Hier wird viel mehr angesprochen als die erste Jugendliebe: wie lebt man als Kind und Teenager mit einem Elternteil, der ernsthaft psychisch krank ist? Ist das vererblich? Mit wem spricht man darüber? Ist es Verrat, sowas seiner besten Freundin zu verschweigen? Und dann gibt es noch völlig andere
Themen: wie lebt es sich in einer Patchwork-Familie, vor allem wenn die beste Freundin auf einmal zur…mehrHier wird viel mehr angesprochen als die erste Jugendliebe: wie lebt man als Kind und Teenager mit einem Elternteil, der ernsthaft psychisch krank ist? Ist das vererblich? Mit wem spricht man darüber? Ist es Verrat, sowas seiner besten Freundin zu verschweigen? Und dann gibt es noch völlig andere Themen: wie lebt es sich in einer Patchwork-Familie, vor allem wenn die beste Freundin auf einmal zur Stiefschwester wird? Darf die neue Stiefmutter einem wirklich Vorschriften machen? Ist das ok, wenn der eigene Vater der neuen Schwester auf einmal Geschenke kauft - und man selber keine bekommt? Beide Mädchen haben mit Neid zu kämpfen, und mit dem Gefühl, auf einmal zurückstecken und um die Aufmerksamheit ihrer Eltern buhlen zu müssen.
Ich muss ehrlich sagen, ich hatte öfter das Gefühl, es hätte dem Buch gutgetan, wenn nicht so viel auf relativ wenigen Seiten abgehandelt worden wäre. Beide Themen sind wichtige, umfangreiche Themen, aber beide zusammen sind vielleicht einfach zuviel auf einmal. Im ersten Teil steht noch Nessie und ihr Verhältnis zur psychisch kranken Mutter im Vordergrund, aber später fällt dieser Aspekt der Geschichte immer mehr einfach unter den Tisch.
Was ich auch zum Teil sehr verwunderlich fand: auf manche Ereignisse wird über lange Passagen hinweg hingearbeitet - und dann werden sie einfach übersprungen. Da ist zum Beispiel ein Kapitel, in dem Nessie ihre Mutter in der psychiatrischen Wohneinheit besuchen soll. Und sie will nicht, sie bekommt hysterische Anfälle, die sträubt sich, die tobt... Die ganze Reise nach Berlin, wo die Mutter lebt, ist für sie eine Tortur. Und dann wird die Begegbnung nicht einmal beschrieben - mit keinem Wort. Die Geschichte springt einfach von der Hinreise direkt zur Rückreise. Das waren einfach Szenen mit unglaublich viel Potential, die da gänzlich verschwiegen wurden, oder die dann höchstens im Rückblick knapp und mit emotionaler Distanz angesprochen wurden.
Abgesehen von dieser für mich doch ziemlich gravierenden Schwäche fand ich das Buch spannend, und die Gefühle von Nessie kamen mir immer glaubhaft und gut recherchiert vor. Überhaupt war sie für mich ein sympathisches junges Mädchen, das ich immer gut verstehen konnte - auch dann, wenn sie mal zickig, unfair und launenhaft vor. Es ist schwer genug, ein Teenager zu sein, und sie hat ja an viel mehr zu knabbern als der typische Teenager! Sie hat auch jede Menge gute Eigenschaften, ganz besonders ihre Fähigkeit, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken, sich zu entschuldigen und nach einem Streit wieder auf Menschen zuzugehen.
Natürlich darf auch in einem Jugendbuch mit ernsthaften Themen eine Prise Humor nicht fehlen, und da hat mich das Buch auch nicht enttäuscht! Was die im Titel versprochene Liebe betrifft: meiner Meinung nach geht es hier weniger um romantische Liebe als um familiäre und freundschaftliche Liebe. Ja, Nessie und Kim verlieben sich natürlich auch mal, das wäre in ihrem Alter ja auch verwunderlich, wenn nicht, aber im Großen und Ganzen stand das für mich eher im Hintergrund und war meist eher ein Auslöser - manchmal für Konflikte zwischen Nessie und Kim, manchmal für schwesterlichen Zusammenhalt.
Ich hätte mir wirklich gewünscht, die Autorin hätte entweder ein dickeres Buch geschrieben und somit beiden der großen Themen - psychische Erkrankung eines Elternreils / Patchworkfamilien - viel mehr Raum gegeben, oder sich auf eines davon beschränkt. So hatte ich einfach immer wieder das Gefühl, dass etwas zu kurz kam oder ganz unterschlagen wurde. Aber dennoch fand ich das Buch immer noch spannend und gut zu lesen, und ich finde es durchaus auch für erwachsene Leser interessant. Die beiden jungen Heldinnen sind sympathisch und glaubhaft, und besonders das Thema psychischer Erkrankungen ist einfühlsam und lebensecht beschrieben - wenn auch etwas zu kurz!