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"Gibt es in der Wohnung einen Tisch?" Maria Berger ist Malerin, und ihr bleiben noch vier Tage Zeit in New York. Sie verbringt sie in einer fremden Wohnung mit einem Mann, den sie in diesem heißen Sommer kennengelernt hat und der ihr vertraut und fremd zugleich ist. Zwei Bewohner auf Zeit, die nichts anderes zu tun haben, als eine Katze zu füttern, während deren Besitzer in Europa weilt ...

Produktbeschreibung
"Gibt es in der Wohnung einen Tisch?" Maria Berger ist Malerin, und ihr bleiben noch vier Tage Zeit in New York. Sie verbringt sie in einer fremden Wohnung mit einem Mann, den sie in diesem heißen Sommer kennengelernt hat und der ihr vertraut und fremd zugleich ist. Zwei Bewohner auf Zeit, die nichts anderes zu tun haben, als eine Katze zu füttern, während deren Besitzer in Europa weilt ...
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.1997

Lieber zur Tante nach Hannover
Strenges New York: Anne-Felicitas Görtz in "Leslies Apartment"

Daß New York sehr heiß sein kann, hat sich ebenso herumgesprochen wie die zeitweilige Kälte Venedigs. Als Metapher erzeugt die amerikanische Metropole, unabhängig von der Saison, die Temperatur einer nicht zu überbietenden Weltläufigkeit. Nur Arno Schmidt stellte das in Frage, als er bemerkte: "Was heißt schon New York? Großstadt ist Großstadt; ich war oft genug in Hannover." Ein literarisches Debüt, das in Hannover spielt, wird es trotzdem schwerer haben als eines, das mit der von tausend Bildern erhitzten Einbildungskraft des Lesers rechnen darf. Wer, außer Arno Schmidt, möchte schon in Hannover gewesen sein? In New York aber waren auf den Flügeln von Medien und Mythos auch die, die noch nie dort waren, also fast alle.

Anne-Felicitas Görtz besitzt zur Stadt der Städte offenbar ein intimes Verhältnis. Die Topographie und das Klima New Yorks haben sich ihr jedenfalls derart eingeprägt, daß sie es riskieren konnte, als Erzählerin in die Haut seiner ständigen Bewohner zu schlüpfen. In den Geschichten, die in dem Band "Leslies Apartment" versammelt sind, jongliert die Autorin mit Perspektivwechseln und Identitätsverwirrungen wie ein Detektivdarsteller mit seinem Feuerzeug: betont lässig, scheinbar abgebrüht und doch ein wenig angestrengt den Effekt kalkulierend.

Die trickreiche Türklinke des hochgestylten Cafés "Dean & Deluca" öffnet den Erinnerungsraum eines Gastes, der schon diverse Safes und Autotüren geknackt hat, bis in seine Hinterhofkindheit hinein. Anne-Felicitas Görtz spricht mit seiner Stimme, dann mit der seiner drogensüchtigen Freundin, skizziert ein schonungsloses Milieu, als sei sie dabeigewesen, zumindest im Kino. In "Malvi's Café" geht es noch härter und zugleich gekünstelter zu: Da lehnt jemand namens Johnny mit dem Rücken an der Theke, "lächelte, als sie hereinkam, und hob eine Hand, ohne die Ellenbogen vom Tresen zu nehmen", und seine Augen haben "die Farbe gefrorenen Schiefers". Nach einem gefährlich erotischen Austern-Imbiß fließt Blut in einer verlassenen Lagerhalle, und am Ende läßt sich die Frau in den Kleidern des Mannes - Bluejeans, Hut, Gürtel mit Silberschlaufe - zum Bahnhof fahren. Warum, spielt keine Rolle. Hier sollen, soviel wird deutlich, nur Bilder evoziert werden, die mit all jenen, die der Leser als Kinogänger gespeichert hat, zu einer Art Filmsequenz verschmelzen.

Die lange Titelerzählung enthält mehr Wirklichkeit, ist noch geprägt vom Blick der zugereisten Fremden, die sich in das Stadtwunder New York verliebt. Diese hier, eine Malerin, hat außerdem eine melancholisch zukunftslose Affäre mit einem New Yorker Musikwissenschaftler. Bei drückender Sommerhitze teilen die beiden "Leslies Apartment", die Siebenzimmerwohnung eines abwesenden Freundes, mit dessen alkoholsüchtiger Katze. In ihrer filmgeschulten, im Visuellen versierten Sprache malt Anne-Felicitas Görtz immer wieder Stadtbilder von atmosphärischer Dichte, aber die Love-Story kommt am Klischee nicht vorbei: "Sie fühlte seine Hand in ihrem Haar."

Solange die Autorin beschreibt, was jemand sieht, vor seinem äußeren oder inneren Auge, hat sie einen aparten Ton und ein sinnliches Gespür für Situationen. Ansonsten gerät sie hier und da ins Schwimmen, wie der musikalische Liebhaber im Hallenbad: "Wenn all diese Töne zerfallen in einer Verlorenheit, eine Auflösung wie auf dem Meeresgrund, zum strengen Gewölbeton werden, der seine Ohren abschloß, um in diesem Extraraum zu beten, den meditativen Ruf gegen das Wasser zu brummen, war das die Entropie der Musik?" Wohl eher ein Warnzeichen des Hörsturzes, mit dem er nach dem Abschied von der Frau, die er "honey" nennt, auf Leslies Parkett zusammensinken wird.

Unaufwendig, konzentriert und durchaus elegant gerundet sind zwei kürzere Stücke über Menschen in der Großstadt, ein kleines Mädchen aus Jamaica und eine schizophrene Zimmervermieterin. "Die Übung" am Schluß zieht wieder alle Register der Anverwandlung und spektakulären Inszenierung. Hier trifft der Film, der im Kopf eines sterbenden Mordopfers abläuft, auf die Selbstzweifel des Polizisten, der den Killer observiert: Visonäres à la Castaneda ("Der vollkommene Reisende weiß nicht, wohin er gelangt") steht neben dem trostlos-banalen Gedankenfluß des komplexbeladenen Detektivs, der mit Hot dogs und Diätcola im Chevrolet sitzt und auf den Laserpistolenschützen Kid Phoenix wartet. Übung macht bekanntlich den Meister - vielleicht hätte das Ergebnis mehr überzeugt, wenn man die beiden Innenwelten stückweise gegeneinander geschnitten hätte, statt sie auseinanderklaffen zu lassen wie zwei Grapefruithälften.

Eines stimmt bedenklich: New York, wie es in diesen Erzählungen erscheint, ist eine sehr ernste, strenge Stadt, ein Ort für pathetische Thriller und Psychodramen, der nie auch nur vom leisesten Hauch des Komödiantischen berührt wird. Wäre dieses Bild zutreffend, müßte man sich im Notfall doch auf den alten Witz (nicht von Arno Schmidt!) besinnen, der da lautet: Wenn die Welt untergeht, dann fahre ich eben zu meiner Tante nach Hannover. KRISTINA MAIDT-ZINKE

Anne-Felicitas Görtz: "Leslies Apartment". Erzählungen. Hanser Verlag, München und Wien 1997. 168 S., geb., 34,- DM.

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"Eine äußerst gelungene und fesselnde Momentaufnahme des Prototyps der modernen Stadt. Mit ethnographischer Genauigkeit beleuchtet sie Momente in den Lebenslinien ihrer Figuren und taucht in den brodelnden Schmelztiegel einer Millionenmetropole ein. Hier liegt die Stärke von Anne-Felicitas Görtz: Das genaue Beobachten an sich unspektakulärer - aber dennoch oft skurriler - Ereignisse. Der Leser ist gefesselt, und den Charakteren wird Leben eingehaucht." Stefan Mössler in den "Nürnberger Nachrichten"
"Görtz ist eine talentierte Autorin, auf deren weitere Shortstories man gespannt sein kann."
Paul Michael Lützeler in der "Zeit"
"In ihrer filmgeschulten, im Visuellen versierten Sprache malt Anne-Felicitas Görtz immer wieder Stadtbilder von atmosphärischer Dichte."
Kristina Maidt-Zinke in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung"
"Sie schafft mit ihrem Erzählen Atmosphäre und legt eine Fährte durch die Großstadtschluchten, der man gern folgt."
Katja Schneider in der "Süddeutschen Zeitung"