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Nach Guntram Vespers Jahrhundertroman »Frohburg« erschienen mit »Nordlich der Liebe und südlich des Hasses« die Prosa und mit »Tieflandsbucht« die Gedichte des Autors bei Schoffling & Co. Seine gesammelten Aufsatze erganzen nun unter dem Titel »Lichtspiele«. Essays und Berichte die Werkausgabe dieses so bedeutenden Schriftstellers. Den Kern des Bandes bildet die 1992 erschienene Auswahl Lichtversuche Dunkelkammer, in der Vesper eine Bilanz seiner bis dato entstandenen essayistischen Arbeit zieht. Erganzt wird dies insbesondere um nach 1992 publizierte Essays, vor allem aus der, vom…mehr

Produktbeschreibung
Nach Guntram Vespers Jahrhundertroman »Frohburg« erschienen mit »Nordlich der Liebe und südlich des Hasses« die Prosa und mit »Tieflandsbucht« die Gedichte des Autors bei Schoffling & Co. Seine gesammelten Aufsatze erganzen nun unter dem Titel »Lichtspiele«. Essays und Berichte die Werkausgabe dieses so bedeutenden Schriftstellers. Den Kern des Bandes bildet die 1992 erschienene Auswahl Lichtversuche Dunkelkammer, in der Vesper eine Bilanz seiner bis dato entstandenen essayistischen Arbeit zieht. Erganzt wird dies insbesondere um nach 1992 publizierte Essays, vor allem aus der, vom Frohburg-Erfolg ausgelost, besonders regen spaten Schaffensphase.Der von Thomas Schaefer herausgegebene Band mit einem Nachwort von Andreas Platthaus versammelt Texte rund um das Schreiben, Geschichte(n), Orte, Portrats und Bücher und bezeugt den hellwachen, neugierigen Geist des 2020 verstorbenen Guntram Vesper.
Autorenporträt
1941 in der sächsischen Kleinstadt Frohburg geboren, kam 1957 über Berlin in die Bundesrepublik. 1967 las er auf der letzten Tagung der Gruppe 47. Sein umfangreiches Werk umfasst Prosa, Gedichte, Essays und Ho¿rspiele. Für sein Opus magnum »Frohburg« erhielt Guntram Vesper den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik und den Erich-Loest-Preis. Guntram Vesper starb 2020 in Go¿ttingen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Ein Autor, der zu Unrecht und viel zu lange im Verborgenen geschrieben hat: Das ist Guntram Vesper für den Rezensenten Claus-Jürgen Göpfert. Göpfert ist froh, rund drei Jahre nach Vespers Tod einen Band mit Essays und Berichten entdecken zu dürfen, in dem der Schriftsteller minutiös sein Umfeld beobachtet, die deutsch-deutsche Geschichte wie den Literaturbetrieb. Vesper bleibt dabei kritisch, etwa wenn es um unter den Teppich gekehrte Nazivergangenheiten geht oder um die innerdeutsche Grenze und die Verwüstungen, die sie hinterlässt. Ein Buch, das erinnert, dokumentiert und stets den Text mit dem wirklichem Leben verankert, schließt der Kritiker.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.2023

Im Zentrum der Anziehungskraft
Er folgte den Gesetzen der Achtsamkeit: Eine Auswahl von Guntram Vespers essayistischen Schriften im Rahmen der Werkausgabe

In den letzten zwei Jahren seines Lebens telefonierte ich gelegentlich mit Guntram Vesper, der 1941 in Frohburg bei Leipzig geboren wurde und 2020 in Göttingen nach längerer Krankheit starb. Die oft umfangreichen Gespräche ähnelten in ihrer Ausführlichkeit und der Präzision, mit der sich der Schriftsteller erinnerte, seinen literarischen Arbeiten. Als ich ihn nach dem Sinn des ständigen Nachdenkens über die Vergangenheit fragte, erklärte er mir, dass er damit sich selbst besser verstehen könnte. Es ging um die Frage, wie er der Mensch wurde, der er war. Bei Schöffling ist nun der Band "Lichtspiele - Essays und Berichte" erschienen. Fortgesetzt wird damit eine Reihe von Büchern mit Texten von Guntram Vesper, die einer Werkausgabe gleicht; publiziert sind bereits der Roman "Frohburg", die Prosasammlung "Nördlich der Liebe und südlich des Hasses" und der Gedichtband "Tieflandsbucht". Herausgegeben wurde "Lichtspiele" von Thomas Schaefer, der sich bei seiner Edition noch auf die Vorarbeiten des Autors stützen konnte, der bis zu seinem Tod vor drei Jahren über die Konzeption des Bandes nachgedacht hatte.

Ausgangspunkt der Sammlung sind die Texte des 1992 publizierten Buches "Lichtversuche. Dunkelkammer"; ergänzt wurden sie von Arbeiten ähnlichen Charakters, die früher und vor allem später erschienen sind. "Lichtspiele" ist ein umfangreicher und kurzweiliger Band. Vesper ribbelt die Erfahrungen seines Lebens anhand seiner persönlichen Interessen auf; es geht um die Begegnungen mit Büchern und Autoren, um den Prozess des Schreibens, um die Geschichte seiner Familie und die Orte, an denen er gelebt hat. Vespers erzählerisches Ziel ist einerseits die Anschaulichkeit, andererseits die persönliche Relevanz des Dargestellten. "Lichtspiele" ist ein eindrucksvolles Buch, weil die geschilderten Erfahrungen auf ein subjektives Motiv des Autors zurückgeführt werden können. Vespers Sätze haben einen emotionalen Hintergrund, sind gedeckt durch die Gefühle. Der Autor erzählt präzise, in einfachen Sätzen und einer klaren Sprache. Auffällig ist der Blick auf die Details, auf die Straße, in der sich ein Antiquariat befindet, auf den Zustand eines Buches, das er gekauft hat.

In dem Text "Eingeladen, meiner Hinrichtung beizuwohnen" schreibt Vesper, dass die neue Reisetasche aus Wildbison ist, in die er den Schlafanzug packt, mit der er 1967 zum Treffen der Gruppe 47 in den Gasthof Pulvermühle fährt. Dort soll er aus seinen Texten lesen. Der Blick auf diesen Nebenaspekt der Reise, also die Materialität des Gepäckstücks, verdeutlicht, dass der Autor den Ausflug in die Fränkische Schweiz als ganzheitliche Erfahrung betrachtet. Vesper folgt in seiner Literatur den Gesetzen der Achtsamkeit. Die Texte des Bandes bestehen oft aus einer Folge von Szenen. Jede einzelne Sequenz dient der Erzähllogik. Die Passagen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Vesper folgt also keiner Ästhetik der Auflösung, er zieht keine Summe am Schluss, die Essays und Berichte besitzen keinen lehrhaften Charakter. Man könnte den Band "Lichtspiele" an einer beliebigen Stelle aufschlagen und zu lesen beginnen. Durch die Anschaulichkeit des Dargestellten würde sich sofort ein Zugang ergeben.

"Seit langem beschäftigt mich eine deutsche Kleinstadt, bin ich ihr auf der Spur. Es handelt sich um meinen Geburtsort Frohburg in Sachsen. Dort bin ich aufgewachsen, dort habe ich bis ins Jahr neunzehnhundertsiebenundfünfzig gelebt. Der Ort ist für mich eine Bühne, was die letzten hundert Jahre unserer Geschichte angeht. Eine Bühne für Zeitgeschichte, für deutsche Lebensläufe." Diese Sätze finden sich in dem Text "Lichtversuche Dunkelkammer. Entstehung einer Erzählung". Hier beschreibt Vesper, wie sich eigene Erfahrungen mit erfundenen Ereignissen in seinen literarischen Arbeiten vermischen. Er schildert die Recherche nach den Lebensumständen eines Geithainer Mühlenwärters, der im Zuge des Aufstandes vom 17. Juni 1953 von den Russen standrechtlich erschossen wurde. In der Erzählung "Dunkelkammer" konstruiert Vesper eine Begegnung zwischen der Tochter des Mühlenwärters und sich selbst 1957 auf einem Tanzabend in Frohburg. Nach der Lektüre von Werkstattbericht und literarischem Text wird deutlich, wie geschickt Vesper tatsächliche Erfahrungen und vorgestellte Erlebnisse miteinander verbindet. Der Titel "Dunkelkammer" deutet auf den Prozess der Entstehung des Textes hin. Der Raum, der zur Entwicklung von Fotos bestimmt ist, wird zu einem Ort, an dem sich die literarische Erzählung vollzieht. Die Dunkelkammer ist ebenfalls ein Bild für den Kopf des Menschen, in dem sich Eindrücke zu Erinnerungen verdichten.

Guntram Vesper verwendet in seinen Essays und Berichten Frohburg und dessen Umgebung als Zentrum der Anziehungskraft. Hier vermischen sich eigene Erlebnisse mit Erzählungen anderer Menschen, Wissen aus Büchern oder der Tagespresse verbindet sich mit erfundenen Materialien. Dabei benutzt Vesper die Metapher des "Stollens", um zu verdeutlichen, dass er Zugänge schaffen will zu Ereignissen und Menschen, die in Vergessenheit geraten sind. Der Maler Conrad Felixmüller wohnte in Tautenhain, einem Ortsteil von Frohburg. Der Schriftsteller Börries von Münchhausen, der dem NS-Regime nahestand, lebte ebenfalls in der Nähe der Stadt. Für Vesper stehen diese Lebensläufe im Zusammenhang mit seiner Herkunft, sie geben Auskunft über seine persönliche und die kollektive Geschichte. "Lichtspiele" zeigt das Leben von Guntram Vesper auch als Biographie der Lektüren. Leben und Lesen werden bei Vesper durch die literarische Tätigkeit zu einer Einheit. Die persönliche Erfahrung bildet dabei das stärkste Motiv: "Erzählen aus der Überzeugung heraus, daß die Zeitgeschichte, deren Bild erst entsteht, nicht allein der Macht und den eingesetzten Historikern gehört, sondern Eigentum aller ist, in deren Leben sie eingegriffen hat und eingreift." THOMAS COMBRINK

Guntram Vesper: "Lichtspiele". Essays und Berichte.

Hrsg. von Thomas Schaefer. Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2023. 384 S., geb., 30,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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