Eine Fundgrube lästerhafter Beschreibungen, boshafter Berichte und traumatischer Erinnerungen an grausame Städte und öde Orte. Erfrischend menschlich zeigen Dichter, Reisende und Medienstars ihre bösen Seiten - Lästerzungen in Fahrt! "Ekelhafte Stadt!", "Zentrum der Versautheit!", "Krähwinkel!" und "Eingeweideschlauch!" - so beschimpfen Dichter, Politiker und andere Prominenz die Hauptstadt Berlin. Wohl jede Stadt ruft die widersprüchlichsten Gefühle hervor, die von wahrer Anbetung bis hin zu wüsten Schmähungen reichen. In diesem Lexikon der Städteverrisse sind es die harten Urteile und spitzen Bemerkungen, die Walter und Eva Krämer gesammelt haben. Hier geht es nicht um Gerechtigkeit! Von kurzen Verrissen bis hin zu ausgedehnten Ergüssen über das Häßliche und Schlechte erfahren Sie, was Sie gewiß nicht über Ihre Lieblingsstädte wissen wollten. Und Sie werden Zeuge, wie Goethe und Kleist, Voltaire und Mozart, Bert Brecht und Harald Schmidt so manches "ungehobelte D recknest!" (Bad Homburg) als "Verkehrshindernis!" (Bonn), "Alptraum!" (Nürnberg) und "stadtgewordener Rudolf Scharping!" (Heilbronn) so schnell wie möglich hinter sich ließen. Mit Porträts der größten Lästerzungen!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2003NEUE REISEBÜCHER
Für die Tasche. Man kann, wie es ein alter Reiseführer tat, über Städte so schreiben: "Hannover, oh Du turmbewehrte Königin der Leinestädte!" Man kann über Städte aber auch so schreiben: "Der Horizont des Berliners ist längst nicht so groß wie seine Stadt." Oder: "Die Wiener gefallen mir gar nicht. Es ist ein Volk, das eine Unsumme dummer, alberner und auch gemeiner Eigenschaften hinter einer unangenehmen Bonhomie verbirgt."
Diese Reiseeindrücke stammen von Kurt Tucholsky beziehungsweise Georg Trakl und sind nachzulesen in einem äußerst verdienstvollen Nachschlagewerk: dem "Lexikon der Städtebeschimpfungen" aus dem Eichborn-Verlag.
Der Sammlung liegt das einfache Prinzip zugrunde, daß der Mensch herabsetzt, was er nicht haben kann. Und wenn es einem schon nicht möglich ist, in die Ferne zu schweifen, so kann man die Ferne nun wenigstens ordentlich beschimpfen. Von A wie Aachen bis Z wie Zweibrücken reichen die Bösartigkeiten, jeder Eintrag ist fein säuberlich mit Namen und Lebensdaten der Spötter versehen.
Genausogut hätte man das Buch als Autorenlexikon gestalten können, denn zu mäkeln hatten sie alle etwas: "Ist mir unleidlich", schrieb Nietzsche über Nizza, und Heine mochte in Göttingen "kaum begreifen, wie Gott nur soviel Lumpenpack erschaffen konnte". Grillparzer sah in Dresden "viel Mißgestaltete und Zwerge" und hörte eine Sprache, die wie ein "Mäh Mäh von Schafen" klang. Die ausführliche Liste der Berlin-Hasser schließlich führt Alfred Kerr an. "Stadt meiner Flüche", "gottverdammtes Spreebabel", schrieb der Theaterkritiker. Und: "Barbarischer, ekliger, gottverlassener, blöder, bedauernswerter, schändlicher, gerupfter, auf den Schwanz getretener sieht nichts in der Welt aus."
Deutschland, eine Landkarte des Grauens. Detmold - "Man wünscht sich bei dem Anblick fast unwillkürlich ein wohltätiges Bombardement" (Grabbe). Leipzig - "Von vier Uhr ab lebendig begraben" (Kafka). Stuttgart - "Verdammtes Kloakental!" (Lenau). München - "Die Weibsbilder von der bürgerlichen Klasse sind ungemein roh. Sie fluchen und schimpfen wie bei uns die Stallknechte und sitzen alle Abende in der Kneipe und saufen Bier." Fand zumindest Gottfried Keller.
Im Ausland ist es auch nicht besser. Das Rom Karl Mays lernen wir als "eine große, ungeheure, öde Begräbnisstätte" kennen, Dublin ist James Joyce zufolge "eine alte Sau, die ihre Ferkel frißt". Nicht viel schmeichelhafter ist, was Thomas Mann notierte: "Athen: war dort." Manchmal bringt die Schmähung, die Zwillingsschwester der Schwärmerei, einfach die bessere Reiseliteratur hervor.
Und Hannover, die turmbewehrte Königin? "Die Stadt liegt zwar nicht am Arsch der Welt", fand Harald Schmidt, "aber man kann ihn von dort aus sehr gut sehen."
vem.
Walter Krämer, Eva Krämer: Lexikon der Städtebeschimpfungen. Boshafte Berichte und Schmähungen von Aachen bis Zürich. Eichborn 2002, 293 Seiten, 19,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für die Tasche. Man kann, wie es ein alter Reiseführer tat, über Städte so schreiben: "Hannover, oh Du turmbewehrte Königin der Leinestädte!" Man kann über Städte aber auch so schreiben: "Der Horizont des Berliners ist längst nicht so groß wie seine Stadt." Oder: "Die Wiener gefallen mir gar nicht. Es ist ein Volk, das eine Unsumme dummer, alberner und auch gemeiner Eigenschaften hinter einer unangenehmen Bonhomie verbirgt."
Diese Reiseeindrücke stammen von Kurt Tucholsky beziehungsweise Georg Trakl und sind nachzulesen in einem äußerst verdienstvollen Nachschlagewerk: dem "Lexikon der Städtebeschimpfungen" aus dem Eichborn-Verlag.
Der Sammlung liegt das einfache Prinzip zugrunde, daß der Mensch herabsetzt, was er nicht haben kann. Und wenn es einem schon nicht möglich ist, in die Ferne zu schweifen, so kann man die Ferne nun wenigstens ordentlich beschimpfen. Von A wie Aachen bis Z wie Zweibrücken reichen die Bösartigkeiten, jeder Eintrag ist fein säuberlich mit Namen und Lebensdaten der Spötter versehen.
Genausogut hätte man das Buch als Autorenlexikon gestalten können, denn zu mäkeln hatten sie alle etwas: "Ist mir unleidlich", schrieb Nietzsche über Nizza, und Heine mochte in Göttingen "kaum begreifen, wie Gott nur soviel Lumpenpack erschaffen konnte". Grillparzer sah in Dresden "viel Mißgestaltete und Zwerge" und hörte eine Sprache, die wie ein "Mäh Mäh von Schafen" klang. Die ausführliche Liste der Berlin-Hasser schließlich führt Alfred Kerr an. "Stadt meiner Flüche", "gottverdammtes Spreebabel", schrieb der Theaterkritiker. Und: "Barbarischer, ekliger, gottverlassener, blöder, bedauernswerter, schändlicher, gerupfter, auf den Schwanz getretener sieht nichts in der Welt aus."
Deutschland, eine Landkarte des Grauens. Detmold - "Man wünscht sich bei dem Anblick fast unwillkürlich ein wohltätiges Bombardement" (Grabbe). Leipzig - "Von vier Uhr ab lebendig begraben" (Kafka). Stuttgart - "Verdammtes Kloakental!" (Lenau). München - "Die Weibsbilder von der bürgerlichen Klasse sind ungemein roh. Sie fluchen und schimpfen wie bei uns die Stallknechte und sitzen alle Abende in der Kneipe und saufen Bier." Fand zumindest Gottfried Keller.
Im Ausland ist es auch nicht besser. Das Rom Karl Mays lernen wir als "eine große, ungeheure, öde Begräbnisstätte" kennen, Dublin ist James Joyce zufolge "eine alte Sau, die ihre Ferkel frißt". Nicht viel schmeichelhafter ist, was Thomas Mann notierte: "Athen: war dort." Manchmal bringt die Schmähung, die Zwillingsschwester der Schwärmerei, einfach die bessere Reiseliteratur hervor.
Und Hannover, die turmbewehrte Königin? "Die Stadt liegt zwar nicht am Arsch der Welt", fand Harald Schmidt, "aber man kann ihn von dort aus sehr gut sehen."
vem.
Walter Krämer, Eva Krämer: Lexikon der Städtebeschimpfungen. Boshafte Berichte und Schmähungen von Aachen bis Zürich. Eichborn 2002, 293 Seiten, 19,90 Euro.
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