MIQUEL MARTÍ I POL, der katalanische Dichter, lebte zwischen 1929 und 2003. Zeit seines Lebens verbrachte er in Roda de Ter, einer Kleinstadt im katalonischen Bergland, wo er mit vierzehn Jahren anfing, in einer Textilfabrik zu arbeiten. Der junge Lyriker wurde in seiner Region bekannt, als er 1954 für seinen Erstling Paraules al vent (Wörter im Wind) einen wichtigen Literaturpreis erhielt. Vierzigjährig erkrankte er unheilbar an Multipler Sklerose und mußte sehr bald seine Arbeitsstelle kündigen. Den ersten sieben Jahren mit der Krankheit widmet der Dichter das Kapitel Set poemes d’aniversari (Sieben Gedichte zum Jahrestag). Darüber erzählt er im Vorwort zur Originalausgabe und läßt die katalanischen Leser an der lebenslangen Veränderung teilhaben, die drei notwendige Dinge für ihn und sein Schreiben bedeuten: «die Verinnerlichung, die Betrachtung und, als fast unumgängliche Auswirkung, die Poesie.» Das neue Leben, seine Grenzen und seinen «Fächer an Möglichkeiten» erschließt der zweite Zyklus Capfoguer (Feuerrost), der zwanzig Gedicht umfaßt. Das dritte Kapitel Estimada Marta (Liebe Marta) mit fünfzehn Gedichten, das dem Lyrikband aus dem Jahr 1978 den Haupttitel verleiht, gehört zu den schönsten erotischen Dichtungen der katalanischen Moderne. Die Komplizenschaft der Vertrautheit, nach der Miquel Martí i Pol strebt, verzaubert seine Verse, die durch ihre Klarheit bezaubern. Zusätzlich zur politischen Haltung des Dichters und der parallel einhergehenden Erlangung der demokratischen Freiheit Spaniens und Kataloniens sind seine Dichtungen landauf, landab äußerst beliebt. Fünfunddreißig Lyrikbände umfaßt sein Gesamtwerk. Die zweite Hälfte des vorliegenden Doppelbandes schrieb er um den Jahrtausendwechsel herum: Haikús en temps de guerra (Haikus in Kriegszeiten). Die fünf Zyklen versammeln wunderbare Haikus und Tankas, wobei innigste Erlebnisse und politische Erkenntnisse ineinander übergehen und selten das ironische Ausrufungszeichen dem Schicksal unabänderlich überlassen. Dabei entwickelt er seine poetologischen Reflexionen oder erotischen Vorstellungen ebenso wie seine Einschätzungen zum Kosovokrieg und auch lose Gedanken als Kommentare zum Geschehen. Im Erscheinungsjahr 2002 wurden vier Auflagen im folgenden Rhythmus herausgegeben: Februar, März, April und Juli. Das letzte Tanka ist ein gewissenhafter Mahnbrief an jede Eitelkeit: «Dennoch laß ich mich / vom Traum in den Schlaf wiegen, / bis sich auf einmal / eine Stimme laut beklagt: / keine Literatur mehr!» Miquel Martí i Pol starb 2003 in Vic und hinterließ ein poetisches Werk von herausragender Bedeutung, jedoch nicht allein für den heimischen Leser im mediterranen Katalonien. Hier liegen jetzt vier seiner Einzelbände in zwei Doppelbänden vor, die einen tiefen und breit gefächerten Einblick erlauben. Mit immer anderen Worten fragt der Dichter nach einem Ort der Harmonie: Wo nur finden die heimatlosen Träume ihr Zuhause? Tobias Burghardt (Musica humana)