Kalman Segals Lyrikdebüt von 1952 ist jiddische Poesie, die auf dem Substrat Itzig Mangers zu wachsen scheint und einen jüdischen Kosmos in der Art von Chagall, Segals Namensvetter und Verwandtem im Geist, zeichnet. Doch in der stalinistischen Volksrepublik Polen wird von Segal erwartet, dass er als Schriftsteller Volkserzieher ist und den sozialistischen Aufbau verherrlicht. Erinnerungen an die Familie, das Elternhaus, die Jugend im Schtetl und die liebliche Landschaft der Waldkarpaten sind berührende Zeugnisse der Kraft der Liebe - die Kindheit bleibt ein sicherer Ort vor der Gewalt des Jetzt. Sie nährt Segals Haltung, nach einer zukünftigen besseren Welt zu streben. In der totalitär besetzten Gegenwart, dort, wo der neue sozialistische Mensch Thema sein muss, kann der junge Autor trotzdem über freien Willen und gewissenvolles Handeln dichten. Spürbar ist er von der Existenz der Vernunft und des inneren moralischen Kompasses überzeugt. Segals erster Gedichtband verdeutlicht seine tief verinnerlichten Bezüge zur jüdischen Religion und Kultur. Das Interesse an der jiddischen Sprache ab den 1990er Jahren erlebt er nicht mehr, aber sein erster Gedichtband bleibt nach über siebzig Jahren ein wichtiges Zeitzeugnis seines Ringens um Freiheit und um das Überleben der jüdischen Kultur und Sprache im kommunistischen Polen.