Die deutsche Sprache birgt viele funkelnde Edelsteine. Erst durch sie bekommen unsere Gefühle und Gedanken den richtigen Schliff: Wörter wie "feinsinnig" und "filigran", "schlemmen" und "schlummern " zählen genauso zu diesem Schatz wie die "Anmut", das "Augenmerk" und der "Ausbund". Walter Krämer und Roland Kaehlbrandt haben die schönsten und kostbarsten Wörter unserer Sprache in einem Lexikon versammelt. Eine wunderbare Fundgrube für alle, die sich mit grauem Spracheinerlei nicht zufriedengeben wollen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2012Allerlei Kleinodien
Lexikon der schönen Wörter
Die Gestirne sind zuvörderst dem fidelen Glückskind geneigt. Gleich fünf schöne Wörter versammelt dieser willkürlich gebildete Satz, der einem Horoskop für das Jahr entnommen sein könnte. Zumindest halten Walter Krämer, Professor für Wirtschaftsstatistik in Dortmund, und Roland Kaehlbrandt, Chef der hiesigen Stiftung Polytechnische Gesellschaft, die Wörter "Gestirn", "zuvörderst", "fidel", "Glückskind" und "Neigung" für schön. In ihrem nun im Piper-Verlag erschienenen "Lexikon der schönen Wörter" haben die beiden Autoren einige hundert Kleinodien der deutschen Sprache versammelt, die ihrem Kriterium der Schönheit genügen.
"Kleinod" etwa zählen sie zu den schönen Wörtern. Der Dichter Jeremias Gotthelf hat es in seiner historischen Erzählung "Elis, die seltsame Magd" verwendet. "Aber bald erkannte die Bäuerin, dass sie in Elis ein Kleinod besitze, wie sie keines noch gehabt", heißt es dort. Für jedes ihrer schönen Wörter geben die Autoren eine literarische Fundstelle an. "Allerlei" etwa haben sie bei Arthur Schnitzler aufgestöbert: "Um Kasimir öfters als alle vierzehn Tage nur einmal zu sehen, musste Therese zu allerlei Ausreden ihre Zuflucht nehmen", schreibt er in seiner "Therese". Dem Wort "Gestirn" hat Hölderlin einen ewigen Platz in der Literatur verschafft. "So glänzt das Blau des Himmels an den Tagen, die wie Gestirn in heitrer Höhe ragen", dichtet er in "Der Winter".
Besagtem "Kleinod" drohe der Tod, warnen Krämer und Kaehlbrandt. Das Wort sei alt und schön, bezeichne auch etwas Schönes, komme aber im aktiven Wortschatz der meisten Deutschsprechenden nicht mehr vor. Und so sind viele schöne Wörter der deutschen Sprache schon halb ins Grab gelegt. Wer sagt noch "behende", was man seit der gloriosen Rechtschreibreform "behände" schreibt? Wo hört man noch etwas von "danieder"? Wann spricht einer noch von einer "Grille", wenn er nicht das zirpende Insekt, sondern eine seltsame Angewohnheit meint?
Der Totengräber der schönen Wörter sollte eigentlich nach dem Erscheinen dieses Büchleins arbeitslos werden. Wer in ihm schmökert und die Kommentare zu den jeweiligen Kleinodien liest, bekommt Lust, ein paar besondere Wörter unserer Sprache wieder in seinen alltäglichen Wortschatz aufzunehmen. Traut sich der eine oder andere Leser, Raritäten wie "töricht", "eingedenk" oder "gleißend" in den Mund zu nehmen, haben die Autoren ihr Ziel erreicht.
HANS RIEBSAMEN
Walter Krämer, Roland Kaehlbrandt: "Lexikon der schönen Wörter", Piper-Verlag, 9,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lexikon der schönen Wörter
Die Gestirne sind zuvörderst dem fidelen Glückskind geneigt. Gleich fünf schöne Wörter versammelt dieser willkürlich gebildete Satz, der einem Horoskop für das Jahr entnommen sein könnte. Zumindest halten Walter Krämer, Professor für Wirtschaftsstatistik in Dortmund, und Roland Kaehlbrandt, Chef der hiesigen Stiftung Polytechnische Gesellschaft, die Wörter "Gestirn", "zuvörderst", "fidel", "Glückskind" und "Neigung" für schön. In ihrem nun im Piper-Verlag erschienenen "Lexikon der schönen Wörter" haben die beiden Autoren einige hundert Kleinodien der deutschen Sprache versammelt, die ihrem Kriterium der Schönheit genügen.
"Kleinod" etwa zählen sie zu den schönen Wörtern. Der Dichter Jeremias Gotthelf hat es in seiner historischen Erzählung "Elis, die seltsame Magd" verwendet. "Aber bald erkannte die Bäuerin, dass sie in Elis ein Kleinod besitze, wie sie keines noch gehabt", heißt es dort. Für jedes ihrer schönen Wörter geben die Autoren eine literarische Fundstelle an. "Allerlei" etwa haben sie bei Arthur Schnitzler aufgestöbert: "Um Kasimir öfters als alle vierzehn Tage nur einmal zu sehen, musste Therese zu allerlei Ausreden ihre Zuflucht nehmen", schreibt er in seiner "Therese". Dem Wort "Gestirn" hat Hölderlin einen ewigen Platz in der Literatur verschafft. "So glänzt das Blau des Himmels an den Tagen, die wie Gestirn in heitrer Höhe ragen", dichtet er in "Der Winter".
Besagtem "Kleinod" drohe der Tod, warnen Krämer und Kaehlbrandt. Das Wort sei alt und schön, bezeichne auch etwas Schönes, komme aber im aktiven Wortschatz der meisten Deutschsprechenden nicht mehr vor. Und so sind viele schöne Wörter der deutschen Sprache schon halb ins Grab gelegt. Wer sagt noch "behende", was man seit der gloriosen Rechtschreibreform "behände" schreibt? Wo hört man noch etwas von "danieder"? Wann spricht einer noch von einer "Grille", wenn er nicht das zirpende Insekt, sondern eine seltsame Angewohnheit meint?
Der Totengräber der schönen Wörter sollte eigentlich nach dem Erscheinen dieses Büchleins arbeitslos werden. Wer in ihm schmökert und die Kommentare zu den jeweiligen Kleinodien liest, bekommt Lust, ein paar besondere Wörter unserer Sprache wieder in seinen alltäglichen Wortschatz aufzunehmen. Traut sich der eine oder andere Leser, Raritäten wie "töricht", "eingedenk" oder "gleißend" in den Mund zu nehmen, haben die Autoren ihr Ziel erreicht.
HANS RIEBSAMEN
Walter Krämer, Roland Kaehlbrandt: "Lexikon der schönen Wörter", Piper-Verlag, 9,90 Euro
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"Eine wunderbare Fundgrube", Publik-Forum, 02.12.2011 20151120