Produktdetails
  • Verlag: Jacoby & Stuart
  • ISBN-13: 9783941087026
  • ISBN-10: 3941087029
  • Artikelnr.: 23907402
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2009

Lauter Leute
Ein großer Bilderkatalog versammelt 200 Menschentypen
Was ist ein Buckliger, ein Nudist oder ein Exzentriker? Bilder können bekanntlich die Welt erklären oder sie zumindest deuten. Das scheint auch das Anliegen von Blexbolex, alias Bernard Granger zu sein. In einem über 200 Seiten umfassenden Bilderkatalog will er Kindern und Jugendlichen vor Augen führen, wie Menschen sind, was sie geworden sind, was sie tun, wie sie sich inszenieren und als was wir sie wahrnehmen. Auf jeder Seite kommt eine Figur zum Abdruck, die mit einem Wortbegriff versehen ist: Ein Papa, ein Diktator, eine Solistin oder ein Vampir. Quer durch reale und fiktionale Welten führt uns der Künstler in Berufe, soziale Rollen und gesellschaftliche Typen ein.
Aber was und wie erzählen die Bilder in Leute? Wir wissen um die Macht des Bildes, Realitäten zu schaffen oder umzudeuten. Der in Berlin lebende französische Grafiker trifft eine kluge Entscheidung: er wählt für sein Figurenkompendium den Offsetdruck und erzielt so betont flächige Figuren, die wie farbige Silhouetten wirken. Nur selten sieht man ausdifferenzierte Gesichter. Stilistisch knüpfen seine Bilder mit den reduzierten transparenten Farbflächen an verschiedene künstlerische Epochen an, so an die Plakatkunst der 1920er Jahre, an Fernand Légers Farbpapiere, aber auch an die Popart. Diese Reduktion des Stils schafft Freiräume, um sich der Typisierung und Zuordnung, die durch Bild und Text vorgenommen werden, entziehen zu können. Auch der weiße Grund, auf dem die Figuren stehen, lässt eigene Geschichten und Deutungen zu. Denn natürlich greift Blexbolex auf bildnerische, gestische und soziale Stereotypen zurück, um etwa einen Bettler, einen Piraten oder einen Geschäftsmann zu charakterisieren und führt uns vor Augen, wie eng Sein und Schein zusammen liegen. Ein Cowboy und ein Schauspieler nehmen die gleiche Pose ein. Oder wir sehen den Schiffsbrüchigen durch das Fernglas des Bademeisters. Und immer wieder blitzt Ironie zwischen den Figuren auf, zum Beispiel, wenn ein Klempner und eine Akrobatin ganz ähnliche Verrenkungen machen, der eine, um zu reparieren, die andere um zu imponieren. Hier ergeben sich über den Spaß hinaus auch Anlässe für das Nachdenken über „Leute” und ihre Tätigkeiten. Indem auch fiktionale und mythische Figuren auftreten, wie Fee, Hexe oder Meerjungfrau, wird die Sammlung um wichtige Bereiche der Kinderkultur erweitert.
Das Experiment ist ehrgeizig: ein visuelles Lexikon der Menschen, ihrer Physiognomien, Eigenarten sowie ihrer beruflichen und sozialen Rollen zu erstellen, fast ohne Erläuterungen und Kommentare – die muss der Betrachter selbst liefern und seine persönlichen Erfahrungen einbringen. So erfährt man nicht nur einiges über „Leute”, sondern auch über die eigene Wahrnehmung. JENS THIELE
BLEXBOLEX: Leute. Jacoby & Stuart 2008. 208 Seiten, 14,95 Euro. (Auf der Auswahlliste zum Jugendliteraturpreis)
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Jens Thiele findet das Projekt des in Berlin lebenden französischen Grafikers Blexbolex alias Bernard Granger nicht nur ziemlich "ehrgeizig", sondern auch gelungen. Menschentypen möchte Blexbolex darstellen - und obwohl er fast ganz auf verbale Erläuterungen und Einordnungen verzichtet, schaffen es seine Bilder, beim Betrachter einen Reflektionsprozess über die "eigene Wahrnehmung" in Ganz zu setzen und zugleich vor Augen zu führen, wie " eng Schein und Sein" beieinander liegen. Das liegt nach Thieles Einschätzung unter anderem auch daran, dass Blexbolex überzeugend Prototypen darstellt, indem er etwa auf "ausdifferenzierte Gesichter" verzichtet. Auch die grafische Umsetzung im Offsetdruck, bei der sich der Künstler an der Plakatkunst der1920er Jahre orientiert, findet der Rezensent gelungen.

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