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Santa Monica am Abend des 24. Dezember 2002: In einem Appartment unweit vom Strand wollen sich Joe Travers und Rose Reed das Jawort geben. Eine kleine Gesellschaft von Freunden ist geladen, der Trauung beizuwohnen. Noch warten alle auf die Braut, die sich im ersten Stock in Schale wirft, da wartet der Bräutigam mit einer Geschichte auf: Am Weihnachtsabend vor 25 Jahren war er auf dem Weg zu einer Frau, den Ring in der Tasche ... Als Rose wenig später im Brautkleid die Treppe hinabschreitet, ist nichts mehr wie zuvor. Patrick Roth hat mit seiner Lichternacht ein verzauberndes kleines…mehr

Produktbeschreibung
Santa Monica am Abend des 24. Dezember 2002: In einem Appartment unweit vom Strand wollen sich Joe Travers und Rose Reed das Jawort geben. Eine kleine Gesellschaft von Freunden ist geladen, der Trauung beizuwohnen. Noch warten alle auf die Braut, die sich im ersten Stock in Schale wirft, da wartet der Bräutigam mit einer Geschichte auf: Am Weihnachtsabend vor 25 Jahren war er auf dem Weg zu einer Frau, den Ring in der Tasche ... Als Rose wenig später im Brautkleid die Treppe hinabschreitet, ist nichts mehr wie zuvor. Patrick Roth hat mit seiner Lichternacht ein verzauberndes kleines Meisterwerk geschaffen. In bewegenden, dichten Bildern erzählt er von dunklen Erfahrungen, von Träumen, von Schmerz und Todesangst und schließlich von der Liebe, die nie mehr losläßt.
Autorenporträt
Roth, Patrick
Patrick Roth, geboren 1953 in Freiburg im Breisgau, lebt als freier Autor in Los Angeles und Mannheim. Er begann seine künstlerische Karriere in den USA als Regisseur und Drehbuchautor. Zu Beginn der 1990er Jahre wechselte er in die Prosa und entwickelte seinen charakteristischen Stil als Erzähler von biblisch-mythischen Stoffen, so im letzten großen Roman Sunrise. Das Buch Joseph (2012) und den früheren Texten der Christus Trilogie (1998). Neben die Bilder der Bibel tritt im weiteren Werk die Welt des Films, so in Meine Reise zu Chaplin (1997), Die Nacht der Zeitlosen (2001) und Starlite Terrace (2004). Der lebenslangen Liebe zum Kino geht der autobiographische Erzählband Die amerikanische Fahrt (2013) auf den Grund. Für sein literarisches Schaffen wurde Patrick Roth vielfach geehrt und mit Poetikdozenturen an den Universitäten in Frankfurt, Heidelberg und Hildesheim ausgezeichnet.

chen Sprache zurück und schrieb eine Reihe von Hörspielen und Theaterstücken, die er teilweise selbst in Deutschland inszenierte. Im Sommersemester 2008 und 2012 lehrte er im Rahmen einer Poetik-Dozentur an der Universität Hildesheim. Für sein literarisches Schaffen wurde Patrick Roth vielfach ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.2006

Der eigene Tod feiert silberne Hochzeit
Patrick Roth erzählt eine rätselhafte Traumgeschichte

Von Edo Reents

Man falle auf den Untertitel um Himmels willen nicht herein! Patrick Roths "Lichternacht" ist nur insofern eine "Weihnachtsgeschichte", als sie an Weihnachten spielt. Es ist eine Geschichte über das Heiraten - das hätte sie wiederum mit der Weihnachtsgeschichte gemein, die ja auch die Geschichte einer Verlobung ist -, über Eifersucht, Selbstverblendung und die Sehnsucht nach einem Menschen: ganz gewöhnliche und doch so wichtige, immer wiederkehrende Dinge. "Lichternacht" ist so sehr eine Weihnachtsgeschichte, wie Roths Erzählung "Der Mann an Noahs Fenster" (in dem Band "Starlite Terrace" von 2004) eine Geschichte über den Mann an Noahs Fenster ist, aber darüber hinaus und vor allem eine Geschichte über Gary Coopers Hände, über die niemand sonst so schön schreiben kann wie Roth. Diese Prosa ist amerikanisch klar wie deutsch romantisch, präzise und doch stets auf Tuchfühlung mit dem Unbewußten.

Es ist der Abend des 24. Dezember 2002. Joe Travers, ein Mann unbestimmten Alters - er wird ungefähr fünfzig Jahre alt sein -, will sich mit Rose Reed zu Hause in Santa Monica, Los Angeles, trauen lassen, und zwar in Anwesenheit der Freunde Larry und Trish. Mit der Spontaneität und Lässigkeit, mit der die Zeremonie arrangiert wird - eine Pastorin sucht man sich aus dem Telefonbuch und nimmt sie aufgrund ihrer sympathischen Stimme, die Braut öffnet den Gästen eine halbe Stunde vor der Trauung in Jeans und T-Shirt -, kontrastiert die so erwartungsvolle wie besorgte Stimmung: Larry quittiert die Auskunft, daß für die Trauung der Wortlaut des Eheversprechens geändert wurde, mit den Worten "Das hätte mir vor zwei Jahren einfallen sollen" und bestätigt damit, daß die Ehe im tiefsten Sinne des Worte ein fragwürdiges, des Hinterfragens würdiges Unterfangen ist. Dem Bräutigam scheint das noch stärker zu dämmern, denn auf die Frage hin, warum man ausgerechnet den Heiligen Abend gewählt habe, der doch von sich aus schon Anlaß genug sei zum Feiern, schenkt er nur schnell Wein nach.

Oder gibt es am Heiligen Abend gar nichts zu feiern? Ist das nicht vielmehr, wie in Frank Capras Film mit James Stewart, ein Tag der Prüfung, an dem sich alles Weitere entscheidet? Auf die als Motto vorangestellten Matthäus-Verse 1,24 folgt nämlich noch vor dem Textbeginn ein Foto aus "Ist das Leben nicht schön?". Der amerikanische Originaltitel lautet entschiedener und nimmt das gute Ende vorweg: "It's A Wonderful Life". Soweit sind wir hier noch lange nicht; bis zuletzt bleibt es offen, was aus der Sache wird.

Während sich die Braut oben umzieht, wendet sich der Bräutigam an die Gäste: "Ich bin euch eine Erklärung schuldig." Man kennt es aus amerikanischen Filmen, daß der Geistliche sagt, wenn einer unter den Anwesenden Einwände gegen die Eheschließung habe, so möge er sie nun vorbringen oder für immer schweigen. Joe scheint selber welche zu haben, denn die Geschichte, die er den Freunden nun erzählt, gerät ihm zur Lebensbeichte. Sie spielt am Heiligen Abend 1977. Joe feiert also gewissermaßen Silberhochzeit mit dieser Begebenheit, die sich als heimliche Haupthandlung in die souverän skizzierte Rahmenhandlung schiebt. Joe wohnte damals in New York und war in ein Mädchen verliebt, das er so recht nicht kannte, und dieses Mädchen wollte er an "Christmas Eve" mit einem Heiratsantrag überraschen und hatte die Ringe schon dabei. Vor der Tatsache, daß dieses Mädchen einen anderen hat, verschließt er die Augen und macht sich im Schneegestöber zu ihr auf - über die Brücke, welche die Bronx mit Queens verbindet. Das Auto bleibt stehen, Joe spürt plötzlich einen stechenden Schmerz. Ein Herzinfarkt? Der Mann im Mauthäuschen fragt: "Heute nacht noch über die Brücke?"; Joe stirbt - und sieht sich selber dabei zu. Sein Bericht ist so suggestiv, daß auch die Hochzeitsgäste zu Akteuren der traumhaften, traumatischen Binnenhandlung werden. Schließlich kommt die Braut (von damals) an den Ort von Joes Zusammenbruch, auf die Brücke, und nimmt die Hand des Toten, alles von Joe selber beobachtet. In dem Moment, in dem die Binnenerzählung zu Ende ist, erscheint Rose auf dem Treppenabsatz, bereit für die Trauung. ",Hey, Joe', sagte Larry." Der Hendrix-Song gibt das Signal. Ist es etwa die Rose von damals?

Es ist eine Geschichte voller Rätsel, deren erzählerischer Kern eine Nahtoderfahrung zu sein scheint, in der Schwebe gehalten zwischen den Erzählebenen, zwischen Traum und Wirklichkeit, eine Geschichte aus dem Unbewußten und über das Unbewußte, klug im Nachwort kommentiert und in ihrem verblüffenden Symbolgehalt erschlossen von Michaela Kopp-Marx. Vielleicht doch eine Weihnachtsgeschichte, aber viel mehr als das.

- Patrick Roth: "Lichternacht". Weihnachtsgeschichte. Insel Verlag, Frankfurt am Main, Leipzig 2006. 56 S., geb., 10,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine Weihnachtsgeschichte, aber nur weil sie zu Weihnachten spielt. Und eine Hochzeitsgeschichte, gleich eine doppelte. Kurzum: Eine Hochzeitsgeschichte, die auch noch am Weihnachtstag stattfindet, meint Rezensent Edo Reents. Ein bisschen ritueller Overkill, das wird auch im Text selbst festgestellt von den Figuren, die es eben drum ganz besonders lässig angehen lassen wollen. Aber dann unterbricht der Bräutigam die Angelegenheit mit einer Geschichte, die er erzählt. Diese Geschichte hat es in sich, denn es geht um ein Nahtoderlebnis auf der Brücke zwischen Queens und der Bronx. Und wie Patrick Roth seine Erzählung sanft ins Unheimliche, ja, Gespenstische hinüber gleiten lässt, das hat den Rezensenten ganz außerordentlich beeindruckt. Er zeigt sich fasziniert von dieser "Geschichte aus dem Unbewussten und über das Unbewusste" - und empfiehlt auch die dem Band beigegebenen Erläuterungen und symbolischen Deutungen.

© Perlentaucher Medien GmbH