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Eckhard Fuhr geht in diesem kraftvollen Essay der Frage nach, ob die innenpolitische Wende von 1998, der Machtwechsel von Helmut Kohl zu Gerhard Schröder, auch eine innere Erneuerung gebracht hat, einen Wechsel in der Selbstwahrnehmung der Deutschen. Er fragt, ob nicht auch der “andere” deutsche Sonderweg, das Leben im Schatten der Hitler`schen Traumata, an sein Ende gekommen ist. An der Politik Gerhard Schröders, an der Medien-und Kulturlandschaft in Deutschland, an Filmen wie “Goodbye Lenin” weist Eckhard Fuhr nach, dass es eine neue Haltung, ein verändertes Selbstbewusstsein in Deutschland…mehr

Produktbeschreibung
Eckhard Fuhr geht in diesem kraftvollen Essay der Frage nach, ob die innenpolitische Wende von 1998, der Machtwechsel von Helmut Kohl zu Gerhard Schröder, auch eine innere Erneuerung gebracht hat, einen Wechsel in der Selbstwahrnehmung der Deutschen. Er fragt, ob nicht auch der “andere” deutsche Sonderweg, das Leben im Schatten der Hitler`schen Traumata, an sein Ende gekommen ist. An der Politik Gerhard Schröders, an der Medien-und Kulturlandschaft in Deutschland, an Filmen wie “Goodbye Lenin” weist Eckhard Fuhr nach, dass es eine neue Haltung, ein verändertes Selbstbewusstsein in Deutschland gibt, dass die Beschränkungen und Selbstbeschränkungen der Nachkriegszeit verschwunden oder im Verschwinden begriffen sind. Nach Eckhard Fuhr fließt jetzt zusammen, was sich bisher abstieß, die westliche Freiheit und die Geschichte Deutschlands bis hin zu einer Gestalt wie der Stauffenbergs, die nun als “europäisch” umgedeutet wird. Dieses Buch ist ein scharfsinniger Kommentar zur gesellschaftlichen Entwicklung Deutschlands, ein Versuch, aus den neuen Ansätzen der Gegenwart die Linien herauszulesen, die in die Zukunft führen. Eckhard Fuhr bewegt sich auf dem Feld, wo Kultur und Politik ineinander übergehen - und gerade da sind neue Befunde zu unserer Gesellschaft aufzuspüren.
Autorenporträt
Eckhard Fuhr studierte Geschichte und Soziologie in Freiburg. Er trat 1986 in die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein, arbeitete dort als Ressortleiter Innenpolitik und ging anschließend nach Berlin. Im Juli 2000 übernahm er die Leitung des Feuilletons der Tageszeitung Die Welt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.08.2005

Plädoyer für Vaterlandsliebe
Ein Essay über die Veränderung der deutschen Befindlichkeit
Ich liebe dieses Land”, sagte Horst Köhler nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten im Mai 2004. Diese Liebeserklärung steht für eine erneuerte nationale Identität, in der sich kritisches Geschichtsbewusstsein und ein Geschichtsgefühl für Land und Leute verbinden. Es wachse - so der Feuilletonchef der Welt, Eckhard Fuhr, in seinem überaus anregenden Essay - wieder so etwas wie Vaterlandsliebe unter den Deutschen. Jahrzehntelang war das Wort verpönt. Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Verbrechen geriet Auschwitz in den 70er und 80er Jahren zum negativen Gründungsakt eines neuen, postnationalen, wenn nicht gar antinationalen Selbstbewusstseins. Spätestens seit dem Historikerstreit 1986 bestimmte der Verfassungspatriotismus nach Habermas’schem Verständnis das Denken im linken und linksliberalen Milieu. Jürgen Habermas sprach vom „DM-Nationalismus” der Ostdeutschen und bediente damit Ressentiments gegenüber allem, was aus dem Osten kam und die postnationalen Konventionen hätte stören können.
Doch die befürchtete Renationalisierung blieb aus. Ausgerechnet einer rot-grünen Regierung fiel seit 1998 die Aufgabe zu, den postnationalen Sonderweg der westdeutschen Nachkriegsgeschichte zu beenden. Nicht zuletzt die Beteiligung der Bundeswehr am Nato-Einsatz im Kosovo 1999 zur Beendigung der ethnischen Säuberungen steht für dieses neue Selbstverständnis. Die Bilder vom Krieg in Ex-Jugoslawien brachten zudem europaweit das Thema Flucht und Vertreibung aufs Tapet. Sie berührten damit auch die Kriegs- und Nachkriegserfahrungen in Deutschland. Polemisierte Günter Grass 1990 noch gegen die Wiedervereinigung mit dem Hinweis, die Teilung sei die gerechte Strafe für Auschwitz, so hatte er zehn Jahre später ein untrügliches Gespür für die Veränderung der Befindlichkeit in der Republik. Sein Buch über die Versenkung des deutschen Flüchtlingsschiffs Wilhelm Gustloff mit fast 10 000 Menschen an Bord durch ein sowjetisches U-Boot am 30. Januar 1945 wurde zum Bestseller.
In der literarischen Landschaft der letzten Jahre finden sich zahlreiche solcher dokufiktionalen Familiengeschichten, die die Kluft zwischen offiziellen und privaten Erzählungen sichtbar machen und gerade dadurch verkleinern. Luzide und gelassen beschreibt Fuhr den Weg zu einem erweiterten Geschichtsbewusstsein und die Entfaltung eines neuen Patriotismus. Umso mehr erstaunt seine Polemik, wenn er die Debatten über den Irak-Krieg ins Visier nimmt. Da wettert er gegen den „Freiheits-Bolschewismus” der Amerikaner, die sich aus der politischen und institutionellen Gemeinsamkeit des Westens verabschiedet hätten. Mehr noch: Die US-Sicherheitsdoktrin sei die unerbittliche Negation all dessen, was Europa ausmache.
Pikanterweise gibt Fuhr in seinem brillanten Kapitel über „Die Deutschen und der Sozialstaat” gerade der Freiheit den Vorrang vor der Sicherheit. In der notwendigen Reform des Sozialstaats sieht er eine innenpolitische Normalisierung, die der bereits stattgefundenen außenpolitischen und dem neuen Selbstverständnis entspricht. Bausteine des Sozialstaats hatte bereits Bismarck im 19. Jahrhundert gelegt. Hitler erkaufte sich, wie Götz Aly in seinem Hitler-Buch darlegt, die Zustimmung der Massen nicht zuletzt mit Ehegattensplitting, Kilometerpauschale und Zuschlägen für Sonn- und Feiertagsarbeit. In dem Film „Der Untergang” haben sich Millionen Deutsche die letzten Tage des Diktators im Bunker vergegenwärtigen können. In Anknüpfung an Hitlers „modernen, sozialpolitisch warmgehaltenen Gefälligkeitsstaat” (Aly) schreibt Fuhr: „Im Sozialstaat Bundesrepublik ist viel von der sozialpolitischen Physiognomie der Volksgemeinschaft erhalten geblieben. Es gab - jenseits aller moralischen Bewertung - über 1945 hinweg mehr Kontinuität, als die Rede von der ‚Stunde Null‘ zugibt. Den Sozialstaat zu reformieren bedeutet auch, Abschied zu nehmen von den Resten eines volksgemeinschaftlichen Verständnisses des Sozialen und der Idee, dass der Staat Wohlstand verteile.”
Zum Abschluss lüftet Fuhr das Geheimnis des Buchtitels. Die Zeile - uns allen vertraut - stammt aus dem 1838 niedergeschriebenen Volkslied „Abendlied im Sommer”: „Kein schöner Land in dieser Zeit, als wie das uns’re weit und breit, wo wir uns finden, wohl unter Linden, zur Abendzeit.” Im „Untergang” singen die Goebbels-Kinder das Lied als Ständchen zu Hitlers letztem Geburtstag. Wenige Tage später werden sie von ihrer Mutter mit Giftkapseln umgebracht. Diese Filmszene ist erschütternd, das Lied bleibt trotzdem im Ohr, auch im 21. Jahrhundert. Dieses Lied, so beschließt Fuhr sein Plädoyer für die Vaterlandsliebe, ist nicht vergiftet. ULRIKE ACKERMANN
ECKHARD FUHR: Wo wir uns finden. Die Berliner Republik als Vaterland, Berlin Verlag, 2005. 157 Seiten, 18 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ulrike Ackermann lobt das Buch von Eckhard Fuhr zu einer veränderten "nationalen Identität" der Deutschen als "überaus anregenden Essay". In "luziden und gelassenen" Ausführungen beschreibe der Autor, wie sich in jüngster Zeit ein "verändertes Geschichtsbewusstsein" und ein "neuer Patriotismus" in der Bundesrepublik entwickelt hat, lobt die Rezensentin. Etwas überrascht ist sie lediglich von der "Polemik" zum Irak-Krieg, in der Fuhr den Amerikanern "Freiheits-Bolschewismus" vorwirft und sie findet es deshalb auch "pikant", dass der Autor in seinem "brillanten Kapitel" über den Sozialstaat "Freiheit" gegenüber "Sicherheit" den Vorzug gibt. Das Buch ist ein "Plädoyer für die Vaterlandsliebe", dessen Titel auf das bekannte "Abendlied im Sommer" mit der ersten Zeile "Kein schöner Land in dieser Zeit"anspielt, so die Rezensentin alles in allem sehr eingenommen.

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