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Seit langem gehört es zum Wissensbestand der Soziologie, daß Fühlen und Handeln in Intimbeziehungen an kulturellen Imperativen orientiert sind und daß selbst sexuelle Beziehungen in Phantasie und Praxis diesem Einfluß Einschränkung und Steigerung verdanken. Die semantischen Codes, die diesen Einfluß steuern, unterliegen ihrerseits einem historischen Wandel. In einer gut dreihundertjährigen Entwicklung reagiert die Form der Liebessemantik auf eine zunehmende gesellschaftliche Ausdifferenzierung personaler, privater Intimität. Sie entwickelt sich von Idealisierung über Paradoxierung zur heutigen Problemorientierung. …mehr

Produktbeschreibung
Seit langem gehört es zum Wissensbestand der Soziologie, daß Fühlen und Handeln in Intimbeziehungen an kulturellen Imperativen orientiert sind und daß selbst sexuelle Beziehungen in Phantasie und Praxis diesem Einfluß Einschränkung und Steigerung verdanken. Die semantischen Codes, die diesen Einfluß steuern, unterliegen ihrerseits einem historischen Wandel. In einer gut dreihundertjährigen Entwicklung reagiert die Form der Liebessemantik auf eine zunehmende gesellschaftliche Ausdifferenzierung personaler, privater Intimität. Sie entwickelt sich von Idealisierung über Paradoxierung zur heutigen Problemorientierung.
Autorenporträt
Niklas Luhmann wurde am 8. Dezember 1927 als Sohn eines Brauereibesitzers in Lüneburg geboren und starb am 6. November 1998 in Oerlinghausen bei Bielefeld. Im Alter von 17 Jahren wurde er als Luftwaffenhelfer eingezogen und war 1945 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Von 1946 bis 1949 studierte er Rechtswissenschaften in Freiburg und absolvierte seine Referendarausbildung. 1952 begann er mit dem Aufbau seiner berühmten Zettelkästen. Von 1954 bis1962 war er Verwaltungsbeamter in Lüneburg, zunächst am Oberverwaltungsgericht Lüneburg, danach als Landtagsreferent im niedersächsischen Kultusministerium. 1960 heiratete er Ursula von Walter. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Seine Ehefrau verstarb 1977. Luhmann erhielt 1960/1961 ein Fortbildungs-Stipendium für die Harvard-Universität. Dort kam er in Kontakt mit Talcott Parsons und dessen strukturfunktionaler Systemtheorie. 1964 veröffentlichte er sein erstes Buch Funktionen und Folgen formaler Organisation. 1965 wird Luhmann von Helmut Schelsky als Abteilungsleiter an die Sozialforschungsstelle Dortmund geholt. 1966 wurden Funktionen und Folgen formaler Organisation sowie Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung als Dissertation und Habilitation an der Universität Münster angenommen. Von 1968 bis 1993 lehrte er als Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld. 1997 erschien sein Hauptwerk, das Resultat dreißigjähriger Forschung: Die Gesellschaft der Gesellschaft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2008

Pardon, dass wir so einfältig sind

Was weiß man, wenn man all das weiß, was Niklas Luhmann in seinem frühen Traktat über die Liebe darlegt? Es wurde soeben aus dem Nachlass publiziert.

Kann man jemandem das Lieben ausreden? Genügt der Hinweis auf das - historische, soziologische - Gewordensein des Gefühls, um es als "uneigentlich" zu "durchschauen": wahlweise als Selbsttäuschung, Wahn oder Illusion? Ist Liebe gegen ihre Erklärung immun? Kann sie durch das, was man ihre Erklärung nennt, nur verfehlt werden? Können noch so reflexiv Liebende über einen, der ihr Gefühl aufdröseln will, nur verlegen lachen und es sich weiter gemütlich machen?

Es ist ein Hochgenuss, Niklas Luhmanns kleines Bändchen über die Liebe zu lesen, ein Manuskript für ein Seminar von 1969, das jetzt im Nachlass publiziert wurde. In Händen hält man einen schönen Gegenbeleg zu der Ansicht, Luhmanns Sachen seien doch nur selbstgenügsame Theorie, mit schmächtiger empirischer Basis und entmoralisierender Allüre. Die Virtuosität, mit der Luhmann in seinem Liebes-Traktat die Theorie als prächtiges Kleid für lebensweise Assoziationen und bonmots schneidert, macht ihm keiner nach. Gerade in der überbordenden theoretischen Architektur, die er selbst um aufreizend naheliegende Befunde herum baut, gibt sich Luhmann als fundierter Theoriekritiker zu erkennen. Auch in der Hitze der Theorieküche wird nur mit Wasser gekocht, sagt er in diesem gelehrten Konzentrat, aus dem der Bestseller "Liebe als Passion" hervorging.

Tatsächlich kann man fragen: Was weiß man, wenn man all das weiß, was Luhmann über die Liebe darlegt? Was weiß man, wenn man erfährt: "Man liebt das Lieben und deshalb einen Menschen, den man lieben kann"? Oder wenn man liest: "Im übrigen ist für den Normalfall eine mehr oder weniger klischeeförmige Außensteuerung dieses auf Liebe gerichteten Liebens bezeichnend"? Oder wenn man gesagt bekommt: "Wer einen schönen Menschen liebt, kann andere und sogar sich selbst leichter von seiner Liebe überzeugen." Oder wenn es schließlich heißt: "Man kann am Morgen danach schon wieder zweifeln, ob das Liebe war." Es spricht nicht gegen Luhmann, dass man den Eindruck hat, nichts zu wissen, wenn man das alles weiß; jedenfalls nichts zu erfahren, was der konkreten Erfahrung von Liebe etwas hinzufügen oder nehmen könnte. Natürlich stimmt es, dass es "kulturelle Klischees" sind, die uns anleiten, ein Gefühl als Liebe zu interpretieren. Oder es als Liebe zu verabschieden. Aber eigentümlicherweise wird das Gefühl durch solche Erklärungen kein bisschen erhellt. Pardon, dass wir so einfältig sind: Liebende lesen Luhmann, rascheln mit den Blättern und genießen. Für die Theorie muss das kein Nachteil sein.

CHRISTIAN GEYER

Niklas Luhmann: "Liebe". Eine Übung. Herausgegeben von André Kieserling. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 95 S., geb., 8,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Diese kleine Studie ist neugierig, sie hat etwas Lachendes, sie ist wie für Studenten gedacht und verfasst, sie will im Seminar diskutiert werden. « Elisabeth von Thadden DIE ZEIT