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Seinen Lebensweg plant er zielstrebig und schon früh hat Lichtenberg begriffen, wie man sich materiell und gesellschaftlich Vorteile verschafft. Zunächst geht auch alles glatt: Er absolviert ein juristisches Studium, heiratet die Tochter einer reichen Witwe, ist im Beruf erfolgreich. Sein gesellschaftliches Ansehen bekommt Risse, als er beginnt, gegen Konventionen zu verstoßen. Als ihn ein geplatztes Börsentermingeschäft dann auch noch in finanzielle Not bringt, ist sein Abstieg unaufhaltsam. Was liegt in dieser Situation näher, als die reiche Schwiegermutter zu ermorden?

Produktbeschreibung
Seinen Lebensweg plant er zielstrebig und schon früh hat Lichtenberg begriffen, wie man sich materiell und gesellschaftlich Vorteile verschafft. Zunächst geht auch alles glatt: Er absolviert ein juristisches Studium, heiratet die Tochter einer reichen Witwe, ist im Beruf erfolgreich. Sein gesellschaftliches Ansehen bekommt Risse, als er beginnt, gegen Konventionen zu verstoßen. Als ihn ein geplatztes Börsentermingeschäft dann auch noch in finanzielle Not bringt, ist sein Abstieg unaufhaltsam. Was liegt in dieser Situation näher, als die reiche Schwiegermutter zu ermorden?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.1997

Die Monade als Meinungsmacher
Georg M. Oswald erzählt vom tiefen Fall eines Schwiegersohns

Ein junger Mann aus besseren Verhältnissen, der mit erhobenem Kopf durch die Welt geht, heiratet in eine Familie aus den besten Verhältnissen. Die Schwiegermutter ist ein Drachen. Der junge Mann schwingt sich auf die Karriereleiter, um dem Zugriff der Schwiegermutter zu entkommen. Er ist besser als die anderen und steigt rasch auf. Er pflegt seinen Lebensstil, und das kostet Geld. Also verschuldet er sich bis über beide Ohren. Die Banken geben Kredite, und seine Schwiegermutter rückt keinen Pfennig heraus. Schließlich wird der erfolgreiche junge Mann unter dem Verdacht festgenommen, seine Schwiegermutter auf der Straße erschossen zu haben.

Das ist die Geschichte des Romans "Lichtenbergs Fall", des Debüts von Georg M. Oswald. Die Szenerie ist denkbar einfach. Der Held sitzt in einer Zelle und wird von einem Beamten vernommen. Der Beamte stellt eine Frage, und der Held antwortet. Mit Fragen beginnen die Kapitel, und der Held hat für die Antwort genau ein Kapitel Zeit. Die Fragen des Beamten folgen dem Lebenslauf des Helden, so daß die Geschichte chronologisch erzählt werden kann. So schlicht strukturiert wird ein Bekenntnis inszeniert, nicht ein Schuldeingeständnis, vorgetragen von einem, der aufgefordert wurde, Rede und Antwort zu stehen.

Der Held sagt nicht "ich". Der Autor läßt ihn in indirekter Rede sprechen. Dieser Kniff bietet Vorteile. Zum einen rückt der junge Mann damit in die Distanz einer Person, die durch und durch zu kennen und entsprechend zu beschreiben nicht möglich ist. Die indirekte Rede definiert einen privaten, verschwiegenen und einen öffentlichen, ausgesprochenen Raum. Zum anderen erleichtert die indirekte Rede den Schritt vom Bekenntnis zur Meinungskundgebung, von der Aussage zur Ansicht. Die Monade spricht, und die indirekte Rede weist penetrant auf das Fenster hin, durch das die Welt gesehen wird.

Meinungen, das weiß der Autor, werden nur dann interessant, wenn sie sich aus dem allgemeinen Gerede hervorheben. Eine Meinung, die sich Gehör verschafft, ist eine Meinung, die laut, das heißt grell ist. In dieser Übertreibung die Bitterkeit des Sarkasmus zu vermuten hieße eine Vermutung zuviel anstellen. Nicht die Übertreibung an sich macht den Sarkasmus aus, sondern ihr Gegenstand. Der junge Mann mit dem erhobenen Kopf schaut auf eine Welt herab, von der er Ansichtskarten über die Reichen, die Karrieristen, die Jurastudenten oder über die Kinder aus besseren Verhältnissen mit sich herumträgt.

Das bestimmende Merkmal dieses Romans ist die Attitüde, die ihre billigsten Blüten dort treibt, wo die Welt eine Ordnung hat, wo die Reichen spießig, die Studenten dreist, die Kinder der Reichen verlogen, die Leistung das Leben und der eigene Vorteil das Ziel sind. Das Pendant dieser Banalitäten ist ein Stil, der den Manierismus, auch als witzige, ironische Bemerkung, kultiviert. Rezensenten haben darin eine Anlehnung an Thomas Bernhard gehört, der vor Versuchen formaler Nachahmung nicht zu schützen ist. Dabei müßte doch die Einsicht Konsequenzen haben, daß man Ansichten über die Welt nicht zu einer Geschichte machen kann, nur weil man der Meinung ist, es reiche aus, eine Meinung zu haben. EBERHARD RATHGEB

Georg M. Oswald: "Lichtenbergs Fall". Roman. Albrecht Knaus Verlag, München 1997. 207 S., geb., 36,80 DM.

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