Michael "Butcher" Boone, einst erfolgreicher Avantgarde-Künstler, bleibt nach einer scheußlichen Scheidung nichts mehr. Zusammen mit seinem behinderten 220 Pfund schweren Bruder Hugh sitzt er in der australischen Provinz. Der Alkohol wird mehr und die Perspektive weniger.
Als plötzlich in einer Gewitternacht die schöne Kunstexpertin Marlene in Manolo Blahniks durch den Matsch gestöckelt kommt und den Brüdern den Kopf verdreht, bringt sie eine Lawine von Ereignissen ins Rollen, die sie alle für immer retten oder ruinieren wird. Ein wilder Ritt durch die internationale Kunstszene beginnt, von Manhattan nach Tokyo, voll von wahnsinnigen Sammlern und stilechten Betrügern, brilliant durchdacht und unglaublich komisch. Und gleichzeitig eine verrückte und romantische Liebesgeschichte mit überraschener Pointe, die dem Leser den Kopf verdreht und ihn atemlos zurücklässt.
Als plötzlich in einer Gewitternacht die schöne Kunstexpertin Marlene in Manolo Blahniks durch den Matsch gestöckelt kommt und den Brüdern den Kopf verdreht, bringt sie eine Lawine von Ereignissen ins Rollen, die sie alle für immer retten oder ruinieren wird. Ein wilder Ritt durch die internationale Kunstszene beginnt, von Manhattan nach Tokyo, voll von wahnsinnigen Sammlern und stilechten Betrügern, brilliant durchdacht und unglaublich komisch. Und gleichzeitig eine verrückte und romantische Liebesgeschichte mit überraschener Pointe, die dem Leser den Kopf verdreht und ihn atemlos zurücklässt.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Für rundum begabt hält Thomas Leuchtenmüller den australischen Schriftsteller Peter Carey, der es bis dato als Einziger geschafft habe, dem großen Patrick White auf Augenhöhe zu begegnen und der australischen Literatur den "Anschluss an die Postmoderne zu sichern". Der neue Roman hat dem Rezensenten Spaß gemacht: Die Satire erzählt von einem gebrochenen Künstler Michael Boone, der nach seiner Scheidung bei null anfangen muss. Als eine Kunstexpertin in seinem Provinznest eintrifft, entwickelt sich eine vertrackte Detektivgeschichte, berichtet Leuchtenmüller. Dabei werde vor allem die Kunstszene aufs Korn genommen; der Autor beweise Menschenkenntnis durch seine überzeugende Art, sich in verschiedene Figuren hineinzuversetzen und ihre Erzählperspektiven zu übernehmen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2009Eine Frage der Werte
Echt oder falsch, Wein oder Wasser - das ist das Sujet des Romans "Liebe". Diese glänzende Satire auf den Kunstbetrieb stammt aus der Feder des 1943 geborenen Australiers Peter Carey.
Seine enorme Ausstrahlung verdankt der Kunstbetrieb nicht nur diamantenbesetzten Totenschädeln. Auch die Frage nach Original oder Fälschung bewegt die Sammlerwelt. Echt oder falsch, Wein oder Wasser - das ist auch das Sujet von "Liebe", einem Roman des australischen Schriftstellers Peter Carey, Jahrgang 1943. Der einst berühmte Maler Michael Boone ist nach einer Scheidung völlig ruiniert und muss sich nun mit seinem geistig behinderten Bruder Hugh irgendwie durchschlagen. Mike, Spitzname "Butcher", ist ein Glatzkopf mit Alkoholproblemen, eine Kraftnatur, genau wie sein dicker Bruder, der an ihm klebt wie ein siamesischer Zwilling und zu allem Überfluss zur Gewalttätigkeit neigt. Am Anfang des Romans - im Outback strömt der Schweiß, die Insekten surren unaufhörlich - ahnt man noch nicht, dass sich der Roman zu einer veritablen Kunstbetriebssatire über Sydney und Tokio bis nach Manhattan auswachsen wird.
Ein Kunstgönner hat Michael und Hugh ein einsames Haus im Urwald von New South Wales überlassen, in dem die beiden eigentlich Hausmeister spielen sollen. Aber der vitale Mike zieht sofort los in die nächste Stadt, kauft Farben und Leinwand und baut das Haus zum Atelier um. Da strandet in der Regenzeit das Auto einer Blondine mit hochhackigen "Fick-mich-Schuhen" vor seiner Haustür. Die mandeläugige Marlene ist die Schwiegertochter des berühmten verstorbenen Malers Jacques Leibowitz und unterwegs zu einem Nachbarn der Boones, um ein Leibowitz-Gemälde auf seine Echtheit zu prüfen. Kurz darauf verschwindet das Gemälde, und prompt beschlagnahmt die Polizei Michaels soeben entstandene Bilder - seine bislang besten. Unterdessen hat die schillernde Marlene, die mit Bruder Hugh so liebenswürdig über ihr gemeinsames Lieblingsbuch, den "Zauberpudding", plaudert, eine Affäre mit dem frustrierten Maler angefangen und sogar geschafft, für ihn eine Ausstellung in Tokio zu organisieren.
Boones Karriere erlebt nun einen gewissen Aufschwung. Doch die Welt der Kunst ist schlecht, und bald geht es nicht nur um echte oder falsche Bilder, sondern auch um die Wahrheit der Gefühle. Was sind Marlenes Motive? Benutzt sie Michael, oder benutzt sie ihren Mann, der verhängnisvollerweise das "droit moral" für alle Werke seines Vaters besitzt - also das Recht, sie für echt oder unecht zu erklären? Doppelte Böden sind eine Spezialität Peter Careys, der in dem Roman "Mein Leben als Fälschung" (deutsch 2002) gleich vier Erzählerstimmen um einen erfundenen Dichter arrangierte, der tatsächlich zum Leben erwacht. In "Liebe" wechselt die Sicht Michaels mit der seines Bruders ab, der ein wacher Beobachter der Eitelkeiten des Kunstbetriebs und seines Bruders ist. Dazu passt, dass Hugh stets einen Klappstuhl bei sich trägt, den er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit aufstellt.
Peter Careys Buch ist sehr diesseitig; bei der Beschreibung männlicher Körperlichkeit neigt es zu pubertärem Naturalismus. Doch gerade im ersten Drittel ist seine Atmosphäre überwältigend dicht. Im sintflutartigen Regen verwandelt sich das abgelegene Holzhaus in der Pampa in eine fragile Aussichtsplattform, die jede Schwingung der Außenwelt überträgt und bei Michael ein archaisches Glücksgefühl auslöst. Und die Leidenschaft und Präzision, mit der Michael beim Bespannen der Rahmen und beim Mischen der Farben vorgeht, wecken beim Leser geradezu Begeisterung für die bildende Kunst. Kein Wunder, dass Carey - neben dem Südafrikaner Coetzee - der einzige Schriftsteller ist, dem der britische Booker-Preis gleich zweimal verliehen wurde. Der Roman hält, ja steigert die Spannung bis zum Schluss - allerdings leidet die erzählerische Intensität unter der wachsenden Übermacht des Suspense.
Bislang hat Peter Carey in jedem seiner Bücher über die Leitbilder seines Landes geschrieben, dem die Vergangenheit als Sträflingskolonie noch immer nachhängt. Ganz explizit tat er dies in "Die wahre Legende des Ned Kelly" (deutsch 2002), einem Roman über einen australischen Robin Hood, einen Rebellen aus ärmlichen Verhältnissen, der seine überforderte Mutter liebt und gegen eine feindliche Natur ankämpfen muss.
Ganz ähnlich ist es mit den Boones, die aus dem Kaff Bacchus Marsh kommen - wie Peter Carey, der nicht der Sohn eines Metzgers, aber eines Gebrauchtwarenhändlers ist. Auch Marlene ist, wie sich herausstellt, ein Underdog aus dem Outback, lief als Teenager Amok und zündete die Schule an. Am Ende ruiniert ihre Gier die Liebe zu Michael. Doch auch Butcher Boones Schlussfrage ist von der Logik des Marktes durchdrungen: "Wie kann man wissen, wie viel man zahlen soll, wenn man nicht weiß, was es wert ist?"
JUDITH LEISTER
Peter Carey: "Liebe. Eine Diebesgeschichte". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Robben. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2008. 333 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Echt oder falsch, Wein oder Wasser - das ist das Sujet des Romans "Liebe". Diese glänzende Satire auf den Kunstbetrieb stammt aus der Feder des 1943 geborenen Australiers Peter Carey.
Seine enorme Ausstrahlung verdankt der Kunstbetrieb nicht nur diamantenbesetzten Totenschädeln. Auch die Frage nach Original oder Fälschung bewegt die Sammlerwelt. Echt oder falsch, Wein oder Wasser - das ist auch das Sujet von "Liebe", einem Roman des australischen Schriftstellers Peter Carey, Jahrgang 1943. Der einst berühmte Maler Michael Boone ist nach einer Scheidung völlig ruiniert und muss sich nun mit seinem geistig behinderten Bruder Hugh irgendwie durchschlagen. Mike, Spitzname "Butcher", ist ein Glatzkopf mit Alkoholproblemen, eine Kraftnatur, genau wie sein dicker Bruder, der an ihm klebt wie ein siamesischer Zwilling und zu allem Überfluss zur Gewalttätigkeit neigt. Am Anfang des Romans - im Outback strömt der Schweiß, die Insekten surren unaufhörlich - ahnt man noch nicht, dass sich der Roman zu einer veritablen Kunstbetriebssatire über Sydney und Tokio bis nach Manhattan auswachsen wird.
Ein Kunstgönner hat Michael und Hugh ein einsames Haus im Urwald von New South Wales überlassen, in dem die beiden eigentlich Hausmeister spielen sollen. Aber der vitale Mike zieht sofort los in die nächste Stadt, kauft Farben und Leinwand und baut das Haus zum Atelier um. Da strandet in der Regenzeit das Auto einer Blondine mit hochhackigen "Fick-mich-Schuhen" vor seiner Haustür. Die mandeläugige Marlene ist die Schwiegertochter des berühmten verstorbenen Malers Jacques Leibowitz und unterwegs zu einem Nachbarn der Boones, um ein Leibowitz-Gemälde auf seine Echtheit zu prüfen. Kurz darauf verschwindet das Gemälde, und prompt beschlagnahmt die Polizei Michaels soeben entstandene Bilder - seine bislang besten. Unterdessen hat die schillernde Marlene, die mit Bruder Hugh so liebenswürdig über ihr gemeinsames Lieblingsbuch, den "Zauberpudding", plaudert, eine Affäre mit dem frustrierten Maler angefangen und sogar geschafft, für ihn eine Ausstellung in Tokio zu organisieren.
Boones Karriere erlebt nun einen gewissen Aufschwung. Doch die Welt der Kunst ist schlecht, und bald geht es nicht nur um echte oder falsche Bilder, sondern auch um die Wahrheit der Gefühle. Was sind Marlenes Motive? Benutzt sie Michael, oder benutzt sie ihren Mann, der verhängnisvollerweise das "droit moral" für alle Werke seines Vaters besitzt - also das Recht, sie für echt oder unecht zu erklären? Doppelte Böden sind eine Spezialität Peter Careys, der in dem Roman "Mein Leben als Fälschung" (deutsch 2002) gleich vier Erzählerstimmen um einen erfundenen Dichter arrangierte, der tatsächlich zum Leben erwacht. In "Liebe" wechselt die Sicht Michaels mit der seines Bruders ab, der ein wacher Beobachter der Eitelkeiten des Kunstbetriebs und seines Bruders ist. Dazu passt, dass Hugh stets einen Klappstuhl bei sich trägt, den er bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit aufstellt.
Peter Careys Buch ist sehr diesseitig; bei der Beschreibung männlicher Körperlichkeit neigt es zu pubertärem Naturalismus. Doch gerade im ersten Drittel ist seine Atmosphäre überwältigend dicht. Im sintflutartigen Regen verwandelt sich das abgelegene Holzhaus in der Pampa in eine fragile Aussichtsplattform, die jede Schwingung der Außenwelt überträgt und bei Michael ein archaisches Glücksgefühl auslöst. Und die Leidenschaft und Präzision, mit der Michael beim Bespannen der Rahmen und beim Mischen der Farben vorgeht, wecken beim Leser geradezu Begeisterung für die bildende Kunst. Kein Wunder, dass Carey - neben dem Südafrikaner Coetzee - der einzige Schriftsteller ist, dem der britische Booker-Preis gleich zweimal verliehen wurde. Der Roman hält, ja steigert die Spannung bis zum Schluss - allerdings leidet die erzählerische Intensität unter der wachsenden Übermacht des Suspense.
Bislang hat Peter Carey in jedem seiner Bücher über die Leitbilder seines Landes geschrieben, dem die Vergangenheit als Sträflingskolonie noch immer nachhängt. Ganz explizit tat er dies in "Die wahre Legende des Ned Kelly" (deutsch 2002), einem Roman über einen australischen Robin Hood, einen Rebellen aus ärmlichen Verhältnissen, der seine überforderte Mutter liebt und gegen eine feindliche Natur ankämpfen muss.
Ganz ähnlich ist es mit den Boones, die aus dem Kaff Bacchus Marsh kommen - wie Peter Carey, der nicht der Sohn eines Metzgers, aber eines Gebrauchtwarenhändlers ist. Auch Marlene ist, wie sich herausstellt, ein Underdog aus dem Outback, lief als Teenager Amok und zündete die Schule an. Am Ende ruiniert ihre Gier die Liebe zu Michael. Doch auch Butcher Boones Schlussfrage ist von der Logik des Marktes durchdrungen: "Wie kann man wissen, wie viel man zahlen soll, wenn man nicht weiß, was es wert ist?"
JUDITH LEISTER
Peter Carey: "Liebe. Eine Diebesgeschichte". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Robben. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2008. 333 S., geb., 19,90 [Euro].
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