Ach, wie schön ist das gewesen, / Ach, wie haben wir's genossen, / Als wir Huhn mit Sojasprossen / Aßen damals beim Chinesen.Ach wie schön ist der Sound des 'großen Endreimers' Christian Maintz, der den Liebhabern humoristischer Dichtung aus vielen Anthologien bekannt ist. 'Liebe in Lokalen' versammelt zum ersten Mal alle seine Gedichte. Sie umkreisen die Mysterien der Liebe: Sie beschwören ekstatische Momente im ICE, an der Wursttheke und im Freibad von Bad Oldesloe. Sie befragen die großen Denker und Dichter - Goethe, Kant und Nietzsche -, nehmen uns mit auf die Rebhuhnjagd und geben Einblicke in das Liebesleben der Wildschweine, Insekten und Nagetiere. So klug wie poetisch und witzig sind diese Gedichte und so wunderbar gereimt, dass es die reine Freude ist, sie zu lesen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Jochen Schimmang empfiehlt Christian Maintz und seine gesammelten Gedichte als Schullektüre. Warum? Weil sich mit ihnen was lernen lässt fürs Leben, meint Schimmang. Etwa über Philosophenstreite, Auf- und Untergang der Liebe oder andere Abgründe. Alles aufschlussreich, prägnant und tadellos in den Endreim gefasst vom Autor, den Schimmang für einen Wilhelm Busch mit Weltgeist hält.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2016Lest, ihr Lyrik-Lehrplaner!
Die witzigen Gedichte von Christian Maintz
Philosophie sei ihre Zeit in Gedanken gefasst, ließ der deutsche Meisterdenker Hegel einst verlauten, und die heutigen deutschen Meisterdenker folgen diesem Gedanken offenkundig nach wie vor. Eventuell ist aber die Lyrik bei der Zeitdiagnose viel aufschlussreicher, zumal so prägnante wie die von Christian Maintz.
Hegel hat in dem Band, der laut Verlag alle Gedichte des Autors zum ersten Mal vereint, seinen Auftritt schon recht früh, und zwar, wie sollte es anders sein, gemeinsam mit seinem Antipoden und Verächter Schopenhauer, den er beim Kegeln fertigmacht. Warum Hegel nach fünfzehn Runden zwölf zu drei führt, weiß der preußische Staatsphilosoph genau: "Dieses ist nicht ungewöhnlich, / Denn der Weltgeist höchst persönlich / Führt mir schon seit je die Hand / Daher bin ich so brillant."
Solche brillanten Kerle haben wir natürlich gefressen und sind ganz auf der Seite seines Gegners, der zu Hause bei sich schwört, es diesem Hegel heimzuzahlen. Und: "Wer es nachliest, wird bemerken, / Dass in Schopenhauers Werken / Hegel und das Kegelschießen / Wenig Sympathie genießen." Wohl wahr.
Die zitierten Zeilen zeigen außer der philosophischen Bildung des Autors auch den "großen Endreimer" (so der Klappentext) Christian Maintz - in Vollendung, würde man im Normalfall hinzufügen, aber das ist hier überfüssig, denn Maintz' Reime und auch seine Versfüße sind immer vollendet. Da gibt es nicht ein einziges Gedicht, das irgendwo ins Stolpern käme oder dessen Endreim verzweifelt aus dem Reimlexikon herausgesucht wäre; alles greift in großer Eleganz ineinander, beinahe so, als führte der Weltgeist dem Dichter die Hand - aber das möchte ich ihm nicht unterstellen.
Eher führen ihm andere die Hand. Dass diese Lyrik große Ahnen und Maintz völlig zu Recht gleich zweimal den Wilhelm-Busch-Preis bekommen hat, ist offensichtlich. Busch steht wahrlich nicht im Verdacht, ein Anhänger des Weltgeistes gewesen zu sein. Auch Christian Morgenstern gehört zu Maintz' Ahnen, und ihm wird mit einem Palmström-Gedicht ausdrücklich Reverenz erwiesen.
Welche Thematik hier im Gedicht bearbeitet wird? Darauf lässt sich kurz und knapp antworten: alles, was der Fall ist. Vorrangig also die Liebe und die Erotik in ihren diversen Erscheinungsformen und Abgründen, weshalb das Gedicht "Liebe in Lokalen" zu Recht titelgebend für den ganzen Band ist und durch Michael Sowas wundervolle Umschlagszeichung zusätzlich hervorgehoben wird. Es gehört in seinem schwebend elegischen Ton zu den schönsten, deshalb seien hier die erste und die letzte Strophe zitiert, die den ganzen Abstand vom jubelnden Beginn bis zum Verlassenwerden spiegeln: "Ach, wie schön ist das gewesen / Ach, wie haben wir's genossen, / Als wir Huhn mit Sojasprossen / Aßen damals beim Chinesen / . . . / Gott, wie hab' ich dann gelitten, /Als die Liebe war zerbrochen, / Weil du dich mit jenem Jochen / Trafst zu Currywurst und Fritten."
Neben der Liebe finden wir die Abteilungen "Wort und Sinn", der auch der oben zitierte Philosophenstreit angehört (nebst Nachrichten von Goethe, Nietzsche, Luhmann und anderen); "Flora und Fauna", in der in einem Gedicht Morgensterns Mondschaf zum Wiesel wird; "Huldigungen und Kränze", in der neben anderen Karl May und Ror Wolf angemessen gewürdigt werden, und "Sagen und Geschichten", bei denen Liebhabern von John Fords Filmen besonders die Wildwest-Ballade "Geier in Laramie" empfohlen sei.
"Früher" - wann immer das war - konnte "man" - wer immer das war - Gedichte noch auswendig, und das half in schwierigen Lebenslagen. Im Gefolge irgendeiner Bildungsreform hat das stark nachgelassen. Diesem Notstand kann nun mit den gesammelten Gedichten von Christian Maintz abgeholfen werden. Auf den Lehrplan mit ihnen!
JOCHEN SCHIMMANG
Christian Maintz:
"Liebe in Lokalen". Gedichte.
Verlag Antje Kunstmann, München 2016. 143 S., geb., 14,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die witzigen Gedichte von Christian Maintz
Philosophie sei ihre Zeit in Gedanken gefasst, ließ der deutsche Meisterdenker Hegel einst verlauten, und die heutigen deutschen Meisterdenker folgen diesem Gedanken offenkundig nach wie vor. Eventuell ist aber die Lyrik bei der Zeitdiagnose viel aufschlussreicher, zumal so prägnante wie die von Christian Maintz.
Hegel hat in dem Band, der laut Verlag alle Gedichte des Autors zum ersten Mal vereint, seinen Auftritt schon recht früh, und zwar, wie sollte es anders sein, gemeinsam mit seinem Antipoden und Verächter Schopenhauer, den er beim Kegeln fertigmacht. Warum Hegel nach fünfzehn Runden zwölf zu drei führt, weiß der preußische Staatsphilosoph genau: "Dieses ist nicht ungewöhnlich, / Denn der Weltgeist höchst persönlich / Führt mir schon seit je die Hand / Daher bin ich so brillant."
Solche brillanten Kerle haben wir natürlich gefressen und sind ganz auf der Seite seines Gegners, der zu Hause bei sich schwört, es diesem Hegel heimzuzahlen. Und: "Wer es nachliest, wird bemerken, / Dass in Schopenhauers Werken / Hegel und das Kegelschießen / Wenig Sympathie genießen." Wohl wahr.
Die zitierten Zeilen zeigen außer der philosophischen Bildung des Autors auch den "großen Endreimer" (so der Klappentext) Christian Maintz - in Vollendung, würde man im Normalfall hinzufügen, aber das ist hier überfüssig, denn Maintz' Reime und auch seine Versfüße sind immer vollendet. Da gibt es nicht ein einziges Gedicht, das irgendwo ins Stolpern käme oder dessen Endreim verzweifelt aus dem Reimlexikon herausgesucht wäre; alles greift in großer Eleganz ineinander, beinahe so, als führte der Weltgeist dem Dichter die Hand - aber das möchte ich ihm nicht unterstellen.
Eher führen ihm andere die Hand. Dass diese Lyrik große Ahnen und Maintz völlig zu Recht gleich zweimal den Wilhelm-Busch-Preis bekommen hat, ist offensichtlich. Busch steht wahrlich nicht im Verdacht, ein Anhänger des Weltgeistes gewesen zu sein. Auch Christian Morgenstern gehört zu Maintz' Ahnen, und ihm wird mit einem Palmström-Gedicht ausdrücklich Reverenz erwiesen.
Welche Thematik hier im Gedicht bearbeitet wird? Darauf lässt sich kurz und knapp antworten: alles, was der Fall ist. Vorrangig also die Liebe und die Erotik in ihren diversen Erscheinungsformen und Abgründen, weshalb das Gedicht "Liebe in Lokalen" zu Recht titelgebend für den ganzen Band ist und durch Michael Sowas wundervolle Umschlagszeichung zusätzlich hervorgehoben wird. Es gehört in seinem schwebend elegischen Ton zu den schönsten, deshalb seien hier die erste und die letzte Strophe zitiert, die den ganzen Abstand vom jubelnden Beginn bis zum Verlassenwerden spiegeln: "Ach, wie schön ist das gewesen / Ach, wie haben wir's genossen, / Als wir Huhn mit Sojasprossen / Aßen damals beim Chinesen / . . . / Gott, wie hab' ich dann gelitten, /Als die Liebe war zerbrochen, / Weil du dich mit jenem Jochen / Trafst zu Currywurst und Fritten."
Neben der Liebe finden wir die Abteilungen "Wort und Sinn", der auch der oben zitierte Philosophenstreit angehört (nebst Nachrichten von Goethe, Nietzsche, Luhmann und anderen); "Flora und Fauna", in der in einem Gedicht Morgensterns Mondschaf zum Wiesel wird; "Huldigungen und Kränze", in der neben anderen Karl May und Ror Wolf angemessen gewürdigt werden, und "Sagen und Geschichten", bei denen Liebhabern von John Fords Filmen besonders die Wildwest-Ballade "Geier in Laramie" empfohlen sei.
"Früher" - wann immer das war - konnte "man" - wer immer das war - Gedichte noch auswendig, und das half in schwierigen Lebenslagen. Im Gefolge irgendeiner Bildungsreform hat das stark nachgelassen. Diesem Notstand kann nun mit den gesammelten Gedichten von Christian Maintz abgeholfen werden. Auf den Lehrplan mit ihnen!
JOCHEN SCHIMMANG
Christian Maintz:
"Liebe in Lokalen". Gedichte.
Verlag Antje Kunstmann, München 2016. 143 S., geb., 14,95 [Euro].
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