Produktdetails
  • Verlag: Rimbaud-Verlagsges.
  • 2000.
  • Seitenzahl: 89
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 129g
  • ISBN-13: 9783890868042
  • ISBN-10: 3890868045
  • Artikelnr.: 20762918
  • Herstellerkennzeichnung
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.1996

Ungestüm durch Phrasendreck
Tapfer vor dem Freund: Der Publizist Michael Guttenbrunner

Wie soll man ihn nennen? Ein Original, einen Berserker, einen Widerstandskämpfer der Literatur? Als Michael Guttenbrunner anno 1960 einen ehemaligen Nazi, der es gewagt hatte, einen seiner poetischen Texte zu Fremdenverkehrszwecken zu beschneiden, gerichtsnotorisch ohrfeigte, erhielt er das Telegramm: "Warum nur zwei Ohrfeigen? Herzlichen Glückwunsch - Danke - Thomas Bernhard". Während des Weltkrieges hatte Widersetzlichkeit den Soldaten Guttenbrunner mehrfach in Haft gebracht, nach dem Juli 1944 wurde er "wegen Aufwiegelung und tätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzten vor versammelter Mannschaft" zum Tode verurteilt, hierauf an die Front begnadigt. Aufmüpfiges Benehmen einem britischen Besatzungsoffizier gegenüber sollte ihm später einen Irrenhausaufenthalt eintragen.

Gewiß, die verbürgten Anekdoten werfen ein etwas seltsames Licht auf den Mann. Trotzdem handelt es sich bei dem bald siebenundsiebzigjährigen und immer noch streitbaren Ehrendoktor der Klagenfurter Universität um keinen Radaubruder. Das beweisen gesammelte Vorträge über sein Leben und Werk, aber auch die neuen Gedichte des Bandes "Lichtvergeudung" zur Genüge. Viele Aspekte werden in den gelehrten Abhandlungen offenbar - den Geehrten zeichnet eine seltene Tugend aus, bei Ingeborg Bachmann hieß sie "Tapferkeit vor dem Freund". Wie unermüdlich Guttenbrunner etwa den wenig geschäftstauglichen, ins Exil getriebenen Dichter Theodor Kramer unterstützte oder die gleichfalls emigrierte Fürstin Mechtilde Lichnowsky, war bis dato selbst Kennern kaum bewußt. Auch seine Beziehungen zu bildenden Künstlern, vor allem zu dem Maler Herbert Boeckl, werden gründlich ausgeleuchtet. Am wichtigsten scheint jedoch, was Johann Sonnleitner zutage fördert: die vergessene, vielleicht sogar verdrängte frühe Kurzprosa Guttenbrunners. Denn darin wird Satz um Satz mit rühmlicher Genauigkeit und Schärfe die Erinnerung an die Schrecken des "Nationalbestialismus" wachgehalten.

Als Poet und Ethiker des Wortes kommt Michael Guttenbrunner von Karl Kraus her. Auch er ist stolz darauf, "nur einer von den Epigonen" zu sein, "die in dem alten Haus der Sprache wohnen". Tradition und strenges Formbewußtsein bestimmen den Ton seiner Lyrik, die zwar das Pathos nie scheut, aber jegliches Reimgeklingel vermeidet. Eine lapidare Sinnenfreude und Bildkraft zwingen der darunterliegenden Bitterkeit und Härte nicht falsche Versöhnlichkeit und Sanftmut auf, im Gegenteil: Sie steigern deren Wirkung. "Mit jedem Atemzuge / ungestüm" bahnt sich der Schriftsteller Michael Guttenbrunner seinen Weg nicht nur durch "Kristallne Flut", sondern auch durch Phrasendreck. Wie soll man den Frondeur also nennen? Der Architekt Friedrich Kurrent hat sich für die Variante "der bekannteste Unbekannte unter Österreichs Dichtern" entschieden. Wir wollen ihm nicht widersprechen. ULRICH WEINZIERL

Klaus Amann / Eckart Früh (Hg.): "Michael Guttenbrunner". Ritter Verlag, Klagenfurt und Wien 1995. 304 Seiten, Abb., br., 39,- DM.

Michael Guttenbrunner: "Lichtvergeudung". Löcker Verlag, Wien 1995. 98 S., geb., 29,80 DM.

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