Das Buch macht den Leser mit vielen der -Letzten ihrer Art- wie Affen, Gepard und Kondor bekannt und führt in eindringlicher Klarheit vor Augen, welcher Verlust ihr Aussterben bedeuten würde. Ein leidenschaftlicher Aufruf zur Erhaltung gefährdeter Arten in Zoos und zugleich eine sachliche Dokumentation der uns verbleibenden Möglichkeiten, bedrohte Tiere zu retten. Gerald Durell: -Dieser Bericht gewährt Einblicke hinter die Kulissen von Zoos und informiert über die Schwierigkeiten und Erfolge der Zucht von Tieren in Menschenobhut und ihre Zukunft. Ich kann es gar nicht nachdrücklich genug empfehlen!-
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.1998Grüß Gott, Frau Kondor, wie geht's den werten Eiern?
Wer mit Colin Tudge den Zoo besucht, kann manche Art begrüßen, die außerhalb des Geheges ausgestorben ist
Langfristig heißt es: Zurück zur Natur. Geboren und aufgewachsen in der Obhut des Menschen, sollen Nashörner und Antilopen, Geier und Papageien wieder in ihrem ursprünglichen Lebensraum Fuß fassen. Und falls ihnen selbst keine Heimkehr vergönnt ist, dann vielleicht ihren Kindern oder Kindeskindern. Viele zoologische Gärten verstehen sich als Arche Noah für die bedrohte Tierwelt. Wie sie sich um den Artenschutz verdient machen und wo sie an ihre Grenzen stoßen, darüber berichtet Colin Tudge in einem lesenswerten Buch.
Wenn es um die Rettung gefährdeter Tierarten geht, dürfen die klassischen Erfolgsgeschichten nicht fehlen: In freier Wildbahn ausgestorben, konnten Davidshirsch, Przewalskipferd und Arabische Oryxantilope in zoologischen Gärten bis heute überleben. Bei der Oryxantilope, einem eleganten Geschöpf mit langen spießförmigen Hörnern, glückte sogar die Wiederansiedlung in der angestammten Heimat: Sechs Jahre nachdem in der arabischen Wüste letztmals eine Oryxantilope gesichtet worden war, reisten 1978 die ersten Tiere aus ihrem Exil zurück nach Jordanien. Zwei Jahre später kam eine kleine Herde nach Oman, und weitere folgten. Geeigneter Lebensraum war reichlich vorhanden, denn Oryxantilopen beanspruchen weder wertvolles Weideland, noch vergreifen sie sich an den Früchten der Felder. Als Spezialisten für extremes Wüstenklima bevölkern sie Landstriche, die auch für Ziegen und Kamele zu unwirtlich sind. Selbst bei großer Hitze können die Oryxantilopen ihren Wasserverlust derart einschränken, daß sie nichts zu trinken brauchen. Notfalls lassen sie ihre Körpertemperatur einige Stunden lang auf bis zu 45 Grad ansteigen, ohne dabei Schaden zu nehmen. Da die Heimkehrer diese Fähigkeit nicht verlernt hatten, konnten sie sich rasch mit ihrer neuen Umgebung anfreunden.
Auch der Kalifornische Kondor - mit drei Metern Flügelspannweite Nordamerikas stattlichster Greifvogel - war zeitweilig aus seinem natürlichen Lebensraum verschwunden. Im Herbst 1986 gab es nur noch drei Tiere in freier Natur. Diese Letzten ihres Stammes wurden dann eingefangen und in zoologischen Gärten einquartiert. Gemeinsam mit zwei Dutzend Artgenossen, die schon länger dort lebten, sollten sie fleißig für Nachwuchs sorgen. Daß der Kalifornische Kondor gewöhnlich nur wenig Nachkommen großzieht, war einer der Gründe, warum es mit ihm bergab ging. Alle zwei Jahre ein Kind - das reichte nicht aus, um die arg bedrängte Population stabil zu halten. Mancher Jäger scherte sich wenig um die Gesetze, die den prachtvollen Vögeln Schutz bieten sollten. Und selbst wenn niemand auf ihn zielte, wurde der Kondor ein Opfer der Jagd: Wenn er tote Tiere verspeiste, verleibte er sich oft die bleierne Munition ein, der er seinen Schmaus verdankte. Nicht nur dieses Gift wurde ihm zum Verhängnis. Wie viele andere Greifvögel hatte auch der Kalifornische Kondor unter dem Insektizid DDT und dessen Abbauprodukten zu leiden.
Um ihre kleine Schar rasch zu vergrößern, brauchten die Überlebenden einige Unterstützung. Wenn man die Eier aus dem Nest nimmt, kann ein Kondorweibchen in zwei Jahren bis zu sechs Nachkommen produzieren statt nur einen einzigen. Die Jungen schlüpfen dann freilich in einem Brutkasten. Damit sie sich trotzdem als Kondor fühlen, haben sich ihre Betreuer eine Maskerade ausgedacht: Sie nähern sich ihren Schützlingen mit Handpuppen, die dem Kopf eines erwachsenen Kondors gleichen. Sorgsam umhegt, gediehen die Nestlinge so prächtig, daß sich die Zahl der Vögel in fünf Jahren verdoppelte. Schon 1992 konnten erstmals zwei Tiere in die Freiheit entlassen werden. Heute ist der Kalifornische Kondor zwar noch nicht über den Berg, doch es besteht Hoffnung, daß er wieder Auftrieb bekommt.
Wenn eine Tierart vor dem Aussterben bewahrt werden soll, geht es freilich nicht nur um die Zahl der Sprößlinge, sondern auch um deren genetische Ausstattung. Es gilt, Inzucht zu vermeiden und die genetische Vielfalt zu erhalten. Sind nur wenige Tiere übriggeblieben, so ist das oft leichter gesagt als getan. Zuweilen greifen die Artenschützer deshalb zu allerlei Tricks. Wenn das Ergebnis nicht auf konventionelle Weise zustande kommen will, klappt es vielleicht mit den Methoden der modernen Fortpflanzungstechnik. Mit viel Enthusiasmus schildert der Autor, was alles machbar scheint, von der künstlichen Besamung bis zu artfremden Leihmüttern. Die Erwartung, seltene Tiere einst klonen zu können, stimmt ihn ebenfalls hoffnungsfroh.
Für die Artenschützer wird es aber nicht bloß dann schwierig, wenn ihre Schützlinge sich hartnäckig weigern, Nachwuchs hervorzubringen. Reicher Kindersegen kann ebenso zum Problem werden, denn Platz ist knapp in den zoologischen Gärten. Nur wenn überzählige Tiere in ihrem ursprünglichen Lebensraum willkommen sind, können sie dorthin zurückkehren. Im Etoscha-Nationalpark, im Norden von Namibia, soll zum Beispiel das Breitmaulnashorn wieder heimisch werden. Vor hundert Jahren wurde es dort von deutschen Großwildjägern ausgerottet. Vor zwei Jahren reiste dann erstmals ein Nashorn aus einem deutschen Tierpark nach Afrika, um beim Aufbau einer neuen Population zu helfen.
Viele Tierarten können außerhalb zoologischer Gärten derzeit allerdings keine oder jedenfalls keine halbwegs krisensichere Heimat finden. Hier gilt es, auf bessere Zeiten zu warten. Was aber soll mit jenen Geschöpfen geschehen, deren einstiger Lebensraum inzwischen vollständig vernichtet wurde? Solch heikle Fragen werden ebensowenig ausgespart wie die Tatsache, daß Tierparks nur einem winzigen Teil der Fauna Asyl gewähren können. Delphine und Wale bleiben ebenso außen vor wie die unzähligen Schmetterlinge, Käfer und andere kleine Krabbeltiere, denen die Zerstörung tropischer Regenwälder zum Verhängnis wird. Wer Zuflucht in zoologischen Gärten findet, ist zweifellos privilegiert.
Colin Tudge beleuchtet das Schicksal gefährdeter Arten und die Chancen von Rettungsaktionen aus vielen Blickwinkeln. Nur wenige Angaben wecken Zweifel. So präsentiert sich das schottische Hochland gewiß nicht deshalb als Moor- und Heidelandschaft, "weil unsere neolithischen Vorfahren die Eichen- und Kiefernwälder rodeten, die es zuvor dort gab". Das ist für die Menschen der Steinzeit zweifellos zuviel der Ehre - die großflächige Zerstörung der Wälder blieb späteren Generationen vorbehalten. Von solch kleinen Schönheitsfehlern abgesehen, ist die Lektüre sehr informativ. Der Autor hat mit großem Eifer viel Wissenswertes zusammengetragen und läßt in seinen Geschichten auch so manchen Hoffnungsschimmer blicken. Unverdrossener Einsatz für die bedrohte Tierwelt, das möchte er seinen Lesern vermitteln, ist keine vergebliche Liebesmüh. DIEMUT KLÄRNER
Colin Tudge: "Letzte Zuflucht Zoo". Die Erhaltung bedrohter Arten in Zoologischen Gärten. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1998. 392 S., Abb., br., 19,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer mit Colin Tudge den Zoo besucht, kann manche Art begrüßen, die außerhalb des Geheges ausgestorben ist
Langfristig heißt es: Zurück zur Natur. Geboren und aufgewachsen in der Obhut des Menschen, sollen Nashörner und Antilopen, Geier und Papageien wieder in ihrem ursprünglichen Lebensraum Fuß fassen. Und falls ihnen selbst keine Heimkehr vergönnt ist, dann vielleicht ihren Kindern oder Kindeskindern. Viele zoologische Gärten verstehen sich als Arche Noah für die bedrohte Tierwelt. Wie sie sich um den Artenschutz verdient machen und wo sie an ihre Grenzen stoßen, darüber berichtet Colin Tudge in einem lesenswerten Buch.
Wenn es um die Rettung gefährdeter Tierarten geht, dürfen die klassischen Erfolgsgeschichten nicht fehlen: In freier Wildbahn ausgestorben, konnten Davidshirsch, Przewalskipferd und Arabische Oryxantilope in zoologischen Gärten bis heute überleben. Bei der Oryxantilope, einem eleganten Geschöpf mit langen spießförmigen Hörnern, glückte sogar die Wiederansiedlung in der angestammten Heimat: Sechs Jahre nachdem in der arabischen Wüste letztmals eine Oryxantilope gesichtet worden war, reisten 1978 die ersten Tiere aus ihrem Exil zurück nach Jordanien. Zwei Jahre später kam eine kleine Herde nach Oman, und weitere folgten. Geeigneter Lebensraum war reichlich vorhanden, denn Oryxantilopen beanspruchen weder wertvolles Weideland, noch vergreifen sie sich an den Früchten der Felder. Als Spezialisten für extremes Wüstenklima bevölkern sie Landstriche, die auch für Ziegen und Kamele zu unwirtlich sind. Selbst bei großer Hitze können die Oryxantilopen ihren Wasserverlust derart einschränken, daß sie nichts zu trinken brauchen. Notfalls lassen sie ihre Körpertemperatur einige Stunden lang auf bis zu 45 Grad ansteigen, ohne dabei Schaden zu nehmen. Da die Heimkehrer diese Fähigkeit nicht verlernt hatten, konnten sie sich rasch mit ihrer neuen Umgebung anfreunden.
Auch der Kalifornische Kondor - mit drei Metern Flügelspannweite Nordamerikas stattlichster Greifvogel - war zeitweilig aus seinem natürlichen Lebensraum verschwunden. Im Herbst 1986 gab es nur noch drei Tiere in freier Natur. Diese Letzten ihres Stammes wurden dann eingefangen und in zoologischen Gärten einquartiert. Gemeinsam mit zwei Dutzend Artgenossen, die schon länger dort lebten, sollten sie fleißig für Nachwuchs sorgen. Daß der Kalifornische Kondor gewöhnlich nur wenig Nachkommen großzieht, war einer der Gründe, warum es mit ihm bergab ging. Alle zwei Jahre ein Kind - das reichte nicht aus, um die arg bedrängte Population stabil zu halten. Mancher Jäger scherte sich wenig um die Gesetze, die den prachtvollen Vögeln Schutz bieten sollten. Und selbst wenn niemand auf ihn zielte, wurde der Kondor ein Opfer der Jagd: Wenn er tote Tiere verspeiste, verleibte er sich oft die bleierne Munition ein, der er seinen Schmaus verdankte. Nicht nur dieses Gift wurde ihm zum Verhängnis. Wie viele andere Greifvögel hatte auch der Kalifornische Kondor unter dem Insektizid DDT und dessen Abbauprodukten zu leiden.
Um ihre kleine Schar rasch zu vergrößern, brauchten die Überlebenden einige Unterstützung. Wenn man die Eier aus dem Nest nimmt, kann ein Kondorweibchen in zwei Jahren bis zu sechs Nachkommen produzieren statt nur einen einzigen. Die Jungen schlüpfen dann freilich in einem Brutkasten. Damit sie sich trotzdem als Kondor fühlen, haben sich ihre Betreuer eine Maskerade ausgedacht: Sie nähern sich ihren Schützlingen mit Handpuppen, die dem Kopf eines erwachsenen Kondors gleichen. Sorgsam umhegt, gediehen die Nestlinge so prächtig, daß sich die Zahl der Vögel in fünf Jahren verdoppelte. Schon 1992 konnten erstmals zwei Tiere in die Freiheit entlassen werden. Heute ist der Kalifornische Kondor zwar noch nicht über den Berg, doch es besteht Hoffnung, daß er wieder Auftrieb bekommt.
Wenn eine Tierart vor dem Aussterben bewahrt werden soll, geht es freilich nicht nur um die Zahl der Sprößlinge, sondern auch um deren genetische Ausstattung. Es gilt, Inzucht zu vermeiden und die genetische Vielfalt zu erhalten. Sind nur wenige Tiere übriggeblieben, so ist das oft leichter gesagt als getan. Zuweilen greifen die Artenschützer deshalb zu allerlei Tricks. Wenn das Ergebnis nicht auf konventionelle Weise zustande kommen will, klappt es vielleicht mit den Methoden der modernen Fortpflanzungstechnik. Mit viel Enthusiasmus schildert der Autor, was alles machbar scheint, von der künstlichen Besamung bis zu artfremden Leihmüttern. Die Erwartung, seltene Tiere einst klonen zu können, stimmt ihn ebenfalls hoffnungsfroh.
Für die Artenschützer wird es aber nicht bloß dann schwierig, wenn ihre Schützlinge sich hartnäckig weigern, Nachwuchs hervorzubringen. Reicher Kindersegen kann ebenso zum Problem werden, denn Platz ist knapp in den zoologischen Gärten. Nur wenn überzählige Tiere in ihrem ursprünglichen Lebensraum willkommen sind, können sie dorthin zurückkehren. Im Etoscha-Nationalpark, im Norden von Namibia, soll zum Beispiel das Breitmaulnashorn wieder heimisch werden. Vor hundert Jahren wurde es dort von deutschen Großwildjägern ausgerottet. Vor zwei Jahren reiste dann erstmals ein Nashorn aus einem deutschen Tierpark nach Afrika, um beim Aufbau einer neuen Population zu helfen.
Viele Tierarten können außerhalb zoologischer Gärten derzeit allerdings keine oder jedenfalls keine halbwegs krisensichere Heimat finden. Hier gilt es, auf bessere Zeiten zu warten. Was aber soll mit jenen Geschöpfen geschehen, deren einstiger Lebensraum inzwischen vollständig vernichtet wurde? Solch heikle Fragen werden ebensowenig ausgespart wie die Tatsache, daß Tierparks nur einem winzigen Teil der Fauna Asyl gewähren können. Delphine und Wale bleiben ebenso außen vor wie die unzähligen Schmetterlinge, Käfer und andere kleine Krabbeltiere, denen die Zerstörung tropischer Regenwälder zum Verhängnis wird. Wer Zuflucht in zoologischen Gärten findet, ist zweifellos privilegiert.
Colin Tudge beleuchtet das Schicksal gefährdeter Arten und die Chancen von Rettungsaktionen aus vielen Blickwinkeln. Nur wenige Angaben wecken Zweifel. So präsentiert sich das schottische Hochland gewiß nicht deshalb als Moor- und Heidelandschaft, "weil unsere neolithischen Vorfahren die Eichen- und Kiefernwälder rodeten, die es zuvor dort gab". Das ist für die Menschen der Steinzeit zweifellos zuviel der Ehre - die großflächige Zerstörung der Wälder blieb späteren Generationen vorbehalten. Von solch kleinen Schönheitsfehlern abgesehen, ist die Lektüre sehr informativ. Der Autor hat mit großem Eifer viel Wissenswertes zusammengetragen und läßt in seinen Geschichten auch so manchen Hoffnungsschimmer blicken. Unverdrossener Einsatz für die bedrohte Tierwelt, das möchte er seinen Lesern vermitteln, ist keine vergebliche Liebesmüh. DIEMUT KLÄRNER
Colin Tudge: "Letzte Zuflucht Zoo". Die Erhaltung bedrohter Arten in Zoologischen Gärten. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1998. 392 S., Abb., br., 19,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main