Produktdetails
  • Verlag: Klöpfer & Meyer Verlag
  • Seitenzahl: 116
  • Erscheinungstermin: Februar 2007
  • Deutsch
  • Abmessung: 190mm
  • Gewicht: 192g
  • ISBN-13: 9783937667980
  • ISBN-10: 3937667989
  • Artikelnr.: 22515737
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Christine Langer 1966 in Ulm geboren.
Schreibt Lyrik und Prosa, veröffentlichte bislang in Anthologien, Zeitschriften, Zeitungen; zahlreiche Lesungen. Freie Kulturjournalistin und -kritikerin. Herausgeberin und Chefredakteurin der "Konzepte", Zeitschrift für Literatur.
Mehrere Preise und Auszeichnungen, u.a. Förderpreis für Literatur der Stadt Ulm; Stipendium der Villa Vigoni, Italien, Siegerin im Lyrikwettbewerb 2006 der "Künstlergilde Esslingen", Literaturstipendium des Landes Baden-Württemberg 2009.
Christine Langers Gedichte wurden mehrfach vertont, u.a. von Orchestern aus Linz, Bratislava, Bukarest.
Die Autorin in ist zu Lesungen gerne bereit.
Internet: www.christine-langer.de
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2007

Schlitz ins Kleid

Schlag nach bei Walther von der Vogelweide: Christine Langer schwankt zwischen Natur- und Liebesgedicht. Ihr Minnesang will neu klingen, aber klaut bei den Alten.

Leute, glaubt es, es ist Arbeit" - nämlich das Dichten, versichert Christine Langer in dem Gedicht "Poetica et Error". Na gut, wir wollen es ihr ja schon glauben. Nur: Was hilft's? Arbeit oder nicht - das Gedicht wird um kein Gran besser oder schlechter allein dadurch, dass es sich schwerer Arbeit verdankt oder leichter Intuition, langer Mühsal oder kurzer Lust. Es zählt zuletzt doch nur, was dasteht, nicht, wie es zustande gekommen ist.

Glücklicherweise behandelt Christine Langer das heikle Thema der Erläuterung des eigenen Dichtens nicht ohne Selbstironie: "Ich gehe wie ein alter Mann am Stock." Aber immerhin: Es geht noch voran. Geht es wirklich voran, oder wohin ist Christine Langer mit ihren Gedichten unterwegs? Als Wegmarken hat sie den sieben Abschnitten ihres Buches jeweils drei gewichtige Hauptwörter vorangestellt. Das geht von "Blüte - Blatt - Wurzel" über "Wind - Stille - Sturm" bis zu "Erde - Stein - Schlaf". Weiträumige Themen, globale Aspekte, grundsätzliche Gegebenheiten werden da avisiert. Aber dann ist es doch ein verhältnismäßig begrenzter Kreis, den die Gedichte tatsächlich abschreiten: Naheliegende Natureindrücke werden sorgfältig benannt und bedacht, einschließlich der vielen Blumen, Kräuter, Beeren, der Bäume und ihrer Wipfel, der Schwalben, Möwen, Krähen, Adler und Enten, der Rehe ("das schönscheue Wild") - Naturlyrik also, oft angewandt auf das eigene Ich und seine empathischen Empfindungen. In solchen Fällen verwandelt sich das Naturgedicht zur Liebeslyrik, genauer: zum erotischen Gedicht.

Da erscheint dann ein männliches Du nackt am Waschbecken ("spreizen sich selbstbewußt / Deine Schenkel dazwischen die Härchen / Schattieren die Lust"), im Bett ("bis / Du mich packst"), im Strandkorb und in freier Natur ("Wir ließen / Spuren in kräftigen Wiesen, / Ließen Klee und Kraut zurück"). Das - tandaradei - las man bei Walther von der Vogelweide schon besser, und manche "Detail"-Beschreibungen, den Zustand des Slips "nachher" betreffend ("Ich ziehe ihn / Langsam / Nach oben"), verkennen, glaube ich, die Blickrichtung der ästhetischen Neugier von Lyriklesern erheblich. Denn die richtet sich doch wohl eher auf sprachliche, gedankliche oder formale Innovationen als auf vordergründige Sensationen vom Schlage verrutschter Textilien ("Mein Kleid / Vergrößerte seinen Schlitz").

Damit, mit Erneuerungen dieser Art, steht es nicht zum Besten in Christine Langers Gedichten. Gewiss: Es gibt ein paar formale Experimente, zerhackte Wörter etwa, deren Silben à la Celan die Versgrenzen überspringen ("Zer- / Drück eine Beere"); es gibt Buchstabenspielchen, die beispielsweise den sprachlosen gemeinsamen Lustschrei abbilden sollen oder das A und O marktgerechter Sexualität ("al pha pha llus, a na na / O nan"), aber neu ist das alles nicht mehr, vierzig Jahre nach Heißenbüttels Textbüchern und den Konstellationen der Konkreten Poesie. Und wo sich Gedankliches unverhüllt und metaphernfrei zu erkennen gibt, da schrammt die Verfasserin nicht selten sogar haarscharf am Friederike-Kempner-Effekt vorbei: Die Blumen entwickeln dann einen unverkennbaren Hang zu Stilblüten: "bei so viel Geblüh / Hörte es irgendwann auf zu riechen", "ich sage keine Definition", "Ein Löffel / Liegt vor dem Fenster / Und holt Wolkenhänge auf den Tisch" ("Amaryllis").

Bereitwillig gibt Christine Langer außer ihren Natur- und Liebeserfahrungen auch ihre Präferenzen in Literatur, bildender Kunst und Musik preis. So weiß sie etwa genau, was Ingeborg Bachmann ihrem Geliebten ins Ohr flüsterte ("Dunkles zu sagen"), sie zitiert und variiert Gertrude Stein und Celans "Todesfuge", sie liebt den "blauen Reiter" und Gustav Klimt, hört Sonaten von Godowski und Kompositionen von Henry Purcell und anderen.

Solchen Selbstauskünften wäre nur noch hinzuzufügen, dass Christine Langer 1966 in Ulm geboren wurde, wo sie noch heute wohnt und das kulturelle Leben der Region bereichert. Sie ist maßgeblich beteiligt an der beachtlichen literarischen Zeitschrift "Konzepte", die jungen deutschsprachigen Talenten ein Forum bietet. "Lichtrisse" ist ihr dritter Gedichtband. Ihn hat im März 2007 die inzwischen ein wenig altehrwürdig gewordene Darmstädter Jury zum "Buch des Monats" kreiert. "Zu entdecken: eine große Dichterin", rief das Jurymitglied Rolf Michaelis enthusiasmiert aus. Machen wir's halblang: Um "groß" zu werden, steht der begabten Dichterin noch sehr viel Arbeit bevor.

WULF SEGEBRECHT

Christine Langer: "Lichtrisse". Gedichte. Klöpfer Meyer Verlag, Tübingen 2007. 116 S., geb., 16,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Begabung möchte Rezensent Wulf Segebrecht der Dichterin Christine Langer nicht absprechen, aber glücklich ist er mit ihrem Gedichtband nicht geworden. Manchmal kann er sich auch des Spottes nicht ganz enthalten, etwa wenn er Stilblüten moniert. Langers Naturlyrik ist ihm naheliegend, ihre erotischen Gedichte gehen ihm an seiner Neugier vorbei. Außerdem liest er das "tandaradei" dann doch lieber bei Walther von der Vogelweide. Aber wie gesagt, begabt findet er sie.

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