insel Verlag, Berlin 2019. 348 S., geb., 26,- [Euro].
Bernd Roeck: "Leonardo". Der Mann, der alles wissen wollte.
Verlag C. H. Beck, München 2019. 429 S., geb., 28,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zum Leben erwachende Bilder: Kia Vahland und Bernd Roeck reihen sich unter die Buchautoren zum runden Todestag von Leonardo da Vinci.
Dass Leonardo da Vinci ein Universalgenie war, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass unter der Fülle populärwissenschaftlicher Veröffentlichen anlässlich seines fünfhundertsten Todestages nur wenige von Kunsthistorikern stammen. Zu ihnen zählt das Buch von Kia Vahland. Die Kunsthistorikerin und Redakteurin der "Süddeutschen Zeitung" legt ein Buch über Leonardo und die Frauen vor.
Der Titel ist eine Reminiszenz an Rona Goffens "Titian's Women" aus dem Jahr 1997, einer Zeit, als New Art History und damit die Öffnung des Fachs für den Feminismus im Mainstream angekommen war. Genau wie die amerikanische Kunsthistorikerin, die Tizians proto-feministische Seiten aufzudecken bemüht war, befreit Vahland nun Leonardo aus dem misogynen Korsett seiner Zeit, in der Frauen als Männern in allen Belangen unterlegen galten. Denn im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen macht, laut Vahland, "der Maler die gängige Abwertung der Frauen nicht mit", sondern verleihe ihnen in seinen "psychologischen Frauenbildnissen" "Eigenständigkeit" und "Selbstbewusstsein".
Vahland entwickelt dieses Argument anhand von Bildern, die sie "Schlüsselwerke" nennt, den Porträts der Ginevra de' Benci, Cecilia Gallerani und Mona Lisa. Alles drei wurden zuletzt vor allem im Zusammenhang mit dem Paragone gesehen, also der Rivalität zwischen der Poesie und Malerei. In seinen elegischen Sonetten auf Laura beklagte sich Francesco Petrarca, dass Simone Martinis Bildnis das Antlitz der Verstorbenen zwar darstelle, nicht aber ihre "Stimme und Intellekt" und sie deshalb nicht zum Leben erwecken könne.
Die Maler der Renaissance, allen voran Leonardo, nahmen die Herausforderung an, bemühten sich um die Aktivierung der Porträtierten. Während bis dahin Frauen und auch Männer zumeist steif und würdevoll im Profil gezeigt wurden, blickten sie nun aus dem Bild und traten in Dialog mit den Betrachtern. Gerade bei Porträts muss freilich stets auf die ihnen zugedachte Rolle wie auf den sozialen Status der Dargestellten geachtet werden. So zeigt auch Leonardo Isabella d'Este, die Herrscherin am Hof von Mantua, im reinen Profil und respektvoller Untersicht.
Doch Leonardo setzte zusehends auf die psychologische Verlebendigung. In seinen Porträts werde, so Vahland, aus Petrarcas Monolog, in dem Laura keine eigene Stimme besitzt, ein Dialog zwischen dem Künstler/Betrachter und der Dargestellten. Allerdings muss man anmerken, dass im Frühwerk davon noch nicht allzu viel zu sehen ist. Das Innovative des Porträts der Ginevra de' Benci liegt eher darin, dass es eine der frühesten italienischen Darstellungen einer Frau von vorne ist. Doch kompensiert Leonardo die dadurch entstehende Intimität, die gerade bei Frauen als unangemessen galt, durch Ginevras undurchdringliche, regungslose Haltung. Mit ihren ursprünglich, vor der späteren Beschneidung des Bildes, im Schoß verschränkten Armen entsprach sie vollständig dem in der Inschrift auf der Rückseite formulierten weiblichen Ideal der Tugend, die durch Schönheit belohnt wird.
Vahland jedoch macht aus Ginevra eine melancholische Denkerin und gleich noch eine Revolution der Malerei ("die Kunst fortan eine andere"). Dabei verfällt sie dem psychologisierenden Hineinlesen, das seit jeher eine Versuchung der Porträtforschung ist. Anstatt das Bild genau zu beschreiben, verliert sie sich in freien Assoziationen. So behauptet Vahland beispielsweise, dass Ginevra Leonardo auf Augenhöhe begegne; dabei zeigt er sie leicht von oben herab, weshalb nun auch die Betrachter in alle Ewigkeit auf sie hinunterschauen. Während in Ginevras regungslosem Gesicht angeblich ihre "schöne Seele" und "kluger Verstand" zum Ausdruck kommen, entdeckt Vahland in Botticellis zeitgleichem Porträt von Smeralda Brandini im Victoria and Albert Museum keinerlei Seelenregung. Dabei öffnet Smeralda das Fenster und wendet ihren Kopf dynamisch dem Betrachter zu, um ihn unumwunden anzublicken. So gesehen, bietet sich Botticellis Bild viel eher einer feministische Deutung an als Leonardos Ginevra.
Auf die Mona Lisa hingegen trifft Vahlands Interpretation von Leonardos dialogischer Kunst, in der die Gezeigten ein starkes "Eigenleben" besitzen, fraglos zu. Wie sie diesmal mit einer genauen Bildanalyse belegt, in der auch Leonardos Sfumato-Maltechnik anschaulich beschrieben wird, handelt es sich bei der Mona Lisa gar nicht mehr um das Porträt von einer konkreten Person (vermutlich der Lisa del Giocondo aus Florenz), sondern vielmehr um das Bildnis einer "Weltenfrau" und "idealen Wunschwesens des älteren Meisters". Denn die Mona Lisa besitze nicht nur "Seelenkraft" und "Eigenständigkeit", sie demonstriere auch Leonardos Verständnis von der Einheit Mensch - Natur.
Damit wird die Mona Lisa für Vahland zum Manifest von Leonardos Malkunst und Weltbild. Ein Gedanke, den man noch weiterführen könnte, denn Mona Lisa erwacht zum Leben nicht nur, weil sie sich mit ihrem gesamten Oberkörper den Betrachtern zuwendet und auf sie mit ihrem berühmten Lächeln zu reagieren scheint. Gerade indem sie diese Präsenz mit einer Unbestimmtheit kombiniert, die sich der Sfumato-Maltechnik verdankt, wird sie zur Projektionsfläche. In seinem Kunsttraktat schrieb Leonardo, dass jeder Künstler sich selbst male. Mit der Mona Lisa gelang ihm ein Bild, in dem sich sogar die Betrachter spiegeln, die es mit ihrer Vorstellungskraft ergänzen. Leonardos Ermächtigung der Frau ist zugleich die Ermächtigung der Kunst, zumal die Personifikation der Malerei eine Frau ist.
Im Gegensatz zu Kia Vahland verzichtet Bernd Roeck auf eine Fokussierung. Der Züricher Historiker hat wichtige kunstgeschichtliche Studien, vor allem zur Kunstpatronage, geschrieben. So ist es auch eine Stärke seines Buchs, dass es Leonardos mannigfaltige Aktivitäten in realpolitische, historische Zusammenhänge stellt. Dabei zeigt sich der souveräne Geschichtenerzähler, dem es gelingt, auf unterhaltsame, jedoch stets sachliche Weise Zusammenhänge zu veranschaulichen. Da Roeck jedoch gleichzeitig versucht, in einer rasanten tour de force nahezu sämtliche Facetten von Leonardos Schaffen abzudecken, fehlt es seinen Ausführungen bisweilen notgedrungen an Tiefgang. So fertigt er ein Hauptwerk wie "Das letzte Abendmahl" auf gerade einmal acht Seiten ab. Und zumal nach der Lektüre von Vahlands Buch enttäuschen Roecks knappe Diskussionen der Frauenbildnisse, die sich zudem fast vollständig in Fragen der Auftraggeberschaft erschöpfen.
Roecks Buch ist eine gelungene Einführung, die auch originelle Seiten hat - hervorzuheben wäre etwa der kuriose Versuch, mit forensischen Methoden Leonardos Phantombild zu erstellen -, aber von diesem Autor wie Roeck hätte man sich letztlich doch ein wenig mehr erhofft.
BENJAMIN PAUL
Kia Vahland: "Leonardo
da Vinci und die Frauen". Eine Künstlerbiographie.
Insel Verlag, Berlin 2019. 348 S., geb., 26,- [Euro].
Bernd Roeck: "Leonardo". Der Mann, der alles wissen wollte.
Verlag C. H. Beck, München 2019. 429 S., geb., 28,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Wie sie mit einer genauen Bildanalyse belegt, in der auch Leonardos Sfumato-Maltechnik anschaulich beschrieben wird, handelt es sich bei der Mona Lisa gar nicht mehr um das Porträt von einer konkreten Person (vermutlich der Lisa del Giocondo aus Florenz), sondern vielmehr um das Bildnis einer 'Weltenfrau' und 'idealen Wunschwesens des älteren Meisters'.« Benjamin Paul Frankfurter Allgemeine Zeitung 20190416