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Mit "Licht" legt der englische Starautor M. John Harrison den ersten definitiven Science-Fiction-Roman des 21. Jahrhunderts vor: Eine atemberaubende Achterbahnfahrt durch Zeit und Raum, ein Buch, so voller Energie und Einfälle, dass man nur staunen kann.

Produktbeschreibung
Mit "Licht" legt der englische Starautor M. John Harrison den ersten definitiven Science-Fiction-Roman des 21. Jahrhunderts vor: Eine atemberaubende Achterbahnfahrt durch Zeit und Raum, ein Buch, so voller Energie und Einfälle, dass man nur staunen kann.
Autorenporträt
Der Engländer M. John Harrison ist einer der großen SF-Autoren unserer Zeit und zugleich einer der radikalsten Erneuerer des Genres. Sein zuletzt erschienener Roman "Licht" war ein riesiger Erfolg bei Publikum und Kritik.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als schwieriges Meisterwerk feiert Rezensent Dietmar Dath diesen Roman, mit dem M. John Harrison nach literarischen Ausflügen in andere Genres aus seiner Sicht nun zur Science-fiction zurückgekehrt ist. Der Zugang zu Harrisons Buch ist nach Ansicht des Rezensenten jedoch für Nicht-Kenner aus einer Reihe von Gründen eher schwierig. Erstens verhält sich, Daths Informationen zufolge, schon die Plotstruktur "dem Zeitpfeil gegenüber invariant" und verläuft in zweierlei Richtungen. Seine Wiederentdeckung des Schauplatzes "Weltraum" verlaufe ebenfalls auf mehrere Handlungsebenen und Zeithorizonte verteilt. Harrison orientiere sich in der Gestaltung seiner Erzählung an der Quantentheorie. Auch die Motivwelt zeichnet sich für Darth durch Zitier- und Bezugswut sowie halsbrecherische Insider-Ausgefuchstheit aus. Trotzdem gibt der Rezensent Lesegenuss und diabolisches Vergnügen zu Protokoll, zu dessen Voraussetzung er allerdings unbedingt aufmerksames Lesen zählt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein geniales Buch! Nicht nur eine Rückkehr an die Wurzeln der Science-Fiction, sondern auch ein Werk, das neue Standards für das Genre setzt."

Stephen Baxter

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.2005

Gefangener der Freiheit
M. John Harrisons fatalistischer Science-fiction-Roman "Licht"

Der 1945 geborene Engländer M. (für Michael) John Harrison ist so etwas wie ein steinerner Gast auf der internationalen Party der Phantastik. Während deren Genres Science-fiction, Horror und Fantasy gemeinhin Texte hervorbringen, deren Stilgestik sich der Erzählabsicht "Eskapismus" bedingungslos unterordnet, wählt er diese Gattungen aus bewußt gesetztem Gegengrund - nämlich weil es, wie er sagt, schlechterdings keine besseren Formen als die von Phantastik bereitgestellten gibt, um über "fehlgeschlagene Flucht, Fluchtzwang, Unratsamkeit und Unmöglichkeit jeder Flucht" zu schreiben.

Erstmals zu einiger Bekanntheit gelangte Harrison in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren, als ercock und J. G. Ballard sowie den Amerikanern Harlan Ellison und Samuel R. Delany zu den wichtigsten Protagonisten der "New Wave" in der anglo-amerikanischen Science-fiction zählte. Diese Strömung verweigerte sich dem technokratischen, transatlantisch-optimistischen Motivzug, der bis dahin die technoromantische Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts dominiert hatte, und warf sich statt dessen auf sozialwissenschaftliche Erkenntnisse und experimentelle Ästhetik. Harrisons Roman "The Centauri Device" von 1974 gehört neben den novellistischen Arbeiten Barry Malzbergs und Delanys Roman "Nova" (1968) in die kleine Gruppe der damals entstandenen, stilistisch glänzenden, nachhaltig auratischen und bei alledem entschlossen antieskapistischen Hauptwerke der "Space Opera": Der Roman ist eine Weltraumerzählung ohne Hoffnung, deren beherrschter Tonfall der Kälte des Schauplatzes stoisch standhält.

Beginnend mit seiner Elegie auf die großen modernen Metropolen, dem Roman "Die Pastellstadt" von 1971, schien Harrison sich von der Science-fiction im engeren Sinne mehr und mehr abzuwenden. Der "Viriconium"-Romanzyklus, mit dem er die meisten seiner heutigen Leser erreicht und für sich gewonnen hat, ist reine, stimmungsvolle, wenn auch über die Vergeblichkeit jeder Hoffnung auf eine Wiederverzauberung der Welt gründlich aufgeklärte Fantasy - in diesen Büchern, die unter anderem auch in der Cyber-Kultur ihre ästhetischen Spuren hinterlassen sowie Comic-Bearbeitungen erfahren haben, sieht Harrison den Postfordismus durch enttäuschte Insektenaugen. In den vergangenen zwanzig Jahren schrieb er neben Erzählungen und einem naturalistischen Roman übers Bergsteigen namens "Climbers" (1989) vor allem Kritiken zu Werken der zeitgenössischen und Neueditionen der klassischen Phantastik für den "Guardian", den "Spectator" und das "Times Literary Supplement".

Mit seinem jüngsten, nun auf deutsch erschienenen Roman "Licht" (im Original 2002) ist Harrison nun zur Science-ficton zurückgekehrt. Statt jedoch zu demonstrieren, daß er die Regeln der Kunst nicht verlernt hat, erfindet er hier lieber neue. Die lassen sich ebenso als Kommentare auf die alltäglich von den Kollegen produzierten Arbeiten wie als autonome Setzungen lesen, mit denen jemand gleichsam freihändig rekonstruieren möchte, was einmal Science-fiction gewesen ist. Harrisons auf mehrere Handlungsebenen und Zeithorizonte verteilte Wiederentdeckung des Schauplatzes "Weltraum" bedeutet dabei, seinem alten antieskapistischen Programm entsprechend, gerade keine Ausweitung des aus dem herkömmlichen Zeitroman geläufigen Erzählraums, sondern die äußerste solipsistische Konzentration auf das, was in einen überforderten menschlichen Kopf der Jahrtausendwende paßt.

Dieser Kopf heißt in "Licht" einmal, im Handlungsfaden von 1999, Michael Kearney und erfindet gerade eine neue physikalische Theorie, die der Menschheit den interstellaren Raumflug ermöglichen wird. Ein andermal nennt sich der Jedermann Ed Chianese und ist ein obdachloser Virtual-Reality-Junkie, der im Jahr 2400 am Rande einer kosmischen Anomalie namens Kefahuchi-Trakt lebt, in deren großräumiger Absurdität die uns bekannten Naturgesetze nicht gelten und an dessen Grenze seit Jahrmillionen Zivilisationen daran scheitern, sich gefährliche Geheimnisse anzueignen. Die dritte Inkarnation des Prinzips "Flucht ist unmöglich" heißt Seria Maú Genlicher und ist eine Raumschiffpilotin, die neurochirurgisch verstümmelt wurde, als man ihren Körper zur Schnittstelle zwischen menschlichem Bewußtsein und der Steuerungstechnologie eines außerirdischen Raumschiffs umrüstete. Diese drei Schicksale sind miteinander verbunden, aber nicht nach dem Plan eines gewöhnlichen, die Fabel überformenden Spannungsbogens.

Eine Plotstruktur ist etwas anderes als ein Naturgesetz: Erstere verläuft von vorn nach hinten via Anfang, Mitte und Schluß, letzterem ist es definitionsgemäß eigen, daß es sich dem Zeitpfeil gegenüber invariant verhält, also in beide Richtungen der Vorher-nachher-Unterscheidung Gültigkeit bewahrt. "Licht" ist statt nach Plotgesichtspunkten nach solchen immanenter Naturgesetzlichkeit organisiert, weil Harrisons Thema Ausweglosigkeit ist - die Moral des Buches lautet, daß die Überwindung des Determinismus und der Eintritt ins Reich der Freiheit, die man zunächst in der Moderne, dann in der deren "grands récits" abstreifenden Postmoderne hat suchen wollen, scheinhaft gewesen ist: Wir sind nicht aus dem Gröbsten heraus, denn das Gröbste sind wir selbst. Auch wenn wir das deterministische Weltbild der klassischen Mechanik gegen das indeterministische der Quantentheorie eintauschen, behält uns die Fatalität im Griff, solange wir Objekte des Fortschritts bleiben, statt dessen Subjekte zu werden.

So wie die Malerei Kandinskys, Malewitschs und Mondrians nicht von Pferden und Gesichtern, sondern von Farben und Formen, also von Malerei handelte und die Choreographien Merce Cunninghams den Tanz zum Thema machten statt den festlichen Anlaß des Tanzens, handelt die Science-fiction M. John Harrisons seit "The Centauri Device" vor allem von Science-fiction - entsprechend seiner Vorstellung von der schriftstellerischen Selbstproblematisierung des Eskapismus. Die Einfälle, die das Buch tragen müssen, sind daher manchmal von halsbrecherischer Insider-Ausgefuchstheit: Das Schiff als Schnittstelle von Maschine und Psychopathin etwa ist eine böse Parodie aufs "singende Schiff" der Anne McCaffrey und der "Shrander", ein spektrales Ungeheuer, das in höchsteigener Unperson, aber als "Dr. Haends" auch in anagrammatischer Variante eine sinistre Rolle in "Licht" spielt, läßt sich als Replik auf das "Shrike" aus den vier Bänden des "Hyperion"-Zyklus von Dan Simmons begreifen.

Zu dieser Zitier- und Bezugswut aber gesellt sich, den Zugang für Nichtkenner weiter erschwerend, die Differenz Harrisons zu dem, was er da bearbeitet: Wo die konventionelle Science-fiction begriffsrealistisch den Fachausdrücken der Wissenschaft und Technologie fixe Entitäten zuordnet, ist bei Harrison das Verhältnis zwischen Worten und Dingen wie das zwischen Meßapparat und Elementarereignis in der Quantenmechanik ins Rutschen geraten: Die Unschärfe, auch die der nahverwandten Wörter, die sich hier untereinander häufig und traumgleich wie Anagramme statt wie Synonyme verhalten, stellt eine Form der Ironie dar, die sich dem Unbefangenen nicht zu erkennen gibt.

Harrison ist es todernst mit einem nachklassischen Weltbild, in dem der absolute Raum und die absolute Zeit Newtons ebenso suspendiert sind wie die Verpflichtung jedes Ereignisses darauf, nur lokale Wirkungen zu haben. Er umarmt und erzählt in "Licht" Unbestimmtheit, Akausalität, Symmetrie und Symmetrie-Brechung, nicht "individuelles Schicksal". Erst wenn man das weiß, kann man damit umgehen, daß etwa die scheinbar sinnlosen Mordtaten, die Kearney verübt, Echos der chirurgischen Prozeduren sind, die Seria Maú über sich ergehen lassen muß, um ihr Sensorium nach innen zu kehren und ihre neurale Architektur zum Rechenwurmfortsatz nichtmenschlicher Technologie zu machen. Wirkungen haben zwar auch in "Licht" Ursachen, sie liegen aber nicht immer in der Vergangenheit oder in der lokal mit ihren Folgen zusammenhängenden Umgebung; sie verschmieren, sie verschränken sich miteinander.

Deshalb bezeichnen denn auch verschiedene Namen in diesem Buch nicht notwendig verschiedene Personen, genau so, wie in der Spekulation einiger tollkühner Kosmologen alle Elektronen, welche die Hüllen sämtlicher Atome des Universums bilden, vielleicht nur ein einziges Elektron sind, das sich durch Zeit und Raum vorwärts und rückwärts bewegt. Man kann einen sehr großen Teppich aus einem einzigen Faden weben. An dem darf man dann allerdings nicht ziehen - genau das jedoch tut Harrison am Ende, um zu demonstrieren, daß es tatsächlich nur ein einziger Faden war. Der Genuß, den der aufmerksame Leser von dieser buchstäblichen Auflösung hat, gleicht dem diabolischen Vergnügen, das man sich bei den Meistern des englischen Gesellschaftsromans aus dem neunzehnten Jahrhundert abholen kann, die erst auf Hunderten von Seiten eine komplexe Anordnung aus familien- und klassengesellschaftlichen Dominosteinen aufstellen und dann am Ende mit einem Fingerschnippen gegen den letzten Stein den geometrischen Garten zum Einsturz bringen. Das Ganze, sagt die Erzählstruktur von Harrisons schwierigem Meisterwerk, ist das Unausweichliche - aber es hat dennoch Risse, durch die Licht fallen kann; Risse, deren Auftreten allerdings nicht dem Walten des freien Willens, sondern eher dem von Zufallsereignissen in einem Würfelspiel gleicht. Und das, seufzt der Erzähler, weil er ein existentieller Moralist ist, muß uns genügen.

M. John Harrison: "Licht". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Hendrik P. und Marianne Linckens. Heyne Verlag, München 2004. 443 S., br., 8,95 [Euro].

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"Ein brillanter Roman - wer immer heute 'Science Fiction' schreibt, muss sich daran messen lassen!" (Iain Banks)