Lew Kopelew (1912-1997), Germanist und Autor, war seit seiner Ausbürgerung als sowjetischer Dissident im Jahr 1981 bis zu seinem Tod in Köln einer der populärsten Russen in Deutschland. Im Mittelpunkt dieser Darstellung steht der jüdische Aspekt seines Lebens - im ausgehenden Zarenreich, in der Ukraine, in der UdSSR und in der Bundesrepublik Deutschland. Kopelews Familiengeschichte, sein Umgang mit jüdischer Tradition, der Zweite Weltkrieg, die Schoa, Erinnerungskultur, Versöhnungsstrategien, Analysen von Totalitarismen, Antisemitismus, Israel, jüdische Kontingentflüchtlinge - das sind die zentralen Themen, die hier mit Hilfe zum großen Teil bisher unbekannter Archivquellen erzählt werden.Anna Seghers hat Kopelew in ihrer unveröffentlichten Korrespondenz wiederholt als "Transitmann" bezeichnet. Sein Leben war geprägt vom ständigen physischen und kulturellen Unterwegssein sowie von mehreren gesellschaftlichen, politischen und sprachlichen Transiträumen.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Sich angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mit dem sowjetisch-ukrainisch-jüdischen Germanisten Lew Kopelew zu beschäftigen, ist für Rezensent Micha Brumlik eine lobenswerte verlegerische Entscheidung. Zumal Autor Dimitrij Belkin im Zentralrat der Juden arbeitet und sich genauso intensiv mit Deutschland beschäftige, wie es der 1997 in Deutschland verstorbene Dissident Kopelew getan habe, schreibt Brumlik. Denn die schmale Biografie über den Friedenspreisträger von 1981, habe einiges Wissenswerte zu bieten, findet der Rezensent: Zum Beispiel, dass der aus einer jüdischen Familie stammende Kopelew am Holomodor in der Ukraine beteiligt war. Sein Augenmerk richtet Brumlik aber auf den Umstand, dass Kopelew trotz allen Wissens über die Shoah und der russischen Repressionen gegen ihn, niemals in Erwägung zog, nach Israel auszuwandern. Dass Belkin Kopelew als "christlich fühlenden Bolschewiken" beschreibe, hat für Brumlik einen nachdrücklichen Mehrwert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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