Waldsterben, Ozonloch, Überbevölkerung: die Medien oder Umweltverbände nennen jedes Jahr ein anderes Problem als Ursache für den bevorstehenden Weltuntergang. Doch viele dieser Phänomene sind in Forscherkreisen umstritten. Die Journalisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch sind Fehlinterpretationen und Mißverständnissen auf den Grund gegangen. Im "Lexikon der Öko-Irrtümer" präsentieren sie nun - ohne die Probleme herunterzuspielen - die manchmal überraschenden, oft provozierenden Ergebnisse ihrer Recherchen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.1998Seltene Fische macht man zu Geld
Gegen die Irrtümer der Ökofundamentalisten: Warum die Wirtschaft die Umwelt retten soll
Die Wahrheit ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Wahr ist, einem heutzutage weitverbreiteten Verständnis zufolge, eine Botschaft dann, wenn ihre Intention gut begründet ist und sie beim Empfänger ankommt. Mit diesem religiösen Wahrheitsbegriff arbeitet der Ökologismus, eine Bewegung, der Dirk Maxeiner und Michael Miersch gute Chancen einräumen, zur Zentralreligion der Jahrtausendwende zu werden. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, über die Irrtümer fanatischer Fundamentalisten aufzuklären, die sich wie rechte und linke Ideologen vor ihnen an einer radikalen "Säuberung" der Welt versuchen. Den beiden Autoren erscheint der Ökologismus bedrohlich, weil einzelne Vordenker "die westliche Demokratie für zu schwach halten und angesichts der Umweltgefahren mit autoritären Lösungen liebäugeln". Auch die Rituale vom Fastenwandern bis zur Castor-Blockade, egalitäres Pathos, Endzeitgrusel und das Gefühl, einer verkannten Elite der Rechtgläubigen anzugehören, vermitteln ihnen Unbehagen.
"Echter Fortschritt kann nur durch vermehrte Aufklärung stattfinden, was soviel bedeutet wie die Zerstörung der Mythen", schrieb bereits George Orwell. Maxeiner und Miersch haben schon vor zwei Jahren eine Programmschrift des "Öko-Optimismus" erscheinen lassen. Nun greifen sie im Dienst ihrer guten Sache auf ein klassisches Medium der Aufklärung zurück: das Lexikon. Sie wollen mit den Mythen und Phrasen der Ökologisten aufräumen, die eine freie Sicht auf tatsächliche Veränderungsmöglichkeiten verstellen. Ihr Buch richtet sich nicht gegen den Umweltschutz. Vielmehr wollen sie den Blick auf die echten Probleme der Welt lenken, als deren größtes sie die Armut erkennen: Millionen Menschen sind aus nackter Not gezwungen, die Natur zu plündern und die Umwelt zu verschmutzen. Wer sich jedoch angesichts weltweiter Umweltbedrohung vornehmlich auf sein Recht auf Unglück durch Identifikation mit verfolgten Völkern und bedrohten Tierarten beruft und hartnäckig auf der Frage nach den Guten und den Bösen beharrt, wird kaum zur Rettung des Planeten beitragen.
Zu den populären Irrtümern zählen die Autoren die bevorstehende, durch den Menschen verursachte Klimakatastrophe. Verfolge man die mittleren Jahrestemperaturen seit ungefähr 1860, so seien die Temperaturen bis heute gestiegen. Ziehe man hingegen die Zahlenwerte aus einem längeren Zeitraum, etwa seit 1700, heran, so sei die gegenwärtige Erwärmung nicht ungewöhnlich, ähnlich warm sei es auch zur Zeit der Französischen Revolution gewesen. Vor tausend Jahren, als es noch keine nennenswerte künstliche Erzeugung von Treibhausgasen gab, war es sogar so warm, daß die Insel Grönland ihren Namen wegen ihres damaligen blühenden Bewuchses erhielt.
Die Computersimulationen der Wetterforscher, auf die sich zahlreiche apokalyptische Prognosen stützen, zeigen immer noch Schwächen. So hatten Klimatologen für den Fall, daß Saddam Hussein im Golfkrieg die Ölquellen anzünden würde, eine weiträumige regionale Kältewelle vorausgesagt, tatsächlich blieben selbst im nur hundertfünfzig Kilometer entfernten Bahrein die Temperaturen fast unverändert. Heute verlassen sich Wetterforscher wie Dennis Bray oder Hans von Storch lieber auf Umfragen unter ihren Kollegen als auf die eigenen Modellrechnungen. Nur ein Drittel von 385 befragten Klimaforschern war sich sicher, daß die anthropogene Klimaerwärmung bereits im Gange ist. Wer trotz des ungewissen Ausgangs der Klimadebatte etwas für das Klima tun will, kann den Autoren zufolge einen Hektar Wald für ungefähr tausend Mark (ohne Grundstückskosten) neu anpflanzen und seine persönliche Kohlendioxydbilanz somit ausgleichen. Energiesparen hilft ebenso wie der Verzicht auf die Massentierhaltung.
Andere Irrtümer beruhen auf falschen Annahmen. So warnte Greenpeace einmal vor Spielzeug, das aus dem Kunststoff hergestellt wird, aus dem auch Beutel für Blutkonserven gefertigt werden. Beim Brand auf dem Düsseldorfer Flughafen kamen die Opfer durch Kohlenmonoxydvergiftung um und nicht durch von PVC-Kabeln freigesetzte Dioxine, wie vereinzelt gemeldet wurde.
Manchmal entstehen Umweltbedrohungen sogar erst durch die Aktivitäten der Umweltschützer. Wer das atomare Endlager in Gorleben blockiert, fördert die Plutoniumwirtschaft. In den Wiederaufarbeitungsanlagen von La Hague und Sellafield werden die strahlenden Abfälle deutscher Kernkraftwerke unter erhöhter Freisetzung von Radioaktivität zu Brennstoff für zukünftige Reaktoren verarbeitet, statt aus dem Verkehr gezogen zu werden.
Maxeiner und Miersch sind Wissenschaftsjournalisten. Sie schöpfen nicht aus eigenen Forschungen, sondern verlassen sich auf Gewährsleute. Kritiker des Buches haben - so jüngst im ARD-Magazin "Globus" - die Seriosität dieser Experten in Zweifel gezogen, namentlich beim wichtigen Thema des Klimawandels. Auch dem Laien wird auffallen, daß die Überlegungen der Verfasser nicht immer in sich schlüssig sind. So behaupten sie plakativ, daß durch Fischfang keine Fischarten ausgerottet werden. Heringe, Makrelen, Seelachse oder andere Speisefische vermehrten sich nämlich so schnell, daß überfischte Bestände immer wieder nachwachsen können. Doch dann müssen sie eingestehen, daß Haie, Rochen, Schwert- und Thunfische sehr wohl in ihrem Bestand bedroht sind, weil sich diese Arten eben nur langsam vermehren. Mit solch logischer Holprigkeit schaden die Autoren ihrem Anliegen.
Für die meisten Umweltprobleme sehen sie wirtschaftliche Lösungen. Der Markt nütze der Umwelt: Wenn die Fische ausgerottet würden, gingen die Fischer pleite. Der Tropenwald bleibe erhalten, wenn er etwas wert ist: Tropenholzimporte erhielten die Wälder, Tropenholzboykotte provozierten die Brandrodung. Wer Elfenbein verkaufen darf, ist am Erhalt der Elefantenbestände interessiert. Ein toter Hai läßt sich für zirka 48 Mark verkaufen, als Attraktion für Tauchtouristen erwirtschaftet ein lebendiger Hai jährlich 50000 Mark. Eine Untersuchung der Weltbank schließlich ergab, daß die Luftverschmutzung in solchen Ländern wieder abzunehmen beginnt, deren Einwohner mehr als durchschnittlich 3670 Dollar verdienen. Mammon vincet omnia. Maxeiner und Miersch, die bekennenden "Öko-Optimisten", vertreten eine Ökumene von Ökologie und Ökonomie. HARTMUT HÄNSEL
Dirk Maxeiner, Michael Miersch: "Lexikon der Öko-Irrtümer". Überraschende Fakten zu Energie, Gentechnik, Gesundheit, Klima, Ozon, Wald und vielen anderen Umweltthemen. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1998. 400 S., geb., Abb., 44,- DM.
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Gegen die Irrtümer der Ökofundamentalisten: Warum die Wirtschaft die Umwelt retten soll
Die Wahrheit ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Wahr ist, einem heutzutage weitverbreiteten Verständnis zufolge, eine Botschaft dann, wenn ihre Intention gut begründet ist und sie beim Empfänger ankommt. Mit diesem religiösen Wahrheitsbegriff arbeitet der Ökologismus, eine Bewegung, der Dirk Maxeiner und Michael Miersch gute Chancen einräumen, zur Zentralreligion der Jahrtausendwende zu werden. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, über die Irrtümer fanatischer Fundamentalisten aufzuklären, die sich wie rechte und linke Ideologen vor ihnen an einer radikalen "Säuberung" der Welt versuchen. Den beiden Autoren erscheint der Ökologismus bedrohlich, weil einzelne Vordenker "die westliche Demokratie für zu schwach halten und angesichts der Umweltgefahren mit autoritären Lösungen liebäugeln". Auch die Rituale vom Fastenwandern bis zur Castor-Blockade, egalitäres Pathos, Endzeitgrusel und das Gefühl, einer verkannten Elite der Rechtgläubigen anzugehören, vermitteln ihnen Unbehagen.
"Echter Fortschritt kann nur durch vermehrte Aufklärung stattfinden, was soviel bedeutet wie die Zerstörung der Mythen", schrieb bereits George Orwell. Maxeiner und Miersch haben schon vor zwei Jahren eine Programmschrift des "Öko-Optimismus" erscheinen lassen. Nun greifen sie im Dienst ihrer guten Sache auf ein klassisches Medium der Aufklärung zurück: das Lexikon. Sie wollen mit den Mythen und Phrasen der Ökologisten aufräumen, die eine freie Sicht auf tatsächliche Veränderungsmöglichkeiten verstellen. Ihr Buch richtet sich nicht gegen den Umweltschutz. Vielmehr wollen sie den Blick auf die echten Probleme der Welt lenken, als deren größtes sie die Armut erkennen: Millionen Menschen sind aus nackter Not gezwungen, die Natur zu plündern und die Umwelt zu verschmutzen. Wer sich jedoch angesichts weltweiter Umweltbedrohung vornehmlich auf sein Recht auf Unglück durch Identifikation mit verfolgten Völkern und bedrohten Tierarten beruft und hartnäckig auf der Frage nach den Guten und den Bösen beharrt, wird kaum zur Rettung des Planeten beitragen.
Zu den populären Irrtümern zählen die Autoren die bevorstehende, durch den Menschen verursachte Klimakatastrophe. Verfolge man die mittleren Jahrestemperaturen seit ungefähr 1860, so seien die Temperaturen bis heute gestiegen. Ziehe man hingegen die Zahlenwerte aus einem längeren Zeitraum, etwa seit 1700, heran, so sei die gegenwärtige Erwärmung nicht ungewöhnlich, ähnlich warm sei es auch zur Zeit der Französischen Revolution gewesen. Vor tausend Jahren, als es noch keine nennenswerte künstliche Erzeugung von Treibhausgasen gab, war es sogar so warm, daß die Insel Grönland ihren Namen wegen ihres damaligen blühenden Bewuchses erhielt.
Die Computersimulationen der Wetterforscher, auf die sich zahlreiche apokalyptische Prognosen stützen, zeigen immer noch Schwächen. So hatten Klimatologen für den Fall, daß Saddam Hussein im Golfkrieg die Ölquellen anzünden würde, eine weiträumige regionale Kältewelle vorausgesagt, tatsächlich blieben selbst im nur hundertfünfzig Kilometer entfernten Bahrein die Temperaturen fast unverändert. Heute verlassen sich Wetterforscher wie Dennis Bray oder Hans von Storch lieber auf Umfragen unter ihren Kollegen als auf die eigenen Modellrechnungen. Nur ein Drittel von 385 befragten Klimaforschern war sich sicher, daß die anthropogene Klimaerwärmung bereits im Gange ist. Wer trotz des ungewissen Ausgangs der Klimadebatte etwas für das Klima tun will, kann den Autoren zufolge einen Hektar Wald für ungefähr tausend Mark (ohne Grundstückskosten) neu anpflanzen und seine persönliche Kohlendioxydbilanz somit ausgleichen. Energiesparen hilft ebenso wie der Verzicht auf die Massentierhaltung.
Andere Irrtümer beruhen auf falschen Annahmen. So warnte Greenpeace einmal vor Spielzeug, das aus dem Kunststoff hergestellt wird, aus dem auch Beutel für Blutkonserven gefertigt werden. Beim Brand auf dem Düsseldorfer Flughafen kamen die Opfer durch Kohlenmonoxydvergiftung um und nicht durch von PVC-Kabeln freigesetzte Dioxine, wie vereinzelt gemeldet wurde.
Manchmal entstehen Umweltbedrohungen sogar erst durch die Aktivitäten der Umweltschützer. Wer das atomare Endlager in Gorleben blockiert, fördert die Plutoniumwirtschaft. In den Wiederaufarbeitungsanlagen von La Hague und Sellafield werden die strahlenden Abfälle deutscher Kernkraftwerke unter erhöhter Freisetzung von Radioaktivität zu Brennstoff für zukünftige Reaktoren verarbeitet, statt aus dem Verkehr gezogen zu werden.
Maxeiner und Miersch sind Wissenschaftsjournalisten. Sie schöpfen nicht aus eigenen Forschungen, sondern verlassen sich auf Gewährsleute. Kritiker des Buches haben - so jüngst im ARD-Magazin "Globus" - die Seriosität dieser Experten in Zweifel gezogen, namentlich beim wichtigen Thema des Klimawandels. Auch dem Laien wird auffallen, daß die Überlegungen der Verfasser nicht immer in sich schlüssig sind. So behaupten sie plakativ, daß durch Fischfang keine Fischarten ausgerottet werden. Heringe, Makrelen, Seelachse oder andere Speisefische vermehrten sich nämlich so schnell, daß überfischte Bestände immer wieder nachwachsen können. Doch dann müssen sie eingestehen, daß Haie, Rochen, Schwert- und Thunfische sehr wohl in ihrem Bestand bedroht sind, weil sich diese Arten eben nur langsam vermehren. Mit solch logischer Holprigkeit schaden die Autoren ihrem Anliegen.
Für die meisten Umweltprobleme sehen sie wirtschaftliche Lösungen. Der Markt nütze der Umwelt: Wenn die Fische ausgerottet würden, gingen die Fischer pleite. Der Tropenwald bleibe erhalten, wenn er etwas wert ist: Tropenholzimporte erhielten die Wälder, Tropenholzboykotte provozierten die Brandrodung. Wer Elfenbein verkaufen darf, ist am Erhalt der Elefantenbestände interessiert. Ein toter Hai läßt sich für zirka 48 Mark verkaufen, als Attraktion für Tauchtouristen erwirtschaftet ein lebendiger Hai jährlich 50000 Mark. Eine Untersuchung der Weltbank schließlich ergab, daß die Luftverschmutzung in solchen Ländern wieder abzunehmen beginnt, deren Einwohner mehr als durchschnittlich 3670 Dollar verdienen. Mammon vincet omnia. Maxeiner und Miersch, die bekennenden "Öko-Optimisten", vertreten eine Ökumene von Ökologie und Ökonomie. HARTMUT HÄNSEL
Dirk Maxeiner, Michael Miersch: "Lexikon der Öko-Irrtümer". Überraschende Fakten zu Energie, Gentechnik, Gesundheit, Klima, Ozon, Wald und vielen anderen Umweltthemen. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1998. 400 S., geb., Abb., 44,- DM.
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