Glasklar, zärtlich, unsentimental erzählt Maxim Biller von der Suche nach der wahren Liebe: Von Menschen, die sich ausliefern oder abgewiesen werden, die einer lebenslangen Leidenschaft folgen oder sich in immer neue Abenteuer stürzen. Wer liest, wie Maxim Biller von der Liebe erzählt, weiß, dass es noch Hoffnung gibt - und sei es die auf eine neue Liebe.»Ein phantastischer Geschichtenfinder altmodischer Pracht, dem wirklich am Erzählen gelegen ist, an der Welt, an der Wahrheit, am Leben.« Volker Weidermann
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2007So lieben die Jeinsager
Wirklich immer dasselbe? Maxim Billers Liebesgeschichten aus den Wüsten der Großstadt / Von Sabine Löhr
Frühling macht leichtsinnig, man hält Liebe für möglich, entdeckt statt Wankelmut ringsum nur Tatendrang, keine Höllenseufzer, nur Himmelsklang. Wollte man uns Geschichten über gelingende Liebe verkaufen, würden wir abwinken und lieber glücklich mit der Liebe Eis essen gehen. Doch meistens läuft es eben doch anders mit der Liebe. Also lesen wir auch andere Liebesgeschichten.
Maxim Biller illustriert in den 27 Shortstories seines neues Erzählbandes "Liebe heute" die Liebe in den Zeiten der Jeinsager. Altgediente Fans seiner wilden Polemiken, die sein schon leises Werk "Bernsteintage" nicht kennen, dürften sich über die Lakonie dieser Liebesgeschichten wundern. Sie sind nicht als greller Erguss aufs Papier geplatscht, erinnern eher an Bleistiftzeichnungen. Mal in festen klaren Strichen präzise auf das Wesentliche reduziert, mal mit leichter Hand hingeworfen, mal zu wenig ausgearbeitet. Manche blutarme Skizze könnte man auch getrost verwerfen. Immer aber liegt über diesen Liebesgeschichten ein trübender Grauschleier. Glücklich? Allein ist die Seele, die liebt. Entweder liebt ein Er eine Sie, sie aber einen anderen, zusätzlich liebt sie aber auch Ihn, liebt ihn ein wenig, nein, gar nicht. Oder aber man liebt mit Zeitverschiebung, vielleicht schon seit der Geschlechtsorganzeigezeit im Kindergarten.
Wann immer der eine einen Schritt nach vorn macht, weicht der andere zurück. Stört kein Dritter, drückt kein Altliebesballast, kreisen die vielleicht Liebenden dennoch beharrlich in sich und zugleich umeinander, ohne dass die wechselseitige Anziehung zwischen ihnen je so stark wäre, dass dauerhaft innige Nähe entstünde. Stets klopfen zwei Herzen in einer Brust, nie schlagen zwei Herzen im Gleichklang.
So geht es auch Bella in der Geschichte "Der Brief von Oz". Als sie ihrem Longdistance-Liebhaber erklärt, ihn über die Feiertage besuchen zu wollen, hatte sie "ein gutes Gefühl, als sie das sagte. Sie wartete, ob noch ein anderes Gefühl käme, aber es kam nicht. Dann kam es doch, aber es gelang ihr, es mehr oder weniger zu ignorieren." Oder beim Schauspieler Feri in "Die Jahre mit Maserati": "Als er sie das erste Mal im Casolare sah, hatte er gedacht, das wird nichts, und wenn es was wird, nicht für lange." Genau so kommt es. Als die ältere Geliebte morgens per SMS ihre angebliche Schwangerschaft verkündet, antwortet er nicht, sondern denkt nur über die monetären Folgen von einem Dutzend Mal verhütungsfreiem Sex nach: "Sie hatten es gut gemacht, ihm hatte es gefallen, und ihr auch, und jetzt war er also sein schönes Auto los." Bis zum Abend hat er sich durch sein Schweigen als Liebhaber disqualifiziert und wird per SMS Nummer zwei abserviert.
Wie aber Liebe (oder was man dafür hält) zeigen? Die modernen Metropolenmänner Berlins, Hamburgs, Münchens, Prags oder Tel Avivs gehen dabei manchmal pennälerhaft linkisch vor, posaunen ihre momentane Zuneigung gleichsam mit offenem Hosenstall heraus und stoßen (erstaunlicherweise) nicht auf Allzeitbereitschaft: "Sie machte Schwierigkeiten", kommentiert einer. Oder sie weint nach dem Quickie auf dem Sofa. Auch die Männer sind nicht immer bei der Sache und ermüden leicht: "Es ist immer dasselbe, dachte er." Die Frauen wollen reden, reden, reden, man zieht sich aus, schließlich bleibt er erschöpft auf ihnen liegen: "Ich küsse sie lustlos auf den Hals." Das war's.
Reden ist hier kein Weg, sich nahezukommen. Stets bewahren die Figuren ihr Inneres vor ihrem Gegenüber - und auch vor dem Leser. Ihr Wollen, Nichtwollen, Nichtwissen, ob sie wollen, wirkt dadurch oft unmotiviert: da wird soviel gezögert und gezaudert, dass man hin und wieder das Interesse für Nuancen verliert und denkt, dass man diese beziehungsgestörten, schlappschwänzigen, lau liebenden Großstadtversager zur Genüge kennt.
In der zweiten Hälfte des Buches finden sich dann die starken, anrührenden Geschichten. Vergleichsweise oft ist die männliche Hauptfigur der kraftvolleren Geschichten Schriftsteller, Jude, Brillenträger. Das sind Einladungen, die Texte aufgeregt auf autobiographisches Material abzuklopfen, aber wozu? Es würde sie nicht besser, nicht schlechter machen, allenfalls würde man den Autor für sein Liebesleben ein wenig bemitleiden.
Beiseitelegen wird man das Buch zuletzt aber mit einem vergnügten kleinen Lachen, denn den Reigen beendet die aus der Reihe tanzende, herrlich skurrile Geschichte von Primo Tischmann, der sich in einem komischen "Happy End mit Klebeband" in eine Packbandmumie verwandelt und von einer zart errötenden Dame geküsst wird. Davon bitte mehr.
Maxim Biller: "Liebe Heute". Short Stories. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. 224 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wirklich immer dasselbe? Maxim Billers Liebesgeschichten aus den Wüsten der Großstadt / Von Sabine Löhr
Frühling macht leichtsinnig, man hält Liebe für möglich, entdeckt statt Wankelmut ringsum nur Tatendrang, keine Höllenseufzer, nur Himmelsklang. Wollte man uns Geschichten über gelingende Liebe verkaufen, würden wir abwinken und lieber glücklich mit der Liebe Eis essen gehen. Doch meistens läuft es eben doch anders mit der Liebe. Also lesen wir auch andere Liebesgeschichten.
Maxim Biller illustriert in den 27 Shortstories seines neues Erzählbandes "Liebe heute" die Liebe in den Zeiten der Jeinsager. Altgediente Fans seiner wilden Polemiken, die sein schon leises Werk "Bernsteintage" nicht kennen, dürften sich über die Lakonie dieser Liebesgeschichten wundern. Sie sind nicht als greller Erguss aufs Papier geplatscht, erinnern eher an Bleistiftzeichnungen. Mal in festen klaren Strichen präzise auf das Wesentliche reduziert, mal mit leichter Hand hingeworfen, mal zu wenig ausgearbeitet. Manche blutarme Skizze könnte man auch getrost verwerfen. Immer aber liegt über diesen Liebesgeschichten ein trübender Grauschleier. Glücklich? Allein ist die Seele, die liebt. Entweder liebt ein Er eine Sie, sie aber einen anderen, zusätzlich liebt sie aber auch Ihn, liebt ihn ein wenig, nein, gar nicht. Oder aber man liebt mit Zeitverschiebung, vielleicht schon seit der Geschlechtsorganzeigezeit im Kindergarten.
Wann immer der eine einen Schritt nach vorn macht, weicht der andere zurück. Stört kein Dritter, drückt kein Altliebesballast, kreisen die vielleicht Liebenden dennoch beharrlich in sich und zugleich umeinander, ohne dass die wechselseitige Anziehung zwischen ihnen je so stark wäre, dass dauerhaft innige Nähe entstünde. Stets klopfen zwei Herzen in einer Brust, nie schlagen zwei Herzen im Gleichklang.
So geht es auch Bella in der Geschichte "Der Brief von Oz". Als sie ihrem Longdistance-Liebhaber erklärt, ihn über die Feiertage besuchen zu wollen, hatte sie "ein gutes Gefühl, als sie das sagte. Sie wartete, ob noch ein anderes Gefühl käme, aber es kam nicht. Dann kam es doch, aber es gelang ihr, es mehr oder weniger zu ignorieren." Oder beim Schauspieler Feri in "Die Jahre mit Maserati": "Als er sie das erste Mal im Casolare sah, hatte er gedacht, das wird nichts, und wenn es was wird, nicht für lange." Genau so kommt es. Als die ältere Geliebte morgens per SMS ihre angebliche Schwangerschaft verkündet, antwortet er nicht, sondern denkt nur über die monetären Folgen von einem Dutzend Mal verhütungsfreiem Sex nach: "Sie hatten es gut gemacht, ihm hatte es gefallen, und ihr auch, und jetzt war er also sein schönes Auto los." Bis zum Abend hat er sich durch sein Schweigen als Liebhaber disqualifiziert und wird per SMS Nummer zwei abserviert.
Wie aber Liebe (oder was man dafür hält) zeigen? Die modernen Metropolenmänner Berlins, Hamburgs, Münchens, Prags oder Tel Avivs gehen dabei manchmal pennälerhaft linkisch vor, posaunen ihre momentane Zuneigung gleichsam mit offenem Hosenstall heraus und stoßen (erstaunlicherweise) nicht auf Allzeitbereitschaft: "Sie machte Schwierigkeiten", kommentiert einer. Oder sie weint nach dem Quickie auf dem Sofa. Auch die Männer sind nicht immer bei der Sache und ermüden leicht: "Es ist immer dasselbe, dachte er." Die Frauen wollen reden, reden, reden, man zieht sich aus, schließlich bleibt er erschöpft auf ihnen liegen: "Ich küsse sie lustlos auf den Hals." Das war's.
Reden ist hier kein Weg, sich nahezukommen. Stets bewahren die Figuren ihr Inneres vor ihrem Gegenüber - und auch vor dem Leser. Ihr Wollen, Nichtwollen, Nichtwissen, ob sie wollen, wirkt dadurch oft unmotiviert: da wird soviel gezögert und gezaudert, dass man hin und wieder das Interesse für Nuancen verliert und denkt, dass man diese beziehungsgestörten, schlappschwänzigen, lau liebenden Großstadtversager zur Genüge kennt.
In der zweiten Hälfte des Buches finden sich dann die starken, anrührenden Geschichten. Vergleichsweise oft ist die männliche Hauptfigur der kraftvolleren Geschichten Schriftsteller, Jude, Brillenträger. Das sind Einladungen, die Texte aufgeregt auf autobiographisches Material abzuklopfen, aber wozu? Es würde sie nicht besser, nicht schlechter machen, allenfalls würde man den Autor für sein Liebesleben ein wenig bemitleiden.
Beiseitelegen wird man das Buch zuletzt aber mit einem vergnügten kleinen Lachen, denn den Reigen beendet die aus der Reihe tanzende, herrlich skurrile Geschichte von Primo Tischmann, der sich in einem komischen "Happy End mit Klebeband" in eine Packbandmumie verwandelt und von einer zart errötenden Dame geküsst wird. Davon bitte mehr.
Maxim Biller: "Liebe Heute". Short Stories. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. 224 S., geb., 18,90 [Euro].
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"Maxim Biller zeigt sich in seinen wunderbaren neuen Geschichten als Erinnerungsartist, der alle Register anrührenden und unterhaltsamen Erzählens beherrscht." Friedmar Apel, FAZ (über " - Bernsteintage")
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Ijoma Mangold hat an Maxim Billers 27 Short Stories über die "Liebe heute" durchaus Gefallen gefunden, auch wenn sie bei ihm keine wahre Begeisterung ausgelöst haben. Dafür scheinen ihm die Geschichten doch ein wenig zu routiniert und zu wenig überraschend. Ihm beschleicht bisweilen der Eindruck, Billers Protagonisten wollten gerade so leben, "dass es für einige starke Gefühle für die Dauer einer Short Story reicht". Zwar bescheinigt Mangold dem Autor, die Form der Kurzgeschichte perfekt zu beherrschen. Aber darin sieht er auch eine gewisse Schwäche des Buchs. Schließlich kommt er nicht umhin festzustellen, dass Billers Geschichten aus dem zeitgenössischen Liebesleben doch sehr den "Gesetzen und der Dramaturgie der Short Story" folgen. Dass die meisten Stories entweder vom Anfang oder dem Ende einer Beziehung handeln, passt für ihn in dieses Bild. Das Dazwischen, das Andere zwischen dem Kommen und Gehen, gerät nach seiner Vermutung nämlich deshalb nicht in den Blick des Erzählers, weil dafür in der "festgezurrten Form der Short Story" kein Platz sei.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Erhellende, melancholische und vor allem realistische Einblicke in das komplizierte Liebesleben heutiger Großstadtbewohner [...] Ein Meister der kleinen Form.« spiegel.de