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1999 wurde die wichtigste Auszeichnung für junge Lyrik, der Leonce-und-Lena-Preis, erstmals einem Schweizer zugesprochen.Der 25-jährige Raphael Urweider bringt auch anderswo Leben in das Wachsfigurenkabinett vergangener Größen. Er entdeckt Lichter in Menlo Park, dem Ort, wo Thomas A. Edison seinen legendären Think Tank gründete. Von Gutenberg bis Neil Armstrong reicht die Galerie der Ahnen, denen Raphael Urweider mit charmanter Hinterhältigkeit über die Schulter guckt. Raphael Urweider faszinieren die Übergänge von Alltagswahrnehmung zu wissenschaftlicher Weltsicht. Andere Gedichte des Bandes…mehr

Produktbeschreibung
1999 wurde die wichtigste Auszeichnung für junge Lyrik, der Leonce-und-Lena-Preis, erstmals einem Schweizer zugesprochen.Der 25-jährige Raphael Urweider bringt auch anderswo Leben in das Wachsfigurenkabinett vergangener Größen. Er entdeckt Lichter in Menlo Park, dem Ort, wo Thomas A. Edison seinen legendären Think Tank gründete. Von Gutenberg bis Neil Armstrong reicht die Galerie der Ahnen, denen Raphael Urweider mit charmanter Hinterhältigkeit über die Schulter guckt. Raphael Urweider faszinieren die Übergänge von Alltagswahrnehmung zu wissenschaftlicher Weltsicht. Andere Gedichte des Bandes schwingen sich mit Chopins Präludien durch die Tonarten, blicken auf die Kontinente hinunter und verfolgen Kleinbauern. "indien wenn ich mich nicht irre kichertcolumbus er steigt an land die amerikaner freuen sich ganz uneuropäisch tanzen sie um die flotte besatzung columbus hält ausschau nach schaustellern für spanische schaubudenwo rauch ist in amerika ist auch eine nachricht des erstaunens die amerikaner versammeln sich columbus macht einen kleinen schritt auf sein indien zu die amerikaner einen grossen richtung manitu wenn sie sich nicht irren sie kichern wie columbus er schätzt die welt neu ein wie er ein indien gefunden er kichert und winkt dutzende tanzende amerikaner an bord flott trinkt die verdutzte besatzung zu indischem tanz wo feuerwasser ist ist auch rauch im irren indien die amerikaner prosten ihrem sehr erhitzten manitu zu"
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Ottos Motor stottert, doch er stoppt nicht
Feine Verse von Raphael Urweider: „Lichter in Menlo Park”
Gewöhnlich ist nach den letzten Nachrufen, die bleibende Verdienste gepriesen haben, ein Autor fürs Feuilleton richtig tot. Wenn einer wie Ernst Jandl den Weg in Volksmund und Popkultur, ja ins kollektive Unterbewusstsein gefunden hat, sieht die Sache freilich nicht hoffnungslos aus, zumal Kollegen sein Fortleben in der Sprache sichern. . .
Für die Lyrik des 25-jährigen Schweizers Raphael Urweider im Band mit dem schönen Titel Lichter in Menlo Park gibt es eine überaus passende Formel: „Lichte Gedichte”. Die allerdings hat Robert Gernhardt für eine eigene Sammlung verwendet, und so müssen wir andere Lobesworte finden. Um Zeit zu gewinnen, ein paar Verse:
wer hängt am rock von doktor donner wer stellt dem mister blitz nach wenn
die freie
umgebung birkengrün wird zu beginn eines gewitters es ist benjamin
franklin persönlich
Nicht der geringste Reiz Urweiderscher Lyrik liegt, wie hier, in ihrem liebevoll-poetischen Präsentieren prominenter Experimentierer, Entdecker, Erfinder von Gutenberg, Kopernikus, Galilei über Magellan, Watt, Livingstone bis zu Edison, Ford, Armstrong. Die 25 Porträts solcher Heroen und einer Heroine (Marie Curie) des Schlusszyklus „Manufakturen” verdienen, ins Lesebuch für die Oberstufe aufgenommen zu werden und überhaupt in möglichst viele Leserhände zu gelangen. Leichten Strichs malt Urweider diese Galerie großer Geister, setzt psychische Glanzlichter beim ersten Motorflug der Wrights und riskiert karikierende Züge bei Kolumbus, den er mit dem Kichern von Karl Mays komischem Trapper Sam Hawkens ausstattet. Nie trägt er dabei zu dick auf, wohl auch, weil er die Sternstunden der Menschheit, die Heureka-Momente triumphaler Erkenntnis vermeidet zu Gunsten der kuriosen und rührenden Situationen. Ob Morse beim Klopfen oder die Sirs Hillary und Tensing kurz vor und kurz nach dem Gipfel, Urweiders Helden geben zu erkennen, dass sie längst schon aus dem Reich der Geschichte in das der Geschichten, Mythen und Legenden übersiedelt wurden. So fällt märchenhafter Glanz auf die Genies der Technik. Nie zuvor beschrieb Dichtung Telefonieren so lyrisch und doch so akribisch-evident:
abraham bell entdeckt den dialog mit einem buntspecht einem mond der ihm
im rücken
sitzt sowie dem rauschen seines
hörorgans
Einem Kalauer ab und zu („der sohn der im hohen / tempo schottischen Schotter überrollt”) ist der Dichter nicht ab-, Fragesätzen entschieden zugeneigt („wo hören sie hin herr edison wo klingen sie her / wen werden sie registrieren”) und überhaupt zutiefst klangverliebt: „monsieur pasteur hört”, „monsieur pasteur fröstelt” „in der stillen welt vom kristallinen im zimmer links”. Wie Ronaldo nicht vom Ball los kommt, so Urweider zuweilen nicht vom „O”, wie in der Ode auf den Ottomotor: „ottos motor / stottert . . . der motor rumort / doch er stoppt nicht / otto knotet seine hände”.
Urweiders Sprachreichtum zeichnet auch die anderen acht Zyklen seines Debütbandes aus: Wiederholungen, Binnenreime, Wortspiele, Sprach- und Stilmischungen, Alliterationen, die Gedichte mit Rahmen (mal palindromartig, mal in leichter Variation) versehen, sind nur die offensichtlichen, die konstruktiven Elemente eines mitreißenden Kunstwerks, das sich dennoch gegen zu leichten Konsum sperrt. Die konsequente Kleinschreibung und Satzzeichenlosigkeit, die häufigen – etwas zu mechanischen – Zeilensprünge und Inversionen stauen den Lesefluss, der in kurze Sinnstrudel gerät, bevor er weiter vorwärts drängt. Hermetische Zeilen stellen sich ihm dann wieder in den Weg wie im Zyklus „FINGERSATZ zu frédéric chopins 24 préludes”: „wer orgelt da / halbwegs verborgen im offenen pinienschirm”. Biografische Splitter bieten die 24 Gedichte von Chopins letzten Monaten: Mallorca, Nohant, London, Erinnerungen an Polen, die Geliebte George Sand, der Freund Delacroix, die Krankheit, das Sterben. Das Schwere mit Eleganz und Esprit zu überspielen, die Tiefe, mit Hofmannsthal zu sprechen, an der Oberfläche zu verbergen, zeichnet Urweiders Kunst besonders aus. Auch diesen großen Toten fleddert er nicht, um an dessen Ruhm zu schmarotzen, auch hier vergisst er nicht das Groteske und den Humor. Vor allem versucht er nicht, die Musik schlicht zu imitieren, vielmehr befruchten sich Lektüre und Hören der Préludes gegenseitig.
Preisende Worte wären noch zu finden für sechs weitere Zyklen des Bandes, die da heißen „Kontinente„, „Armaturen„, „Tagwerk”, „Quanten”, „Sporen”, „Verfahren”, für die Energie der Sätze, den hymnischen Rhythmus, die genaue Wortwahl und immer wieder den evidenten Bildzauber. Lakonik des Tons und wissenschaftliches Material stehen dem nicht entgegen, sie steigern ihn sogar.
Zuletzt klärt Urweider eine Frage, die sich mit uns wohl viele Käufer des Transfair-Handels gestellt haben: Wie groß sind und wie leben jene „Kleinbauern”, die, wie es deren Etiketten versichern, den Honig, die Schokolade hergestellt haben? Der Dichter beschreibt es im gleichnamigen siebenteiligen Zyklus, dessen schnurriger, melancholischer, kombinationsreicher Kosmos an die Stimmung von Iosseliani-Filmen erinnert, an Ringelnatzens „Kinderverwirrspiele”, an Ernst Jandl, vor allem aber an den erstaunlichen Lyriker Raphael Urweider.
ROLF-BERNHARD ESSIG
RAPHAEL URWEIDER: Lichter in Menlo Park. Gedichte. DuMont Verlag, Köln 2000. 120 Seiten, 34 Mark.
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