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Wenn der Ball im Korb landet, liebt sie mich, denkt Rufus, nimmt Maß, wirft und trifft. Das Orakel behält recht, Lilith und er werden ein Paar. Die beiden sind neunzehn, das Abitur steht bevor - eine Zeit des Übergangs, turbulent, beängstigend und schmerzlich intensiv. Rufus blickt mit Zuversicht und Trotz nach vorn, setzt der Unsicherheit Zahlen und Fakten entgegen. Durchkommen will er und gute Noten, um später Astrophysik zu studieren, denn er ist überzeugt: Auf die Wissenschaft ist Verlass. Lilith hingegen will keine Zukunft und keinen Abschluss, sie will malen, die Zeit anhalten, das Licht…mehr

Produktbeschreibung
Wenn der Ball im Korb landet, liebt sie mich, denkt Rufus, nimmt Maß, wirft und trifft. Das Orakel behält recht, Lilith und er werden ein Paar. Die beiden sind neunzehn, das Abitur steht bevor - eine Zeit des Übergangs, turbulent, beängstigend und schmerzlich intensiv. Rufus blickt mit Zuversicht und Trotz nach vorn, setzt der Unsicherheit Zahlen und Fakten entgegen. Durchkommen will er und gute Noten, um später Astrophysik zu studieren, denn er ist überzeugt: Auf die Wissenschaft ist Verlass. Lilith hingegen will keine Zukunft und keinen Abschluss, sie will malen, die Zeit anhalten, das Licht beherrschen, den Schatten und die Farben. Doch Lack und Leinwand taugen nicht als Waffen, und ihr irrationaler Wunsch gebiert Ungeheuer.

Lisa Kränzlers Roman "Lichtfang" erzählt eine Geschichte übers Erwachsenwerden, bildreich und präzise, mutig und radikal. Eine Geschichte über eine sensible, begabte, aber versehrte junge Frau. Und ihren Freund, der sie nicht schützen kann.
Autorenporträt
Kränzler, Lisa
Lisa Kränzler wurde 1983 in Ravensburg geboren und studierte Malerei und Grafik an der Kunstakademie Karlsruhe. 2012 gewann sie beim Bachmann-Wettbewerb den 3sat-Preis für einen Auszug aus Nachhinein. Der Roman stand auch auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse 2013 und wurde mit dem Märkischen Stipendium 2014 ausgezeichnet. Lichtfang ist ihr erster Roman im Suhrkamp Verlag.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine wunderbare Liebes- und Adoleszensgeschichte hat Rezensentin Jutta Person mit Lisa Kränzlers neuem Roman "Lichtfang" gelesen. Ihr begegnet hier die neunzehnjährige Lilith, die in ihren Träumen von einem mythologischen Riesen-Falter verfolgt wird, ihren Wahnvorstellungen aber durch Rufus, einem mathematisch begabten Mitschüler am Provinzgymnasium, entfliehen kann. Als "haarfeine Historisierung" des Erwachsenwerdens lobt die Kritikerin den Roman, der dem pubertär Hochtrabenden nur selten verfalle, sie dafür aber umso mehr bildgewaltig und sprachspielerisch überzeugt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2014

Lieber irre als dämlich
Selbstverbrennung einer Vollblutkünstlerin: Lisa Kränzlers neuer Roman "Lichtfang" ist überlebensgroße Gefühlsoper

Wer Lilith heißt, muss eine schwer gefährdete Borderline-Künstlerin sein. Die neunzehnjährige "hilflos leidende Schmerzensfrau" aus Lisa Kränzlers drittem Roman malt, schreibt und fährt wie der Teufel, um die Zeit mit Brachialkunst, Opas Schreibmaschine und seinem alten Mercedes 190 totzuschlagen, und dabei gerät die hochtourig verbrennende Lichtfängerin von einer Hölle in die andere: Die "verblödeten Bauern" in ihrem Kaff und der Lackfalter, der aus den Industriefarben aus dem Baumarkt und den Abgründen ihrer wunden Seele schlüpft, bringen sie erst um den Verstand und dann ums Leben.

Rufus, Liliths schielender Mitschüler, schützt sich mit Zahlen, Sterngucken und einsamem Basketballspielen vor seinen Dämonen, aber retten kann er seine chronisch unterzuckerte und heroisch-tragisch überspannte Seelenfreundin auch nicht. Während die sich auf der Suche nach dem Licht-Gral die Pulsadern aufschneidet, in schwarze Rollkragen-Korsetts zwängt, giftgrüne Galle kotzt und andere Formen farbiger Selbstzerstörung erprobt, wird Rufus Wissenschaftler und brav. Am Grab des Mädchens, dem auf Erden nicht zu helfen war, wird er einen Kranz immergrüner Liebeslyrik niederlegen.

Wie schon in ihren beiden ersten Romanen geht die einunddreißigjährige Freiburger Malerin und Schriftstellerin Lisa Kränzler auch diesmal wieder ans Limit. Kunst ist "vollkommene Hingabe und absolute Kompromisslosigkeit", und deshalb muss sie weh tun und hart und blutrot ins eigene Fleisch schneiden. In ihrem Erstling "Export A" erzählte Kränzler von der Austauschschülerin Lisa Kerz, die sich in Kanada in einem Rausch von Drogen, Sex und Punkmusik verlor, während ihre Schwester in der Religion Halt fand. In "Nachhinein" konfrontierte sie mit LottaLuisaLuzia und ihrer prolligen "Blutschwester" JasminCelineJustine abermals unterschiedliche Milieus und Formen jugendlich exaltierten Leidens: Während die Unterschichtlerin an den traumatisierenden Erfahrungen von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung zerbrach, sublimierte die höhere Tochter ihre Neurosen im Klavierspiel und ließ ihre Sandkastenfreundin grausam fallen.

Inzwischen hat Kränzler sich vom Verbrecher-Verlag zum Suhrkamp-Spitzentitel hochgearbeitet, ohne freilich ihr Thema zu wechseln und ihre Sprachexzesse zu mäßigen. Was einmal eine verstörende Manie war, wird mehr und mehr zur Manier: die flamboyante Farb- und Namensgebung, die extravaganten Metaphern, die schematische Konfrontation von langweilig guten und bösen kranken Mädchen, die Feier eines unbedingten Kunstwillens, der mit einem Leben auf Messers Schneide, Essstörungen und Selbstverstümmelungsorgien erkauft wird. Liliths Lust an Alliterationen ("Lamentier-Lilith, launenhafte Lusche, weinerliches Weibsstück"), grell bunten Sprachbildern und weit hergeholten kunstgeschichtlichen Zitaten ist so maßlos wie ihr Lack- und Papierverbrauch. "Ich schaffe lieber, als dass ich betrachte", schreibt sie einmal. "Ich habe keine Zeit, überflüssigen Bilderballast zu entsorgen. Der Fertigungsfluss muss weiterströmen."

Rufus ist wenigstens in Mathe eine Eins, Lilith in Sachen Lebenstüchtigkeit eine lichterloh brennende schwarze Null. Er ist der romantisch verdüsterte Menschenhasser, der Mond und Sterne durch sein Teleskop betrachtet, sie eine somnambule Albträumerin, die sich mit Rasierklingen, Rollkragen-Korsetts, Tropifrutti-Süßstoff und umweltfeindlichen Filzstiften selbst zerstört. In ihren Kassibern unter der Schulbank, ihrer Kurt-Cobain-Gedächtnislyrik und ihren Bildern spielen große Wörter und erhabene Farben wie Fuchsia, Violett und Amethyst eine bedeutende Rolle. Alles ist überlebensgroße Gefühlsoper, Blut- und Farbrausch einer Kindfrau, die nicht erwachsen werden will; selbst wenn sie sich nur im Badezimmer einen Pickel ausdrückt, ist es ein hoch emotionaler Folterexzess im Spiegel.

Weil der Solo-Basketballer Rufus seinen sportlichen Waschbrettbauch auch nur ungern herzeigt, ist die körperliche Vereinigung mit Lilith so schwierig wie ihre Kommunikation. Gemeinsam ist beiden die Weigerung, sich ihre Liebe in der Sprache der anderen einzugestehen, und die Verachtung so gemeiner Dinge wie Leben, Zukunft oder Realität. Bedenkenträgerische Eltern, verständnisvolle Lehrer, kreischende Facebook-Teenager, gehorsame Streber: alles Deppen, Spießer und Fettwänste. "Lieber verrückt als dumm, lieber wahnsinnig als dumpf, lieber irre als dämlich."

Kränzler kann durchaus genau hinschauen und präzise beschreiben, etwa den Bewegungsablauf bei Rufus' Baseball-Orakel oder den Stumpfsinn beim schwäbischen Dorffest; gelegentlich blitzt sogar grimmiger Humor und so etwas wie Erbarmen auf. Aber weil sie den Reflexionshorizont ihrer Figuren ständig mit altklugen Kommentaren zu den "Problemen des Erwachsenwerdens" und der "Perforation der Zusammenhänge" übermalt und unterläuft ("Wer das Besondere und Außergewöhnliche verkörpert, wird zum Sonderling und Außenseiter gemacht, wer eine Gefahr für die bestehenden Hierarchien darstellt, ausgegrenzt"), erinnert "Lichtfang" oft an pubertäres Geklecksel und Geschreibsel. Und die Pennälerwitze, elterlichen O-Töne, Kindheitserinnerungen und Klischees vertragen sich auch nicht immer mit der behaupteten Radikalität und künstlerischer Authentizität. Nimmt man die dunklen Schattierungen, die dick aufgetragenen Kunstfarben und die schwer erträgliche Experimentalpoesie ("LILITH WILL NIT. / WILL, WILL, WILL NIT! / ILL-ith. / Fool on the HILL-ith. / SYLLith / KILL-ith-KILL-ith-KILL-ith") weg, bleibt ein Adoleszenzkrisenroman über zwei elitäre Königskinder übrig, die nicht zusammenfinden können.

Kränzler gibt ihnen die volle Dröhnung, vom scheuen ersten Kuss im Keller bis zum delirierenden Wahnsinn in den Wolken. Beim Versuch, malend das Schreiben und schreibend den Malprozess einzufangen, gehen Bilder, Schrift und Lilith in Flammen auf. "Nur was mich versengt, soll Sätze hinterlassen. Auf dass die Lettern aufflammen wie Streichhölzer und mein Text eine Brandspur sei." Das wäre schon etwas, aber "Lichtfang" ist dann doch nur die stolze Selbstverbrennung einer doppelt begabten Vollgaskünstlerin.

MARTIN HALTER

Lisa Kränzler: "Lichtfang". Roman.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 176 S., geb., 16,95 [Euro].

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"... eine ganz eigene Stimme verschafft sich hier Gehör."
Oliver Jungen, Cicero