Barbara Frischmuth, Ruth Klüger und Marlene Streeruwitz gehören zu den bedeutendsten österreichischen Schriftstellerinnen. Der Band lesen versammelt die eigens für das 10-jährige Jubiläum des Grazer Literaturhauses geschriebenen Texte der drei Autorinnen, die ihre Leseerfahrungen thematisieren.
Schreiben und Lesen seien, "wie alle Prozesse von Sprachfindung", "mögliche Formen des In-sich-Hineinblickens", betont Streeruwitz. Sie seien "Forschungsreisen ins Verborgene. Verhüllte. Mitteilungen über die Geheimnisse und das Verbotene." Und sie präzisiert mit Blick auf das Lesen: "Wer hat noch nicht, wie vom Blitz getroffen, in ein Buch gestarrt oder es in die Ecke geschleudert und, vom Begreifen überfallen, nach Luft gerungen, weil eine Stelle, ein Satz, ja ein Wort in der ganz bestimmten Konfiguration des Textes etwas in ihr oder ihm getroffen hat."
So ein Lesen, verstanden als Erkenntnisschock, entbehrt jeder Beiläufigkeit und Unverbindlichkeit. Es zeugt von Beteiligtheit, ja von Verstrickung, und entfaltet auf diese Weise die Qualität einer vertieften Einsicht, einer existenziellen Erfahrung. In ihrem autobiographischen Buch weiter leben weiß Ruth Klüger von einer derart intensivierten Leseerfahrung zu berichten.
Sie schildert darin ihre Aufenthalte in den Konzentrationslagern Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau und Christianstadt, und wie ihre Mutter eines Tages für die halbwüchsige Tochter, die immer schon gern gelesen hat, ein zerfleddertes Schullesebuch erbettelt. Das Buch enthält u.a. den "Osterspaziergang" aus Goethes Faust, ein Filetstück deutschen Bildungsgutes, doch die Dreizehnjährige inhaliert den Text nicht im Bewusstsein seiner kanonischen Geltung, sondern weil sie ihn direkt und unmittelbar auf ihre Situation beziehen kann.
Einer anderen Beleuchtung bedarf manchmal sogar das eigene Werk. Jedes Schreiben produziert über kurz oder lang seinen eigenen Kanon, inhaltliche oder formale Besonderheiten, die bei der Leserschaft bestimmte Erwartungen wecken. Wer sein Schreiben offen und geschmeidig halten will, muß diese Erwartungen brechen. Auch dafür liefert Barbara Frischmuth ein markantes Beispiel. Ihre "Bildergeschichte" Machtnix oder Der Lauf, den die Welt nahm, weist schon durch die ungewöhnliche Gattungsbezeichnung auf den Hybridcharakter des Textes hin. Das Buch weckt Assoziationen zu illustrierten Kinderbüchern und Comicstrips, zitiert Elemente des Märchens, der Tierfabel und der Sciencefiction-Literatur.
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Schreiben und Lesen seien, "wie alle Prozesse von Sprachfindung", "mögliche Formen des In-sich-Hineinblickens", betont Streeruwitz. Sie seien "Forschungsreisen ins Verborgene. Verhüllte. Mitteilungen über die Geheimnisse und das Verbotene." Und sie präzisiert mit Blick auf das Lesen: "Wer hat noch nicht, wie vom Blitz getroffen, in ein Buch gestarrt oder es in die Ecke geschleudert und, vom Begreifen überfallen, nach Luft gerungen, weil eine Stelle, ein Satz, ja ein Wort in der ganz bestimmten Konfiguration des Textes etwas in ihr oder ihm getroffen hat."
So ein Lesen, verstanden als Erkenntnisschock, entbehrt jeder Beiläufigkeit und Unverbindlichkeit. Es zeugt von Beteiligtheit, ja von Verstrickung, und entfaltet auf diese Weise die Qualität einer vertieften Einsicht, einer existenziellen Erfahrung. In ihrem autobiographischen Buch weiter leben weiß Ruth Klüger von einer derart intensivierten Leseerfahrung zu berichten.
Sie schildert darin ihre Aufenthalte in den Konzentrationslagern Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau und Christianstadt, und wie ihre Mutter eines Tages für die halbwüchsige Tochter, die immer schon gern gelesen hat, ein zerfleddertes Schullesebuch erbettelt. Das Buch enthält u.a. den "Osterspaziergang" aus Goethes Faust, ein Filetstück deutschen Bildungsgutes, doch die Dreizehnjährige inhaliert den Text nicht im Bewusstsein seiner kanonischen Geltung, sondern weil sie ihn direkt und unmittelbar auf ihre Situation beziehen kann.
Einer anderen Beleuchtung bedarf manchmal sogar das eigene Werk. Jedes Schreiben produziert über kurz oder lang seinen eigenen Kanon, inhaltliche oder formale Besonderheiten, die bei der Leserschaft bestimmte Erwartungen wecken. Wer sein Schreiben offen und geschmeidig halten will, muß diese Erwartungen brechen. Auch dafür liefert Barbara Frischmuth ein markantes Beispiel. Ihre "Bildergeschichte" Machtnix oder Der Lauf, den die Welt nahm, weist schon durch die ungewöhnliche Gattungsbezeichnung auf den Hybridcharakter des Textes hin. Das Buch weckt Assoziationen zu illustrierten Kinderbüchern und Comicstrips, zitiert Elemente des Märchens, der Tierfabel und der Sciencefiction-Literatur.
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